?:abstract
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"Moderne sind arbeitsteilige, nach Funktionen differenzierte Gesellschaften. Funktional differenzierte Gesellschaften können nur bestehen, wenn es für alle glaubwürdig erscheint, dass alle die gleichen Chancen hatten, in die unterschiedlichen Positionen zu gelangen; dann lässt sich die Ungleichheit der Ergebnisse aus der Ungleichheit der Leistung rechtfertigen. Der Bestand moderner Gesellschaften hängt also entscheidend vom Glauben der Bevölkerung an das Wertepaar Gleichheit und Leistung ab. Gleichheit bedeutet in den Verfassungen moderner Gesellschaften die Gleichbehandlung der Bürger durch den Staat (Boldt 1990: 77), nicht aber Gleichheit der Ergebnisse. Funktional differenzierte Gesellschaften würden sich selber gefährden, wenn sie die Gleichverteilung von Ressourcen wie Vermögen, Einkommen oder Bildung als ein Ziel ansähen. Ergebnisgleichheit wird daher nur noch als ein Mindeststandard angestrebt, der nur am unteren Ende der Verteilung Ungleichheit ausschließt und der nicht aus der individuellen Leistung sich ergibt, sondern mit dem für jeden geltenden Bedarf festliegt. Niemand sollte weniger als ein bestimmtes Einkommen oder ein bestimmtes Bildungsniveau haben. Die Differenzierung nach Leistung, von der differenzierte Gesellschaften leben, soll nicht gefährdet werden; aber ihre unwillkommenen Konsequenzen, die Ausgrenzung derer, die wenig leisten können, sollen minimiert werden. In modernen Gesellschaften konkretisiert sich das Wertpaar Gleichheit und Leistung daher in der Spannung zwischen dem Minimalstandard des Bedarfs, auf dem noch die Gleichheit der Ergebnisse garantiert ist, und dem Leistungsprinzip, das Gleichheit der Chancen voraussetzt und zu Ungleichheit der Ergebnisse führt. [...] Die Spannung zwischen Ergebnis- und Chancengleichheit, zwischen Bedarf und Leistung wurde nun in staatssozialistischen Verfassungen zugunsten der ersten, in kapitalistischdemokratischen Verfassungen zugunsten der zweiten Seite aufgelöst. Da die beiden Aussagen den Befragten des ALLBUS in Westdeutschland zwischen 1976 und 2000 sieben Mal, in Ostdeutschland zwischen 1991 und 2000 vier Mal vorgelegt wurden, lässt sich am Testfall der deutschen Wiedervereinigung prüfen, ob der Verfassungsunterschied sich in einem Mentalitätsunterschied spiegelt und ob diese Unterschiede durch die Transformation der alten in die neue Verfassung eingeebnet werden. Welche Unterschiede zwischen den beiden Landesteilen kann man gleich nach der Wiedervereinigung und in der folgenden Zeit der Transformation erwarten?"
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