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  • Der Gipfel von Riga im November 2006 markiert eine weitere Station im Prozess der Erneuerung der NATO. Während die Öffentlichkeit noch den transatlantischen Streit um den Irak und den dabei angestimmten Abgesang auf die Allianz im Ohr hat, ist die Transformation des Bündnisses seit 2002 weit vorangeschritten. Zum einen erweitert die NATO ihre Aufgaben, ihre Mitglieder und ihren Tätigkeitsbereich. Sie wandelt sich von einem statischen Bündnis zur Verteidigung eigenen Territoriums zu einem globalen Interventionsbündnis. Zum anderen erneuert sie den Anspruch, ihre Mitglieder sollten auf der Grundlage geteilter Werte gemeinsam entscheiden und solidarisch handeln. Vorangetrieben wird die Transformation besonders von den USA. Seit Beginn ihrer zweiten Amtszeit entdeckt die Bush-Administration auch die Vorzüge des Multilateralismus im Bündnis neu und lädt ihre europäischen Verbündeten zur engeren Zusammenarbeit ein. Um zu entscheiden, wie weit sich Deutschland auf das amerikanische Angebot einlassen sollte, sind zwei Fragenkomplexe zu klären. Erstens: Wie weit würde der Handlungsspielraum Deutschlands durch die Mitgliedschaft in der von den USA geführten Allianz beschränkt? Und würden sich dadurch -wie während des Ost-West-Konflikts -Möglichkeiten der Einflussnahme auf die amerikanische Agenda eröffnen? Zweitens: Würde ein sich global orientierendes Bündnis Konflikte mit anderen Staaten eher verschärfen, wenn es geschlossen auftritt und die gemeinsamen Werte betont? Oder würden sich die Erfolgsaussichten globaler Ordnungspolitik verbessern, wenn sich der demokratische Westen nicht als einheitlicher Pol organisiert? Kurzum geht es bei dieser Entscheidung um die Frage, wieviel Einheit oder Flexibilität die NATO braucht und wie weit oder eng ihr Aufgaben-und Einsatzgebiet sein soll. Der vorliegende Report argumentiert, dass die Vorstellung eines einigen und in der NATO handlungsfähigen politischen Westens bei gleichzeitiger Entgrenzung der Aufgaben und Reichweite der Allianz eine Überforderung darstellt. Ein solches Konzept würde interne Friktionen schaffen und Konflikte zwischen der NATO und ihrer Umwelt verschärfen. Schließlich dürfte dieses Konzept nicht einmal von den USA dauerhaft verfolgt werden. Wahrscheinlicher ist mittelfristig etwas anderes: die Umwandlung der NATO zu einem losen politischen Dach, unter dem sich in Europa die regionale sicherheitspolitische Zusammenarbeit im Rahmen der EU verdichtet. Der Report entfaltet dieses Argument in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird gezeigt, wie Formmerkmale einer internationalen Organisation wie der NATO auf der einen Seite von ihren Mitgliedern verändert werden können, auf der anderen Seite die Spielräume ihrer Mitglieder beschränken oder erweitern und die Wirkung der Allianz nach außen beeinflussen. Folgenreich ist insbesondere die informelle Kontrolle, also die Art und Weise wie durch die Gestaltung der Konsultationskultur, durch Appelle an gemeinsame Werte und Interessen und durch gemeinsame Grundsatzbeschlüsse die nationalen Handlungsspielräume der Mitglieder beeinflusst werden. In Kombination mit der Ausweitung des Aufgaben-und Tätigkeitsbereichs gibt die Einschränkung der informellen Kontrolle der NATO eine historisch neue Gestalt. In einem zweiten Schritt wird gezeigt, wie diese Kombination von Formmerkmalen interne Friktionen und das Risiko von Konflikten mit Staaten außerhalb des Bündnisses erhöhen kann. Am Beispiel des Einsatzes in Afghanistan werden die Gefahren der ungewollten Verwicklung in Konflikte diskutiert, die sich mit der Ausweitung der NATO bei gleichzeitiger Wiederherstellung ihrer Geschlossenheit fast notwendig ergeben. Am Beispiel der Diskussion um eine dritte Erweiterung des Bündnisses sowie der geplanten Partnerschaften mit den Demokratien Ost-und Südostasiens wird gezeigt, wie die Appelle an die geteilten demokratischen Werte als Basis gemeinsamen Handelns die Konflikte mit Russland und China verschärfen. Zwar haben die USA in Riga die ursprünglich geplanten Schritte in Richtung auf eine abermalige Erweiterung und Öffnung der NATO zurückgestellt. Die Erweiterung stockte aber nicht aufgrund des Einspruchs einiger europäischen Mitgliedsländer, sondern aufgrund der Entwicklungen vor Ort in Georgien und der Ukraine. Die Öffnung der NATO für die Demokratien in Ost-und Südostasiens ließ sich vorläufig nicht durchsetzen, weil eine ungeschickte Darstellung dieser Pläne Widerstände bei den alten und neuen NATO-Mitgliedern mobilisierte. Solange sich die NATO als institutioneller Kristallisationspunkt des demokratischen Westens versteht, ist damit zu rechnen, dass beide Vorhaben weiter betrieben werden. Allerdings steht das Angebot der USA zur multilateralen Zusammenarbeit in der NA-TO auf tönernen Füßen. Die Mitgliedschaft in einer verstrickenden sicherheitspolitischen Organisation stellt in der amerikanischen Geschichte ohnehin nur die Ausnahme dar. Auch gegenwärtig ist fraglich, ob das Angebot Bushs zur gemeinschaftlichen Zusammenarbeit in der NATO belastbar ist oder in erster Linie dem Interesse an Lastenteilung folgt. Nicht unwahrscheinlich erscheint daher eine Rückkehr der NATO in ihrer ersten Form als lose sicherheitspolitische Verbindung der USA mit den westeuropäischen Demokratien. Aus der integrierten Militärstruktur haben sich die USA bereits weitgehend verabschiedet. Und die Rolle des off-shore balancer passt gut zum amerikanischen Verständnis von demokratischer Souveränität. Die Bundesrepublik sollte sich auf diese Möglichkeit einstellen und den Ausbau der Europäischen Sicherheits-und Verteidigungspolitik vorantreiben. Die NATO ist wieder da. Sie ist wieder da mit der selbstbewussten Ambition, der zentrale Ort sicherheitspolitischer Koordination des demokratischen Westens zu sein. Und sie ist wieder da als Chance und Problem für deutsche Politik. Auch wenn das jüngste Gipfeltreffen in Riga im November 2006 nicht alle Erwartungen einlöste, markiert es doch eine weitere Etappe der Transformation der nordatlantischen Allianz. Dieser Erneuerungsprozess ist umso überraschender, als vor nicht einmal fünf Jahren auf dem Höhepunkt der transatlantischen Krise um den Irak allenthalben das Ende der NATO und darüber hinaus des politischen Westens insgesamt verkündet wurde. Statt gemeinsamer Werte und Interessen, die bis dahin als Fundament und Bindemittel des Bündnisses galten, wurden entgegengesetzte Werte und auseinanderstrebende Interessen zwischen der einzigen Supermacht und einer Gruppe westeuropäischer Staaten diagnostiziert. 2 Ausgerechnet der amerikanische Verteidigungsminister schien ihr mit der Formel "die Mission bestimme die Koalition" die Daseinsberechtigung abzusprechen. Weitgehend unbemerkt von der öffentlichen Aufmerksamkeit leiteten die Staats-und Regierungschefs der NATO auf dem Höhepunkt der transatlantischen Krise während ihres Gipfeltreffens in Prag 2002 die Transformation der NATO ein. Zum einen erweitert sie ihre Aufgaben, ihre Mitglieder und ihren Tätigkeitsbereich. Sie wandelt sich, um eine Formel des amerikanischen Präsidenten zu benutzen, von einem "statischen" Bündnis zur Verteidigung europäischen Territoriums zu einem "Expeditionsbündnis", das bereit sei, Streitkräfte außerhalb Europas zur Verteidigung der Freiheit einzusetzen. Zum anderen wird mit neuer Verve der Anspruch in den Raum gestellt, die Bündnismitglieder sollten auf der Grundlage geteilter Werte und Interessen gemeinsam entscheiden und solidarisch handeln. Diese Entwicklungen konvergieren in der bemerkenswerten Forderung Bushs zu mehr Solidarität in Afghanistan: "The alliance was founded on this principle: An attack on one is an attack on all. That principle holds true whether the attack is on the home soil of a NATO nation, or on allied forces deployed on a NATO mission abroad." 4 Die hochfliegenden Ansprüche sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Richtung und Ziel des Umbauprozesses nach wie vor ebenso unklar wie umstritten sind. Im Kern dreht sich die Kontroverse um die Fragen, wieviel Einheit oder Flexibilität die NA-TO braucht und wie weit oder eng ihr Aufgabenbereich und Einsatzspektrum sein soll. 6 Sollte hiermit ursprünglich eine Debatte über die Frage nach dem "wohin" und "wozu" der Allianz eingeleitet werden, kam am Ende lediglich ein beschränktes Konsenspapier heraus. Bezüglich der im Vorfeld heiß diskutierten und von den USA lange unterstützten Heranführung Georgiens und der Ukraine an die NATO sowie der Partnerschaften mit den ost-und südostasiatischen Demokratien äußerte sich der Gipfel nur dilatorisch. Es gehört zur gegenwärtigen Umbruchsituation, dass die Belastbarkeit des amerikanischen Angebots, wieder enger in der NATO zusammenzuarbeiten, kaum abzuschätzen ist. 9 Möglicherweise ist es in erster Linie dem amerikanischen Interesse an Lastenteilung geschuldet. Mit dem Scheitern im Irak und der sich abzeichnenden Malaise in Afghanistan werden die innenpolitischen Grenzen und außenpolitischen Kosten des neokonservativen Programms der militärischen Dominanz und politischen Neuordnung der Welt deutlich. Die Zustimmungsraten zu Bushs Außenpolitik wurden 2005 erstmals negativ und sacken seitdem weiter ab. Unter dem Eindruck des Irak-Kriegs erodiert nicht nur die innenpolitische Zustimmung zu einer internationalistischen Außenpolitik, 12 es verfällt auch der außenpolitische Einfluss der USA. Diese Lücke zwischen der schwindenden amerikanischen Gestaltungsfähigkeit und den bestehenden außenpolitischen Problemlagen gilt es aufzufüllen. "Die Vereinigten Staaten unterstützen", so Präsident Bush bei seinem Besuch in Brüssel, "ein starkes Europa, weil wir bei der schwierigen Aufgabe der weltweiten Verbreitung der Freiheit einen starken Partner brauchen". Zum Vorgehen: In einem ersten Schritt wird rekapituliert, wie die Form der NATO im Laufe ihrer Geschichte variierte. Diese Anlage folgt der Überlegung, dass die Form einer internationalen Organisation auf der einen Seite von ihren Mitgliedern gestaltet werden kann, auf der anderen Seite deren Verhalten und damit die Wirkung der Allianz nach außen beeinflusst. Unter Form wird hier nicht nur der Abstimmungsmodus, das Aufgabengebiet oder der Tätigkeitsbereich der NATO verstanden. Die Konsultationspraxis, gemeinsame Werte und selbst der Appell an gemeinsame Interessen gelten ebenso als ermöglichende bzw. einschränkende Faktoren. Die Darstellung der Formmerkmale soll den Blick für alternative institutionelle Lösungen schärfen und den Zusammenhang zwischen der Form und der Wirkung der Institution NATO systematisch verorten. Ein Kapitel widmet sich dabei der militärischen Transformation. Hier wird gezeigt, dass sich trotz des Anspruchs an Einigkeit die Entwicklung längst in Richtung auf Flexibilisierung und Entkopplung der amerikanischen und europäischen Sicherheit vollzieht. Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt die Auswirkungen der institutionellen Neugestaltung auf den aktuellen Handlungsfeldern der Stabilisierungsmission in Afghanistan sowie der Erweiterung und der Partnerschaften mit den ost-und südostasiatischen Demokratien diskutiert. Am Beispiel Afghanistans werden die Friktionen aufgezeigt, die mit der Globalisierung der NATO bei gleichzeitiger Rekonstruktion des Anspruchs auf Gemeinsamkeit entstehen. Anhand der Diskussion um die Erweiterung und die Partnerschaften wird gezeigt, wie die neue NATO Konflikte mit ihrer Umwelt verschärft. Abschließend werden Überlegungen bezüglich der weiteren Entwicklung der Allianz angestellt. Daran schließen sich Empfehlungen für deutsche Politik an. Um das dadurch entstehende Risiko der Verwicklung zu begrenzen, wurden die übrigen Formmerkmale umgestaltet. Das amerikanische Risiko einer ungewollten Verwicklung in einen Krieg in Europa wurde durch die alleinige Verfügung über die Nuklearwaffen sowie die Doppelrolle des SACEUR, der in Personalunion auch als Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa fungiert und folglich in die amerikanische nationale Befehlskette eingegliedert ist, zumindest ansatzweise reduziert. Im Gegenzug boten die USA den Verbündeten Mitspracherechte an. Wichtiger für unseren Zusammenhang: Die Mitgliedstaaten reduzierten das Risiko der Verwicklung durch die Veränderung der anderen zwei Formmerkmale. Zum einen definierten sie die Reichweite eng. Zum anderen begrenzten sie die Aufgaben der Allianz auf den Zweck der kollektiven Verteidigung und wehrten Versuche einzelner Mitgliedstaaten ab, Bündnissolidarität in Konflikten outof-area zu mobilisieren. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bildet sich die dritte NATO heraus. Wiederum zeichnen sich die geringsten Veränderungen bei der formalen Kontrolle ab. Forderungen zur Einführung von Mehrheitsentscheidungen, wie sie zeitweise im amerikanischen Senat zu hören waren, wurden schnell abgetan. Stattdessen verlagerte sich die Debatte auf weichere Formen der Einschränkung des Konsensprinzips wie konstruktive Enthaltungen. Hier allerdings verfügt die NATO bereits über die Möglichkeit, abweichende Meinungen in Fußnoten auszudrücken oder über das silent procedure Verfahren Zustimmung durch unterlassenen Widerspruch festzustellen. Deutliche und widersprüchliche Anpassungen ergaben sich dagegen bei der informellen Kontrolle. Im militärischen Bereich zielte bereits das seit 1994 diskutierte Konzept der Combined Joint Task Forces (CJTF) auf eine Flexibilisierung der Handlungsfähigkeit. Seitdem herrscht Einigkeit im Grundsatz, dass die starre, integrierte Militärstruktur des Kalten Krieges flexibler gestaltet werden solle. Allerdings weist die Interessenlage der USA und der Europäer in unterschiedliche Richtungen. Aus Sicht der USA als praktisch einzigem Mitglied mit autonomen militärischen Handlungsmöglichkeiten bietet sich ein lead nation Modell an. Ein solches Modell würde die Operationsfähigkeit von amerikanischgeführten Koalitionen auch außerhalb des militärischen Handlungs-und politischen Entscheidungsrahmens der NATO sichern. Eine Funktion der NATO bestünde aus dieser Perspektive darin, die Handlungsfähigkeit von amerikanisch-geführten ad hoc Koalitionen durch die Gewährleistung der Interoperabilität auch jenseits der politischen Kontrolle der NATO-Gremien zu gewährleisten. 28 Aus der Perspektive der europäischen Staaten erscheinen integrative Strukturen bereits allein aufgrund der geringeren Größe attraktiver. Flexibilisierung soll aus dieser Sicht in erster Linie ein opting out ermöglichen bzw. die EU stärken. Danach würden zentrale Einrichtungen wie etwa die Kommandostruktur weiterhin von der NATO zur Verfügung gestellt, aber so umgebaut, dass sie Gruppen von Staaten oder die EU unterstützen können. Entsprechend würde aus europäischer Perspektive die politische Verantwortung und Kontrolle beim NATO-Rat bzw. im Fall europäischer Einsätze beim Außenministerrat verbleiben. Auch der rhetorische Verpflichtungscharakter der NATO ist seit den frühen 1990er Jahren einem zuletzt stark beschleunigten Veränderungsprozess unterworfen. Das strategische Konzept von 1999 betonte noch den zentralen Stellenwert sowie den Gemeinschafts-und Solidarcharakter der Allianz. Dagegen setzten die Bush-Administration und namentlich ihr Verteidigungsminister zunächst andere Akzente: "I said last year that the mission defines the coalition, and I think that was not only a correct statement, but it has been an enormously helpful concept in this war on terror. Every nation is different, with different cultures and geographies, and the thought that they should agree at the same moment how to contribute to this war is nonsense. That will never happen, and it never has. Countries ought to decide individually what they can do." Die Unverbindlichkeit der Diskussionen innerhalb der NATO nahm offenbar ein Ausmaß an, dass der Vorwurf des früheren Bundeskanzlers Schröder, die NATO sei "nicht mehr der prioritäre Ort, an dem die transatlantischen Partner ihre strategischen Vorstellungen konsultieren und koordinieren," selbst von NATO-Insidern weitgehend geteilt wurde. Mittlerweile haben sich die Fronten verschoben. Die USA betonen wieder den Gemeinschaftscharakter der Allianz, appellieren an die Solidarität der Partner und unterstreichen durch das Angebot intensiver Konsultationen die Verbindlichkeit der NATO-Entscheidungsprozesse. 31 Auch die ursprünglich deutschen Forderungen nach einer besseren Zusammenarbeit mit zivilen Akteuren sowie den Vereinten Nationen vertreten die USA mittlerweile offensiv im Bündnis. Dagegen möchte Frankreich die NATO möglichst weitgehend auf ihre Kernfunktion der kollektiven Verteidigung begrenzen und sperrt sich dagegen, sie zum zentralen Ort der sicherheitspolitischen Diskussion und Konsultation über weltordnungspolitische Fragen zu machen. Umstritten bleiben auch die bereits eingeleiteten Änderungen bezüglich der Aufgaben und Reichweite. Betonte das strategische Konzept von 1999 noch die kollektive Verteidigung und erst nachgeordnet die neuen Aufgaben der Krisenprävention und Friedenssicherung, wurden seitdem die Prioritäten verschoben und die Aufgaben ausgeweitet. Auf amerikanische Initiative hin erhob die NATO zusätzlich zur Konfliktprävention und Friedenssicherung den Kampf gegen den Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu ihrer Hauptaufgabe. Schließlich wurde die geographische Reichweite angepasst. Konnte bei der Formulierung des strategischen Konzepts die amerikanische Forderung nach Ausweitung noch abgewiesen werden -damals wurde die Tätigkeit der Allianz auf den Euro-Atlantischen Raum beschränkt -, fielen nach dem 11. September die geographischen Beschränkungen. Das Abschlussdokument des Prager Gipfels ersetzt eine geographische Beschränkung durch die Aussage: "In order to carry out the full range of its missions, NATO must be able to field forces that can move quickly to wherever they are needed." Der Einsatz der NATO in Afghanistan ist der derzeit größte und gefährlichste. Obwohl hier die NATO-Mitglieder ähnliche Interessen verfolgen, lässt sich am Beispiel dieses Einsatzes dennoch studieren, wie das Bündnis seine Mitglieder ungewollt in Konflikte verstricken kann. Auch wenn im Fall Deutschlands der Zwiespalt zwischen den innen-und bündnispolitischen Anforderungen besonders ausgeprägt erscheinen mag, zeigt er sich ebenso im Fall von Italien oder Spanien und im Fall der Staaten, die Truppen in den gefährlicheren Süden des Landes schicken. Ursprünglich folgte das Engagement Deutschlands diffusen, aber letztlich begrenzten Zielsetzungen. Zunächst sollten mit der Unterstützung der USA Einflussmöglichkeiten eröffnet werden. Allerdings legte es die innenpolitische Stimmungslage nahe, den ohnehin bescheidenen Einsatz der Krisenreaktionskräfte im Rahmen der amerikanisch-geführten Operation Enduring Freedom (OEF) zur Terrorbekämpfung in den Hintergrund zu schieben und stattdessen den Beitrag zum politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau Afghanistans im Rahmen der International Security Assistance Force (ISAF) zu betonen. Deutschland verstand und versteht sich als Pate des Petersberg-Prozesses, der den Rahmen für den politischen Wiederaufbau Afghanistans und die internationale Unterstützung hierzu bildete. Mit Deutschland und andere europäische Länder im Namen der Bündnissolidarität in die Kriegshandlungen im Süden des Landes verwickelt zu werden. Wie oben erwähnt, schlugen die USA zunächst das Angebot der NATO im Kampf gegen den Terror aus. Die OEF wird vom amerikanischen Central Command in Florida aus geführt. Die Eroberung Afghanistans im Herbst 2001 folgte Rumsfelds Textbuch moderner amerikanischer Kriegführung. Die USA siegten mit wenigen eigenen Kräften auf dem Boden im Wesentlichen aus der Luft und mit Hilfe verbündeter "Kriegsfürsten". Allerdings wurden die Taliban vertrieben und nicht entscheidend geschlagen. Nach dem erfolgreichen Abschluss der ersten Phase des Krieges unterstützten die USA zwar ab dem Frühjahr 2002 den Prozess des politischen und ökonomischen Aufbaus mit eigenen Beiträgen, unter anderem durch Provincial Reconstruction Teams. Der Schwerpunkt der OEF lag aber zunächst weiterhin darauf, mit begrenzten eigenen Kräften und in Kooperation mit lokalen Kriegsfürsten räumlich und zeitlich begrenzte Schläge gegen die Taliban zu führen, wo immer diese sich zeigten. Das Bonn-Abkommen zum Aufbau repräsentativer und effektiver politischer Strukturen sah in Annex I die Gründung und Stationierung der ISAF vor, die die Übergangsregierung bei der Gewährung von Sicherheit unterstützen sollte. Zunächst war die Zuständigkeit der ISAF auf ein eng umrissenes Gebiet um Kabul beschränkt. Nach einer Entscheidung des VN-Sicherheitsrates und legitimiert durch bilaterale Abkommen mit der afghanischen Regierung begann ISAF 2004 mit dem Aufbau von Provincial Reconstruction Teams (PRT) die geographische Expansion zunächst in den Norden. Trotz der skeptischen Haltung dieser Mitgliedsländer stellte die NATO nach den Farbenrevolutionen in Kiew und Tiflis die Weichen auf eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens. Von Riga sollten deutliche Impulse für eine dritte Erweiterungsrunde ausgehen. Im Vorfeld des Gipfels rückten die USA von ihrer Position jedoch wieder ab. Auf dem Gipfel gingen die Staats-und Regierungschefs über den bereits bestehenden intensivierten Dialog mit der Ukraine und Georgiens nicht hinaus. In einem ersten Schritt soll hier die amerikanische Erweiterungsstrategie rekapituliert werden. Dabei wird gezeigt, dass diese Strategie herrschafts-und sicherheitspolitische Dimensionen verkoppelte und potentiell weit über die Ukraine und Georgien hinausreichte. Daran anschließend soll gezeigt werden, dass dem Wandel der russischen Position von einer vorsichtigen Kooperationsbereitschaft mit der NATO zur offenen Konkurrenz auch die Wahrnehmung der Allianz als wieder stärker geschlossener Gemeinschaft zugrunde lag. Schließlich wird gezeigt, dass der amerikanische Rückzieher in Riga eher mit der aktuellen innenpolitischen Lage in der Ukraine bzw. den russischen Gegenmaßnahmen zusammen hängt und weniger den Vorbehalten europäischer Staaten geschuldet war. Die Ukraine und Georgien zählen aus Sicht der USA zur Gruppe der strategischen Länder: die Ukraine wegen ihrer Größe; Georgien wegen seiner geographischen Lage. Allerdings kühlten die Beziehungen der USA zu beiden Ländern aufgrund der innenpolitischen Weichenstellungen Präsident Kutschmas bzw. Schewardnadses Anfang des neuen Jahrhunderts deutlich ab. Die Ukraine verschob daraufhin die Akzente ihres außenpolitischen Wechselkurses zwischen einer Wiederanlehnung an Russland und einer vorsichtigen Westorientierung zugunsten der ersten Orientierung. Georgien suchte zwar weiter westliche Rückversicherung für seinen außenpolitischen Kurs der Unabhängigkeit von Moskau -im November 1999 äußerte Schewardnadse die Erwartung, Georgien werde innerhalb von fünf Jahren der NATO beitreten, und seit 2000 bekennt sich das Land offiziell zum Ziel der NATO-Mitgliedschaft. Allerdings stieß dies Ersuchen im Kreis der NATO-Staaten einschließlich Washingtons auf Zurückhaltung. Dennoch wurde Georgien bereits vor der Mit Georgien bauten die USA nach dem Machtantritt von Präsident Schakaschwili die militärische Kooperation weiter aus und erlaubten etwa den Erwerb überflüssiger amerikanischer Militärgüter zu Vorzugskonditionen. Auch in diesem Fall setzten sich die USA sowohl für eine Verstärkung der Demokratisierungsprogramme der NATO wie eine baldige Aufnahme in die NATO ein. Verteidigungsminister Rumsfeld bekräftigte bei seinem Besuch nur 12 Tage nach der Rosenrevolution den amerikanischen Willen, Georgien den Weg in die Allianz zu ebnen. Daraufhin eröffnete die NATO mit Georgien ebenfalls einen Intensified Dialogue on Membership, der aus amerikanischer Sicht zügig zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen führen sollte. Auch der amerikanische Senat sprach sich im Sommer 2006 für eine Aufnahme des Landes aus. Deutlicher als im Fall der osteuropäischen Länder diente die NATO also zum einen als Instrument, um die Demokratisierung in Ländern an der russischen Peripherie einzuleiten und zu begleiten. Zum anderen würden bei erfolgreicher Demokratisierung diese Länder in die NATO integriert. In der zentralasiatischen Region beschränkten sich die Interessen Washingtons zunächst auf die Unterstützung der u.a. mit amerikanischem Kapital betriebenen Energieprojekte. Mit dem 11. September änderte sich in der amerikanischen Einschätzung die Bedeutung der Region grundlegend. Die Bush Administration machte einen Bogen instabiler Staaten vom Mittleren Osten über den Kaukasus bis nach Zentralasien aus, in dem der Krieg gegen den Terrorismus gewonnen werden müsse. Diese Verlagerung der Akzente fiel zusammen mit der von Verteidigungsminister Rumsfeld betriebenen Neuausrichtung der amerikanischen Militärstruktur weg von der statischen und territorialen Orientierung und hin zur Fähigkeit, befreundete Staaten in allen Teilen der Welt abzusichern und potentielle Herausforderer abschrecken und besiegen zu können. In der Kombination beider Trends entwickelte das Verteidigungsministerium eine neue Konzeption zur strategischen Kontrolle dieses Krisenbogens. Die USA errichteten eine militärische Infrastruktur zur Unterstützung der Operation Enduring Freedom. Wichtige Elemente dieser Struktur bildeten die Luftwaffenbasen in Usbekistan (Karshi-Khanabad oder kurz K-2) und Manas in Kirgistan. Darüber hinaus legten sie Programme zur Stärkung der Streitkräfte sowie der zivilen Kontrolle des Militärs auf. Obwohl es sich hierbei um vergleichsweise bescheidene Summen handelt, -zwischen 2002 und 2005 schwankten die Ausgaben für interne und externe Sicherheit für alle zentralasiatischen Republiken zusammen pro Jahr zwischen 100 und 180 Millionen Dollar -symbolisieren diese Programme doch eine einschneidende Veränderung. Erstmals zeigen die USA auch militärisch in Zentralasien Präsenz; und ein Ende ihres Engagements war nicht abzusehen. In diesem Klima scheinbar unbegrenzter amerikanischer Macht und politischer Ausstrah-lung wurde das Ende der autoritären Herrschaft Präsident Akajews in Kirgistan im März 2005 nach dem Muster der Farbenrevolutionen als Nelkenrevolution tituliert. Die USA warben auch hier um eine ergänzende Rolle der NATO. Der Generalsekretär ernannte einen Special Representative für die Region, und die NATO richtete ein Verbindungsbüro ein. Auch wenn es sich hierbei um sehr vorsichtige Schritte handelt, signalisierte die NATO mit dem Beschluss auf dem Istanbul Gipfel 2004 "to put special focus on engagement in the Caucasian and Central Asian Region", zu einem sicherheitspolitischen Anker der Länder der Region werden zu wollen. Nach dem Amtsantritt Bushs entwickelte sich das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen zunächst positiv. Unter dem Vorzeichen des Krieges gegen den als gemeinsamen Gegner wahrgenommenen Terrorismus vertieften sich in der Folge des 11. September die amerikanisch-russischen Beziehungen sogar. In diesem Klima blieben russische Widerstände gegen eine amerikanische Anwesenheit in den früheren Sowjetrepubliken zunächst beschränkt. Auch die zweite Erweiterung der NATO erzeugte überraschend wenig Verwerfungen. Und dies, obwohl sich das Bündnis in Prag 2002 sogar für eine große Erweiterungsrunde um sieben Beitrittsaspiranten -darunter die drei baltischen Staaten -entschied. Um die verbliebenen Vorbehalte Russlands aus dem Weg zu räumen, vertiefte die NATO den Dialog mit Moskau und beschloss auf britische Initiative im Mai 2002 die Aufwertung des seit 1997 bestehenden Ständigen Gemeinsamen Rates (Permanent Joint Council, PJC) zu einem NATO-Russland-Rat. In diesem Gremium wird der Kampf gegen den Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Friedenssicherung diskutiert, nicht jedoch Fragen der Erweiterung. Nach übereinstimmenden Einschätzungen entwickelte sich die Zusammenarbeit in dem Rat zunächst positiv. Dennoch stolperten beide Seiten innerhalb kurzer Zeit in eine neue Phase herrschaftspolitischen Wettbewerbs und sicherheitspolitischer Konkurrenz. In der Literatur ist umstritten, wie die verschiedenen Gründe zu gewichten sind, die zur Eintrübung des Verhältnisses zwischen Russland und den USA bzw. dem Westen geführt haben. Sicherlich spielte der Eindruck eine Rolle, die amerikanische Präsenz in Zentralasien und im Kaukasus könne dauerhafter sein als zunächst angenommen. Weiterhin begründet eine Interpretation diese Verhärtung mit den hegemonialen Ambitionen Russlands gegenüber dem GUS-Raum. Sie verweist zum einen auf Putins zunehmend restaurative Politik, zum anderen auf die Möglichkeiten Moskaus, dank der weltweiten Hausse der Energie-und Rohstoffpreise hegemoniale Ambitionen aktiver verfolgen zu können. Einer anderen Interpretation zufolge ist die Entfremdung Russlands vom Westen auch eine Folge der Marginalisierung Russlands durch den Westen. 80 Hier wird argumentiert, dass die Reaktion Moskaus zusätzlich von der Art beeinflusst wurde, wie sich der Westen in Gestalt der NATO präsentiert. Zu Beginn der Bush-Administration schien sich die Kohärenz des Bündnisses aufzuweichen. Außenministerin Rice dachte 2001 öffentlich über die Aufnahme Russlands in die NATO nach. Die Einrichtung des NATO-Russland-Rats signalisierte immerhin das Interesse an einer gleichberechtigteren Kooperation. Mit dem Krieg gegen den Terror schien eine ganz neue Frontlinie für die amerikanische Außenpolitik bestimmend zu werden, die nicht mit demokratischen Werten begründet war. Darüber hinaus schien sich mit der Irak-Krise der bisherige Westen auszudifferenzieren. In dem Maße, in dem sich der Westen wieder als geschlossener Akteur präsentiert, zu dem Moskau keinen Zugang haben würde, erscheint die Erweiterung der NATO bedrohlicher. Endgültig ließen die Farbenrevolutionen das amerikanisch-westliche Engagement in einem gefährlichen Licht erscheinen. Moskau sah diese Revolutionen als von den USA und ihren europäischen Verbündeten bzw. deren NGOs gesteuert an. Stimmen in der russischen Debatte wiesen zudem darauf hin, dass sich über die gemeinsame Unterstützung der Demokratiebewegungen Europa wieder stärker den USA annähere. In dieser Situation erschien die doppelte Funktion der NATO als Instrument der Demokratisierung und sicherheitspolitischer Kristallisationspunkt der Demokratien in besonderer Weise bedrohlich. Ein Grund für das vorläufige Scheitern ist in der Kommunikationsstrategie des Generalsekretärs und der USA zu suchen. Beide begründeten die angestrebte Partnerschaft zunächst mit interpretationsfähigen Formeln. Einerseits wiesen sie pragmatisch auf den Wunsch nach einer Verbesserung der bestehenden ad hoc Kooperationen etwa im Rahmen der Operation Enduring Freedom oder der ISAF hin. Hierzu gehöre auch, den truppenstellenden Staaten ein größeres Gewicht am Entscheidungstisch einzuräumen. Im Gegensatz zur Erweiterung gehe es beim Ausbau dieser Beziehungen nicht um den Export von Stabilität, sondern um den Import von Kapazitäten. Andererseits betonten beide die gemeinsamen Werte und Interessen in einer durch globale Bedrohungslagen charakterisierten Welt als Grundlage der geplanten Zusammenarbeit und beförderten damit beabsichtigt oder nicht Vorstellungen einer global tätigen Allianz von Demokratien. Selbst die noch vor wenigen Jahren völlig abwegige Vorstellung, die NATO könne ein Element zur Eindämmung Chinas werden, wurde plötzlich diskutiert. Dadurch verhärteten sich im Vorfeld die europäischen Widerstände. Dennoch ist diese Initiative, wie der Besuch des japanischen Ministerpräsidenten im Januar 2007 bei der NATO zeigt, nicht vom Tisch. Es lohnt daher, auf die Risiken dieser Öffnung hinzuweisen. 101 Der Vorteil: Im Gegensatz zur (damaligen) NATO sei eine solche Allianz nicht geographisch und funktional beschränkt; im Gegensatz zu Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats sei ihr Handeln nicht von der Zustimmung von Nicht-Demokratien abhängig. Dieses Argument findet sich denn auch bei Daalder und Goldgeier. Als globale Allianz von Demokratien wäre die NATO eine starke Partnerin der UN, ihr aber nicht untergeordnet. "If, as in the case of Kosovo in 1999, the UN is unwilling to authorize action against a threat to international peace and security, NATO might have to act anyway. In such an event, a more global NATO, backed by the world's leading democracies, would enjoy greater legitimacy, and that should allay the fears of those committed to a strong international order." 102 Zum anderen würde eine territorial und funktional entgrenzte sowie um die ostasiatischen Demokratien ergänzte NATO fast unweigerlich mit der amerikanischen Rückversicherungsstrategie gegenüber der aufstrebenden Weltmacht China in Verbindung gebracht. Auslöser der neu aufgeflammten amerikanischen Debatte darüber, wie mit dem rasanten Aufstieg Chinas umzugehen sei, war das im März 2005 vom chinesischen Parlament verabschiedete Anti-Sezessionsgesetz sowie die fortschreitende Modernisierung der chinesischen Streitkräfte. 103 So führte die im Februar 2006 veröffentlichte "Quadrennial Defense Review" mit Blick auf China aus, die USA würden jeden militärischen Wettbewerber davon abbringen, Fähigkeiten zu entwickeln, die es diesem Staat ermöglichen könnten, zur regionalen Hegemonie aufzusteigen oder die USA und die mit ihr verbundenen Staaten anzugreifen. 106 Mit Malaysia, Singapur und Indonesien unterhalten die USA seit langem bilaterale Militärkooperationen, die in den letzten Jahren intensiviert wurden. Darüber hinaus werteten die USA die sicherheitspolitischen Beziehungen zu Australien und Neuseeland auf. Auch die Entscheidung, die nuklearen Sanktionen gegen Indien aufzuheben, lassen sich mit der Strategie militärischer Vorsorge gegen das aufstrebende China in Verbindung bringen. Und die institutionalisierte Kooperation der NATO mit den Demokratien Ost-und Südostasiens würde, ob die NATO dies will oder nicht, ebenfalls in diesem Lichte interpretiert werden. Die konfliktverschärfenden Elemente dieses Konzepts liegen auf der Hand. Eine Allianz von Demokratien würde die Vereinten Nationen als sicherheitspolitischen Ordnungsrahmen entwerten und könnte die Konfliktlinie zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien vertiefen. Ein koordiniertes sicherheitspolitisches Auftreten des Westens gegenüber China könnte dort Einkreisungsängste mobilisieren und Strategien der Gegenmachtbildung zusätzlichen Auftrieb geben. Der Gipfel von Riga hat die Suche nach der angemessenen Form der NATO nicht entschieden. Bereits die bisherige Transformation und die aktuellen Entwicklungen sind aber nicht ohne Risiken. Problematisch ist die Einschränkung der indirekten Kontrolle in Kombination mit der funktionalen und geographischen Entgrenzung. Diese Kombination Wenn also die Rückkehr zur multilateralen NATO nicht zu erwarten ist, wie könnte ihre Zukunft dann aussehen? Nicht unwahrscheinlich erscheint eine Rückkehr zur NATO in ihrer ersten Form. Dies gilt zumal dann, wenn das Desaster im Irak eine Wende hin zu einer pragmatischen, in der Tendenz isolationistisch orientierten Außenpolitik der USA erzwingt. Die Mitgliedschaft in einer sich verstrickenden sicherheitspolitischen Organisation war ohnehin nur die Ausnahme im Verlauf der amerikanischen Geschichte. Zudem passt die Rolle des off-shore balancer, der nur lose mit den europäischen Demokratien verkoppelt ist, besser zum amerikanischen Verständnis von demokratischer Souveränität. Eine solche Entwicklung wäre mit deutschen Interessen zu vereinbaren. Nur unterstreicht dieses Szenario die Dringlichkeit, mit der das Projekt der Europäischen Außen-und Sicherheitspolitik konsolidiert werden sollte. 34 Vgl. NATO Press Release 127, Prague Summit Declaration, 21. November 2002. tary_structure/command/index-e.htm. Vgl. Sten Rynning, NATO Renewed. The Power and Purpose of taktischen 38 Die NATO Response Force (40 Sir Ian Forbes, Minding the Gap, in: Foreign Policy, März/April 2004, S. 76-77. Militärarchitektur of Statebuilding in Afghanistan, in: International Peacekeeping, Jg. 14, Nr. 1, 2007, S. 8-25; vgl. auch: The London Conference on Afghanistan: The Afghanistan Compact, Januar 2006. 43 Die Ziele deutete Volker Stanzel, damals Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt, mit der Formel des deutschen Beitrags als "Experiment für eine neue Form von (...) nation building" an. Ders., Deutschlands Verteidigung am Hindukusch. Das Experiment Afghanistan, in: Claudia Gomm-Ernstling/Annett Günther (Hg.), Unterwegs in die Zukunft. Afghanistan -drei Jahre nach dem Aufbruch vom Petersberg, Berlin (Berliner Wissenschafts-Verlag), 2005, S. 27-38 (27). In der Literatur wird immer wieder auf die Differenz zwischen den für den Wiederaufbau nötigen Ressourcen und der begrenzten Bereitschaft der internationalen Geber zum Engagement in Afghanistan hingewiesen. Vgl. Peter Marsden, Afghanistan: The Reconstruction Process, in: International Affairs, Jg. 79, Nr. 1, 2003, S. 91-105. Milizen auch gegen die ISAF. Vgl. Rubin/Hamidzada, From Bonn to London, a.a.O. (Anm. 42), S. 11f. 56 6. 104 Department of Defense, Quadrennial Defense Review Report, Washington, 2006, S. 29. elementen verschärft Dr. Angela Merkel, Rede auf der 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik, 10. Februar 2007, abrufbar unter: www.securityconference.de. Dessen autonome Gestaltungsmöglichkeiten sowie die des Vorsitzenden des Militärausschusses blieben aber begrenzt. 24 Größere Handlungsspielräume wurden dem Oberkommandierenden SACEUR eingeräumt, der für das effektive Zusammenwirken der unter seinem Kommando vereinigten nationalen Einheiten verantwortlich zeichnet sowie im Verteidigungsfall die Leitung aller Operationen übernehmen würde. 19 Wichard Woyke, Die Militärorganisation der NATO 1949 bis 1955, in: Klaus A. Maier/Norbert Wiggershaus (Hg.), Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956, München (R. Oldenbourg Verlag), 1993, S. 133-146, insbes. S. 135ff. 20 Timothy Ireland, Creating the Entangling Alliance: The Origins of the North Atlantic Treaty Organization, Westport (Greenwood Press), 1981, S.106. 21 Robert Osgood, NATO: The Entangling Alliance, Chicago (University Press), 1962; vgl. auch Sean Kay, NATO and the Future of European Security, Lanham (Rowman & Littlefield), 1998, S. 35ff. 22 Vgl. Helga Haftendorn, Die NATO als Transmissionsriemen atlantischer Politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 38-39, 2005, S. 8-15. 23 Zur Struktur der "Kalten Kriegs-NATO" vgl. Bruce George (Hg.), Jane's NATO Handbook 1990-91, Couldsdon (Sentinel House), 1990. 24 Robert S. Jordan, Political Leadership in NATO: Study in Multilateral Diplomacy. Boulder (Westview Press), 1979. Zur Herausbildung der Norm der frühzeitigen Konsultation vgl. Winfried Heinemann, Vom Zusammenwachsen des Bündnisses. Die Funktionsweise der NATO in ausgewählten Krisenfällen 1951-1956, München (R. Oldenbourg Verlag), 1998 . 26 Vgl. hierzu Elisabeth D. Sherwood, Allies in Crisis. Meeting Global Challenges to Western Security, New Haven (Yale University Press), 1990. 27 Leo G. Michel, NATO Decisionmaking: Au Revoir to the Consensus Rule? in: Strategic Forum, herausgegeben vom Institute for National Strategic Studies, National Defense University, Nr. 202, August 2003. Vgl. auch Hans Binnendijk/Richard Kugler, Transform NATO. Don't End It, in: The National Interest, Nr. 75, Frühjahr 2004, S. 72-76. NATO, Istanbul Summit Communiqué, Press Release 096, 28 Juni 2004. abrufbar unter: www.nato.int/ docu/pr/2004/p04-096e.htm. David Lake, Entangling Relations. American Foreign Policy in its Century, Princeton (University Press), Markus Kaim, Pragmatismus und Grand Strategy. Die NATO-Debatte in den Vereinigten Staaten, Berlin (Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Studie S 31 Rückkehr des liberalen Hegemon. Warnungen vor Überdehung und Isolationismus sind unangebracht, in: Internationale Politik, Jg. 61 The German Marshall Fund of the United States, Transatlantic Trends U.S. should mind its own business internationally Pew Research Center, America's Place in the World 2005. Allerdings wurden ähnlich hohe Werte Anfang der 1970er Jahre und Mitte der 1990er Jahre ebenfalls erreicht Vgl. auch Public Agenda, Confidence in U.S. Foreign Policy Index Rede des Präsidenten im historischen Festsaal Concert Noble in Brüssel vom 21. Februar 2005, abrufbar unter An Unromantic Look at NATO, in: The National Interest The end of the transatlantic affair US to NATO: Change or Else The National Journal Die NATO politischer machen Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8 Afghanistan: A Military History from Alexander the Great to the Fall of the Taliban The Lessons of Afghanistan: War Fighting, Intelligence, and Force Transformation High Hopes and Limited Prospects: Washington's Security and Nation-Building Aims in Afghanistan Agreement on Provisional Arrangements in Afghanistan Pending the Re-Establishment of Permanent Government Institutons, Annex I, abrufbar unter VN-Sicherheitsratsresolution 1386, vom 20 Die von den USA im Osten und Süden des Landes aufgebauten Provincial Reconstruction Teams sind stärker militärisch ausgerichtet und übernahmen neben der Sicherheitsgewährung die Aufgaben, Informationen über die Bewegungen der Taliban zu sammeln sowie die Unterstützung lokaler "Kriegsfürsten" im Kampf gegen die Taliban zu organisieren. Dagegen waren die deutschen und später europäischen PRT ziviler orientiert hier S. 151; Michael Schmunk, Afghanistan: Elements of Transatlantic Nation-Buildung Strategy Regional Security in the South Caucasus: The Role of NATO Survival A Roadmap for Ukraine's Integration into Transatlantic Structures, NATO Defense College, Occasional Papers Nr Democratic Consolidation in Georgia after the "Rose Revolution? Hessische Stiftung Friedens-und Konfliktforschung Rumsfeld points Georgia towards Nato Membership Regional Security in the South Caucasus: The Role of NATO Die transkaukasischen Staaten sind Mitglied des Europarates. Daher könnte ihr Beitritt zur NATO mit Artikel 10 des Washingtoner Abkommens vereinbar sein unterschrieb Präsident Bush eine Gesetzesvorlage des Kongresses, die den NATO-Beitritt Georgiens und der Ukraine, zusammen mit dem Kroatiens und Mazedoniens unterstützt. Vgl Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Oktober hierzu und zum folgenden Ilan Berman The New Battleground: Central Asia and the Caucasus Base Politics, Foreign Affairs, Jg A Partnership for Central Asia Damit flossen zwischen 11% und 33% der gesamten amerikanischen Unterstützung für die Region in diesen Bereich Jim Nichol Senate Committee on Foreign Relations, Subcommittee on Central Asia and the South Caucasus, Balancing Military Assistance and Support for Human Rights in Central Asia Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, Berlin (Stiftung Wissenschaft und Politik, Studie S 8 Hannes Adomeit/Rainer Lindner, Die "Gemeinsamen Räume" Russlands und der EU. Wunschbild oder Wirklichkeit Stiftung Wissenschaft und Politik Russia Leaves the West Foreign Affairs, Jg Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4 Region und unterzeichnete unter anderem ein Kooperationsabkommen mit Neuseeland Die Gemeinsamen Räume Auch diese Öffnung war von den USA vorangetrieben worden Der damalige NATO-Botschafter Burns hatte das Thema "Ausweitung der Allianz der Demokratien" bereits im Frühjahr 2004 auf die Brüsseler Tagesordnung gesetzt Am entschiedensten drängt Australien auf eine institutionalisierte Zusammenarbeit. Der australische Außenminister Downer sieht in seinem Land den 91 Auch Japan zeigt sich an einer engeren Zusammenarbeit mit der NATO sehr interessiert. 92 Am zurückhaltendsten erscheint die südkoreanische Regierung, die negative Rückwirkungen einer engeren Zusammenarbeit mit der NATO auf ihre Beziehungen zu Nordkorea und China fürchtet Die dort diskutierten Optionen reichten von verstärkten bilateralen Kontakten bis zu neuen Organisationsstrukturen. 94 Die Diskussionen ließen auch deutlich werden, dass eine Reihe von NATO-Partnern einer engen Einbindung der Demokratien Ost-und Südostasiens skeptisch gegenüber stehen. Frankreich möchte die Aufgaben der NATO möglichst eng auf die Funktion der kollektiven Verteidigung begrenzen und steht schon aus diesem Grunde institutionalisierten Beziehungen ablehnend gegenüber. Aber auch die neuen NATO Mitglieder sahen in dieser Initiative eine Ablenkung von der aus ihrer Perspektive nach wie vor zentralen Aufgabe der kollektiven Verteidigung. 95 Im Abschlusskommunique des Riga-Gipfels finden sich zu dieser Frage nur sehr vage Aussagen. Die vier ost-und südostasiatischen Demokratien werden nicht einmal genannt. Die Staats-und Regierungschefs einigten sich lediglich darauf 89 NATO Update, NATO and New Zealand to enhance cooperation Global Partnership": Ein neuer Streitpunkt in der NATO St. Augustin (Analysen und Argumente aus der Konrad -Adenauer Stiftung Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. Februar etwa die Rede des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe vor dem Nordatlantikrat am 12 Ministry of Foreign Affairs of Japan U.S. wants Korea to forge military ties with NATO Digital Chosun Ilbo (Englische Ausgabe) Die globale NATO, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28 Auf fernen Schlachtfeldern, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29 Riga Summit Declaration, Paragraph NATO looks beyond geography to build military ties Financial Times vom Principal Deputy Assistant Secretary for European and Eurasian Affairs 2006 sah er sich genötigt, gegenüber der chinesischen Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass diese Öffnung nicht gegen China gerichtet sei. Statt dessen hob er das Interesse der NATO an engen Beziehungen zur Volksrepublik hervor. Interview der People's Daily mit den Generalsekretär der NATO Die Rede ist abrufbar unter Die Transformation der NATO Geopolitics of the Twenty-First Century, New York President of the United States 11/2006 Matthias Dembinski dembinski@hsfk.de Amerikanische Vorstellungen Risiken Für Europa Die Transformation der NATO 11/2006 CB70E072D7FEDD0EC2E3B94E511D612F GROBID - A machine learning software for extracting information from scholarly documents Inhalt 1. Abgesang und Erneuerung der NATO als Chance und Risiko für deutsche Sicherheitspolitik 2. Allianzdilemma und ihre Steuerung: die Kontroverse um die Form der NATO 2.1 Die drei Formen der NATO 3. Militärische Umstrukturierung 4. Die NATO in Afghanistan: Mechanismen der Verwicklung 5. Eine dritte Erweiterung der NATO? 5.1 Die NATO und die amerikanischen Initiativen gegenüber dem östlichen Europa und Zentralasien 5.2 Die russische Reaktion 6. Die Öffnung der NATO gegenüber den Demokratien Ost-und Südostasiens 7. Schlussfolgerungen * Ich danke Martin Heindl für Recherchen im Zusammenhang mit der Erstellung dieses Reports. Zusammenfassung Der Gipfel von Riga im November 2006 markiert eine weitere Station im Prozess der Erneuerung der NATO. Während die Öffentlichkeit noch den transatlantischen Streit um den Irak und den dabei angestimmten Abgesang auf die Allianz im Ohr hat, ist die Transformation des Bündnisses seit 2002 weit vorangeschritten. Zum einen erweitert die NATO ihre Aufgaben, ihre Mitglieder und ihren Tätigkeitsbereich. Sie wandelt sich von einem statischen Bündnis zur Verteidigung eigenen Territoriums zu einem globalen Interventionsbündnis. Zum anderen erneuert sie den Anspruch, ihre Mitglieder sollten auf der (xsd:string)
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