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  • Der vorliegende Beitrag 1 beschäftigt sich mit der Frage, welche Einstellungen die deutschstämmige Mehrheitsbevölkerung, aber auch Ausländer bzw. Migranten selbst gegenüber dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit haben. Wer soll Deutscher werden dürfen, bzw. an welche Kriterien soll die Vergabe des deutschen Passes geknüpft werden? Eine geeignete Datenquelle hierzu ist die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), in deren Rahmen 1996 und 2006 diesbezügliche Einstellungen erhoben wurden. Somit ist auch eine Betrachtung von Veränderungen im Zeitverlauf möglich, die umso interessanter ist, weil in diesem Zeitraum die einleitend angesprochene Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts stattfand. Vorangestellt wird diesen Analysen ein Abschnitt zur Entwicklung der Einbürgerungszahlen seit 1996 sowie zu einigen sozio-demografischen Charakteristika von Eingebürgerten. Die Entwicklung der Einbürgerungen von Ausländern in Deutschland wird hier für den Zeitraum von 1996 bis 2008 betrachtet (Grafik 1). Nachdem die Zahlen bereits in den 1990er Jahren angestiegen waren und 1998 erstmals die Marke von 100.000 Personen überschritten wurde 2 , haben im Jahr 2000 -dem Jahr der Einführung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts -insgesamt rund 187.000 Ausländerinnen und Ausländer einen deutschen Pass erworben. Dieser Höchststand ist seitdem nicht mehr erreicht worden. Insbesondere für die Jahre 2000 und 2001 ist davon auszugehen, dass sich in der Entwicklung auch Effekte der Gesetzesreform widerspiegeln. So wurde in diesen beiden Jahren beispielsweise ein Großteil der Einbürgerungen (über 40.000 Fälle) nach der Übergangsre- Die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit für Ausländer wird anhand einer siebenstufigen Antwortskala bewertet, die von 1 ("stimme gar nicht zu") bis 7 ("stimme völlig zu") reicht. In dieser Frage gibt es eine klare Meinungsdifferenz zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die auch über die Zeit erhalten bleibt (Grafik 5). Insgesamt stimmen die Ausländer der Möglichkeit der Doppelstaatigkeit deutlich stärker zu als die gebürtigen Deutschen, wobei sich die Ostdeutschen noch etwas ablehnender zeigen als die Westdeutschen. Die Eingebürgerten nehmen eine Position zwischen den Ausländern einerseits und den gebürtigen Deutschen andererseits ein. Grafik 1: Einbürgerungen von Ausländern in Deutschland -1996-2008 Quelle: Statistisches Bundesamt Seite 12 ISI 42 -Juli 2009 -sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt. Bis auf das letzte Kriterium, das nur 2006 erhoben wurde, liegen für 1996 und 2006 identische Frageformulierungen vor, so dass eine Betrachtung der Entwicklungen im Zeitverlauf möglich ist. Zudem wurde in beiden Erhebungsjahren die Frage gestellt, ob Ausländer die Möglichkeit zur doppelten Staatsangehörigkeit haben sollten. Bei der Interpretation ist jedoch zu beachten, dass es sich beim ALLBUS -anders als etwa beim Sozio-Ökonomischen Panel -nicht um eine Längsschnittbefragung handelt. Ein Vergleich der Daten für die Jahre 1996 und 2006 spiegelt also nicht Einstellungsveränderungen derselben Befragten wider, sondern das Meinungsbild zweier aus unterschiedlichen Personen zusammengesetzter repräsentativer Bevölkerungsquerschnitte. Wie werden die Einbürgerungskriterien von Ausländern und Personen bewertet, die als Nicht-Deutsche geboren sind, sondern die deutsche Staatsangehörigkeit erst im Laufe ihres Lebens erworben haben ("eingebürgerte Deutsche") 4 ? Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob dieser Personenkreis andere Einstellungen zum Erwerb des deutschen Passes hat als die gebürtigen Deutschen und ob diesbezüglich Veränderungen zu beobachten sind. Bekenntnis Datenbasis: ALLBUS 1996 und 2006, eigene Berechnung 6F7A7FD41185DC0127D8072CE316CA2A GROBID - A machine learning software for extracting information from scholarly documents Der vorliegende Beitrag 1 beschäftigt sich mit der Frage, welche Einstellungen die deutschstämmige Mehrheitsbevölkerung, aber auch Ausländer bzw. Migranten selbst gegenüber dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit haben. Wer soll Deutscher werden dürfen, bzw. an welche Kriterien soll die Vergabe des deutschen Passes geknüpft werden? Eine geeignete Datenquelle hierzu ist die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), in deren Rahmen 1996 und 2006 diesbezügliche Einstellungen erhoben wurden. Somit ist auch eine Betrachtung von Veränderungen im Zeitverlauf möglich, die umso interessanter ist, weil in diesem Zeitraum die einleitend angesprochene Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts stattfand. Vorangestellt wird diesen Analysen ein Abschnitt zur Entwicklung der Einbürgerungszahlen seit 1996 sowie zu einigen sozio-demografischen Charakteristika von Eingebürgerten. Einbürgerungen von Ausländern seit 2000 rückläufig Die Entwicklung der Einbürgerungen von Ausländern in Deutschland wird hier für den Zeitraum von 1996 bis 2008 betrachtet (Grafik 1). Nachdem die Zahlen bereits in den 1990er Jahren angestiegen waren und 1998 erstmals die Marke von 100.000 Personen überschritten wurde 2 , haben im Jahr 2000 -dem Jahr der Einführung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts -insgesamt rund 187.000 Ausländerinnen und Ausländer einen deutschen Pass erworben. Dieser Höchststand ist seitdem nicht mehr erreicht worden. Insbesondere für die Jahre 2000 und 2001 ist davon auszugehen, dass sich in der Entwicklung auch Effekte der Gesetzesreform widerspiegeln. So wurde in diesen beiden Jahren beispielsweise ein Großteil der Einbürgerungen (über 40.000 Fälle) nach der Übergangsre- Doppelte Staatsangehörigkeit von Ausländern befürwortet und von Deutschen abgelehnt Die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit für Ausländer wird anhand einer siebenstufigen Antwortskala bewertet, die von 1 ("stimme gar nicht zu") bis 7 ("stimme völlig zu") reicht. In dieser Frage gibt es eine klare Meinungsdifferenz zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die auch über die Zeit erhalten bleibt (Grafik 5). Insgesamt stimmen die Ausländer der Möglichkeit der Doppelstaatigkeit deutlich stärker zu als die gebürtigen Deutschen, wobei sich die Ostdeutschen noch etwas ablehnender zeigen als die Westdeutschen. Die Eingebürgerten nehmen eine Position zwischen den Ausländern einerseits und den gebürtigen Deutschen andererseits ein. zur Demokratie, Straffreiheit und Beherrschung der deutschen Sprache als zentrale Voraussetzungen Vor fast zehn Jahren, am 1.Januar 2000, ist in Deutschland ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz in Kraft getreten. Eine der grundlegenden Neuerungen war dabei die Einführung von Elementen des sogenannten Bodenrechts (ius soli) für in Deutschland geborene Kinder von Ausländern und damit die Abkehr von einer vorrangig an der Abstammung (ius sanguinis) orientierten Vergabe der deutschen Staatsangehörigkeit. Die politische Diskussion um das sogenannte Optionsmodell -nach dem sich Kinder und Jugendliche, die gemäß des ius soli doppelte Staatsangehörigkeit erhalten hatten, mit Erreichen der Volljährigkeit für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden müssen -hat mit den ersten entsprechenden Fällen im Jahr 2008 an Schärfe gewonnen. Ebenfalls umstritten war der im September 2008 eingeführte bundeseinheitliche Einbürgerungstest, mit dem Einbürgerungswillige nunmehr Grundkenntnisse über die Rechts-und Gesellschaftsordnung und die Lebensverhältnisse in Deutschland nachweisen müssen. Die bisherigen Resultate zeigen allerdings, dass die überwältigende Mehrheit der Kandidatinnen und Kandidaten den Test problemlos besteht. Lebensunterhalt bestreiten Deutsch beherrschen wichtiger als Abstammung Keine Straftaten Straffreiheit und Sprachkenntnisse Bekenntnis zur Grundordnung Bekenntnis zur Demokratie, Grafik 2: dem Jahr 2003) der Irak. Eingebürgerte Ausländer zeigen seit dem Jahr 2000 eine fast ausgeglichene Geschlechts-Die beiden Kriterien "Abstammung" und einen deutlichen Bedeutungsverlust erfahren; "Geburt" haben in dem Zeitraum seit 1996 bzw. seine Vorgänger-und Nachfolgestaaten, der Iran, Polen, Marokko und (verstärkt seit geboren oder deutscher Abstammung ist oder einer christlichen Kirche angehört. Weitere bedeutsame Herkunftsländer von Ausländern, die den deutschen Pass erwerben, sind das ehemalige Serbien und Montenegro lange Aufenthaltsdauer in Deutschland (5,0) ein Einbürgerungskandidat in Deutschland bewertet. Weniger wichtig ist hingegen, ob was rund einem Viertel aller Fälle entspricht. den der Deutschen (5,7) sowie eine möglichst Einstellungen zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit an Lebensstil anpassen struktur (51% Männer, 49% Frauen). Es han-delt sich überwiegend um jüngere Menschen: die entsprechenden Werte haben sich um mehr als einen Skalenpunkt verringert. Ein lange in Deutschland gelebt Das Durchschschnittsalter lag 2007 bei 30,5 Bedeutungszuwachs lässt sich hingegen bei Jahren und 2008 bei 29,8 Jahren. Empirische den Kriterien "deutsche Sprache beherrschen" in Deutschland geboren Analysen mit verschiedenen Datenquellen, so und "Lebensstilanpassung" beobachten, in dem BiB-Integrationssurvey (Haug 2005) oder etwas geringerem Maße auch bei der Straf- deutsche Abstammung dem Mikrozensus (MGFFI 2008), haben au-freiheit, bei der eigenständigen Sicherung des ßerdem wiederholt gezeigt, dass Eingebürgerte Lebensunterhalts und bei der Zugehörigkeit Christlicher Kirche angehören im Vergleich zu Ausländern gleicher Herkunft zu einer christlichen Kirche. Mit anderen 1 "überhaupt nicht wichtig" 2 3 4 1996 2006 5 6 7 "sehr wichtig" eine höhere sozio-ökonomische Position einnehmen. Ob dieser Integrationsvorsprung durch die Einbürgerung an sich bewirkt wird oder dieser vorgelagert ist, ist bisher nicht Worten: Ethnische bzw. abstammungsbezo-gene Gesichtspunkte haben in der Sicht der 2006 an Gewicht verloren. Nun werden für gebürtigen Deutschen zwischen 1996 und hinreichend erforscht. den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vorwiegend Anpassungsleistungen von Mig- Die Untersuchung der Einstellungen zur ranten, vor allem im Hinblick auf Sprache und Einbürgerung von Ausländern wird anhand Lebensstil, gefordert. der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der gelung des §40b Staatsangehörigkeitsgesetz vollzogen, der bereits in Deutschland geborenen Kinder von Ausländern die Möglichkeit bot, die ius-soli-Regelung nachträglich in Anspruch zu nehmen (vgl. Worbs 2008). Der Rückgang der Einbürgerungen wurde 2006 kurzfristig unterbrochen, setzte sich aber 2007 und 2008 fort. Die im vergangenen Jahr registrierten 94.470 Einbürgerungen bedeuten gegenüber dem Wert des Jahres 2000 eine Verringerung um fast 50%. Das wichtigste Herkunftsland von Eingebür-gerten ist im gesamten betrachteten Zeitraum die Türkei. Die Zahl der Einbürgerungen von Personen mit türkischer Herkunft erreichte bereits 1999 mit 103.900 einen Höchststand. Wie die gebürtigen Deutschen die Wichtigkeit der genannten Einbürgerungskriterien in den Jahren 1996 und 2006 beurteilen, wird in Grafik 2 dargestellt. Betrachtet man zunächst nur das Jahr 2006, so ist eine klare Hierarchie der Kriterien zu erkennen: Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und Straffreiheit (Skalenmittelwert jeweils 6,4) sowie das Beherrschen der deutschen Sprache (6,3) werden von den gebürtigen Deutschen als die wichtigsten Voraussetzungen einer Einbürgerung angesehen. Als nicht ganz so zentral, aber immer noch sehr wichtig werden die eigenständige Sicherung des Lebensunter-halts (6,0), eine Anpassung des Lebensstils an Sozialwissenschaften (ALLBUS) vorgenom-Der Vergleich von West-und Ostdeutschland men, die in den Jahren 1996 und 2006 erhob, welche Kriterien bei der Vergabe der deutschen Staatsangehörigkeit eine Rolle spielen sollen. Die Befragten wurden gebeten, auf einer siebenstufigen Skala (von 1 "überhaupt nicht wichtig" bis 7 "sehr wichtig") zu bewerten, wie wichtig es ist, dass die Person, die die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben will, -in Deutschland geboren ist, -deutscher Abstammung ist, -die deutsche Sprache beherrscht, -lange Zeit in Deutschland gelebt hat, -bereit ist, sich an den Lebensstil der Deu-schen anzupassen, -einer christlichen Kirche angehört, -Straftaten begangen hat, 3 ergibt nur geringe Unterschiede (Grafik 3): Lediglich das Kriterium "christlicher Kirche angehörig" wird von der ostdeutschen Be-völkerung als weniger wichtig erachtet, was angesichts der stärkeren Säkularisierung dieses Landesteils nicht verwunderlich erscheint. In den neuen Bundesländern sind außerdem die bereits geschilderten Tendenzen -Bedeutungs-verlust von Geburt und Abstammung sowie Bedeutungsgewinn von Sprachbeherrschung und Lebensstilanpassung -noch etwas stärker ausgeprägt als in Westdeutschland. Besonders fällt dies beim Kriterium "Sprache" ins Auge, bei dem der Skalenmittelwert für Ostdeutsche zwischen 1996 und 2006 um mehr als andert-halb Skalenpunkte gestiegen ist. Im Jahr 2008 ließen sich hingegen nur noch -für ihren Lebensunterhalt selbst aufkom- 24.449 türkische Staatsangehörige einbürgern, men kann und Die im Folgenden präsentierten Ergebnisse orientieren sich an zwei Fragestellungen: Wie werden die oben genannten Einbürge- rungskriterien von Personen bewertet, die seit 200.000 ihrer Geburt deutsche Staatsangehörige sind ("gebürtige Deutsche") und wie haben sich 180.000 186.688 178.098 die Bewertungen im Beobachtungszeitraum 160.000 154.547 verändert? Dabei wird auch betrachtet, wie sich West-und Ostdeutsche in ihren Beurtei-lungen unterscheiden. 140.000 120.000 143.267 140.731 127.153 117.241 124.566 113.030 106.790 100.000 94.470 80.000 86.356 82.913 60.000 40.000 20.000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Grafik 1: Einbürgerungen von Ausländern in Deutschland -1996-2008 Quelle: Statistisches Bundesamt Seite 12 ISI 42 -Juli 2009 -sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt. Bis auf das letzte Kriterium, das nur 2006 erhoben wurde, liegen für 1996 und 2006 identische Frageformulierungen vor, so dass eine Betrachtung der Entwicklungen im Zeitverlauf möglich ist. Zudem wurde in beiden Erhebungsjahren die Frage gestellt, ob Ausländer die Möglichkeit zur doppelten Staatsangehörigkeit haben sollten. Bei der Interpretation ist jedoch zu beachten, dass es sich beim ALLBUS -anders als etwa beim Sozio-Ökonomischen Panel -nicht um eine Längsschnittbefragung handelt. Ein Vergleich der Daten für die Jahre 1996 und 2006 spiegelt also nicht Einstellungsveränderungen derselben Befragten wider, sondern das Meinungsbild zweier aus unterschiedlichen Personen zusammengesetzter repräsentativer Bevölkerungsquerschnitte. Wie werden die Einbürgerungskriterien von Ausländern und Personen bewertet, die als Nicht-Deutsche geboren sind, sondern die deutsche Staatsangehörigkeit erst im Laufe ihres Lebens erworben haben ("eingebürgerte Deutsche") 4 ? Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob dieser Personenkreis andere Einstellungen zum Erwerb des deutschen Passes hat als die gebürtigen Deutschen und ob diesbezüglich Veränderungen zu beobachten sind. Bekenntnis Einstellungen der gebürtigen Deutschen zur Einbürgerung -1996 und 2006 Datenbasis: ALLBUS 1996 und 2006, eigene Berechnung Grafik 3: "überhaupt nicht wichtig" "sehr wichtig" Bekenntnis zur Grundordnung Keine Straftaten Deutsch beherrschen Lebensunterhalt bestreiten an Lebensstil anpassen lange in Deutschland gelebt in Deutschland geboren deutsche Abstammung Christlichlicher Kirche angehören 1 2 3 4 5 6 7 West 2006 Ost 2006 West 1996 Ost 1996 Einstellungen der gebürtigen Deutschen in West-und Ostdeutschland zur Einbürgerung -1996 und 2006 ISI 42 -Juli 2009 Seite 13 Wie werden die Einbürgerungskriterien nun pen genießt dieses Kriterium im Jahr 2006, von Ausländern und Personen beurteilt, die gemeinsam mit Straffreiheit und Beherrschung nicht schon seit ihrer Geburt Deutsche sind, der deutschen Sprache, die höchste Priorität. d.h. für Personen, für die der (bewusste) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eine praktische Relevanz besitzt, weil sie diesen Schritt entweder bereits vollzogen haben oder in Erwägung ziehen könnten? Aufgrund der Fallzahlen wird in diesem Teil der Analyse keine Unterscheidung nach den Erhebungsgebieten Ost-und Westdeutschland vorgenommen. 5 Im Vergleich dieser beiden Gruppen fällt auf, dass es 2006 keine gravierenden Differenzen im Meinungsbild gibt (Grafik 4). Die eingebür- gerten Deutschen stufen sämtliche Kriterien -mit Ausnahme der Geburt in Deutschland -als etwas wichtiger ein als Ausländer, insbe- sondere aber die Kriterien "Sprache" und "Le- bensstilanpassung". Im Zeitvergleich ist vor allem ein Punkt auffällig: Die eingebürgerten Deutschen haben die Relevanz des Kriteriums "Abstammung" 1996 sehr hoch bewertet, sogar höher als die gebürtigen Deutschen in West und Ost. In diesem Resultat spiegelt sich möglicherweise das Meinungsbild von (Spät-) Aussiedlern wider, die einen beachtlichen Teil dieser Befragten ausmachen dürften und bei denen die Abstammung zentrales Kriterium für die Zuwanderung und den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist. Aber auch für diese Gruppe ist, wie bei allen anderen hier betrachteten, ein deutlicher Bedeutungsverlust ethnischer Zugehörigkeitskriterien zwischen 1996 und 2006 festzustellen und gleichzeitig ein Zugewinn bei den Kriterien Sprache, Le- bensstilanpassung und Straffreiheit. Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokra- tischen Grundordnung, für das nur 2006 Daten vorliegen, erfährt bei Ausländern und eingebürgerten Deutschen eine ähnlich hohe Zustimmung wie bei gebürtigen Deutschen. Für alle unterschiedenen Bevölkerungsgrup- Datenbasis: ALLBUS 1996 und 2006, eigene Berechnung Einstellungen der Ausländer und der eingebürgerten Deutschen zur Einbürgerung -1996 und 2006 1 "überhaupt nicht wichtig" 2 Ausländer 1996 Grafik 4: Datenbasis: ALLBUS 1996 und 2006, eigene Berechnung 3 Christlichlicher Kirche angehören deutsche Abstammung in Deutschland geboren lange in Deutschland gelebt an Lebensstil anpassen Lebensunterhalt bestreiten Deutsch beherrschen Keine Straftaten Bekenntnis zur Grundordnung Ausländer 2006 4 5 Eingebürgerte 1996 6 Eingebürgerte 2006 "sehr wichtig" 7 Anders als bei den übrigen Gruppen hat hier die Zustimmung zur doppelten Staatsangehörigkeit zwischen 1996 und 2006 deutlich zugenommen. Dies mag auf den schon genannten Kompositionseffekt zurückzuführen sein, nach dem sich unter den Eingebürgerten in der Befragung von 1996 größere Anteile von (Spät-)Aussiedlern befinden, 2006 hingegen auch vermehrt ein-gebürgerte Ausländer. Dieses Ergebnis stimmt mit dem Befund aus anderen Untersuchungen überein, dass für Ausländer in Deutschland -insbesondere für die größte Gruppe der türkischen Staatsan-gehörigen -die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit die Einbürgerungsnei-gung spürbar erhöhen würde bzw. dass der Wunsch nach Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit einer Einbürgerung oft entgegensteht (z.B. Sauer 2007, Worbs 2008). Bei der ablehnenden Haltung der gebürtigen Deutschen mögen vor allem Befürchtungen mangelnder Loyalität und eine angenommene Privilegierung von Doppelstaatlern eine Rolle spielen. Allerdings wurde seit der Einführung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 fast die Hälfte aller Einbürgerungen (47% in kumulierter Betrachtung) unter Bei- behaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit der Betroffenen vollzogen, vor allem bei EU- Bürgern und bei Zuwanderern aus Ländern, bei denen eine Entlassung aus der Staatsange- hörigkeit nicht möglich oder zumutbar ist. In den vorgestellten Analysen zeigen sich, mit Ausnahme des Themas "Doppelpass", relativ geringe Differenzen zwischen Deutschen und Migranten in den Einstellungen zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, sowohl was die Wertigkeit einzelner Kriterien als Grafik 5: gebürtige Deutsche 3,5 West 3,2 gebürtige Deutsche 3,1 Ost 2,9 3,9 Eingebürgerte 4,4 5,5 Ausländer 5,3 1 2 3 4 5 6 7 "stimme gar nicht zu" "stimme völlig zu" 1996 2006 Datenbasis: ALLBUS 1996 und 2006, eigene Berechnung Zustimmung zur Möglichkeit doppelter Staatsangehörigkeit -1996 und 2006 Seite 14 ISI 42 -Juli 2009 auch die Entwicklung zwischen 1996 und 2 Die Zahlen für die 1990er Jahre sind mit Sonja Haug, Claudia Diehl (Hg.), Aspekte 2006 angeht. Offenbar haben sich -trotz einer gewissen Unsicherheit behaftet, da der Integration. Eingliederungsmuster Unterschieden im absoluten Niveau der Einbürgerungen von Ausländern nicht und Lebenssituation italienisch-und tür- Zustimmung -in diesem Zeitraum ähnliche klar von denen von (Spät-)Aussiedlern kischstämmiger junger Erwachsener in Einstellungsveränderungen in verschiedenen getrennt werden können und zudem für Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag für Bevölkerungsgruppen vollzogen. Erkennbar das Bundesland Hamburg von 1997-1999 Sozialwissenschaften. ist eine Entwicklung weg von angeborenen keine Einbürgerungszahlen vorliegen. Die Ministerium für Generationen, Familie, Frau- oder "ethnischen" Kriterien (Abstammung, hier für 1996-1999 verwendeten Angaben en und Integration des Landes Nordrhein- Geburt) hin zu verhaltensorientierten bzw. sind aus dem Migrationsbericht 2005 im Westfalen (MGFFI), 2008: Nordrhein-West- "leistungsbezogenen" Kriterien (Straffreiheit, Auftrag der Bundesregierung entnommen falen: Land der neuen Integrationschancen. Sprachbeherrschung, Lebensstilanpassung, (Bundesministerium des Innern 2005: 1. Integrationsbericht der Landesregierung. Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen 172). Düsseldorf. Grundordnung). 3 Dieses Kriterium wird im Folgenden so in- Sauer, Martina, 2007: Die Integration tür- terpretiert, dass Einbürgerungskandidaten kischstämmiger Migrantinnen und Mig- In diesen Einstellungsverschiebungen dürfte möglichst keine Straftaten begangen haben ranten in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse sich die politische und öffentliche Diskussi- sollten. der achten Mehrthemenbefragung. Eine on über Staatsangehörigkeitsfragen und die 4 Personen, die die deutsche Staatsangehö- Analyse im Auftrag des Ministeriums für Integration von Migranten in Deutschland rigkeit nicht seit ihrer Geburt besitzen, ha- Generationen, Familie, Frauen und Inte- im betrachteten Zeitraum widerspiegeln. Die ben diese im Regelfall durch Einbürgerung gration des Landes Nordrhein-Westfalen. Abkehr von einem vorrangig auf Abstammung oder den (Spät-)Aussiedlerstatus erworben. Essen: Zentrum für Türkeistudien. und Geburt bezogenen Konzept der Zugehö- (Spät-)Aussiedler mussten bis August 1999 Terwey, Michael, Scheuer, Angelika, 2007: rigkeit zur deutschen Nation, wie sie mit der ebenfalls ein formales Einbürgerungsver- Etwas mehr Anpassung gewünscht. Ein- Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes im fahren durchlaufen, seitdem erhalten sie die stellungen zur Integration von Ausländern Jahr 2000 vollzogen wurde, könnte mit dazu deutsche Staatsangehörigkeit automatisch in Deutschland. Informationsdienst Soziale beigetragen haben, dass die entsprechenden kraft Gesetzes (Worbs 2008: 10). Im ALL- Indikatoren 38: 12-14. Kriterien nun auch in der Mehrheitsbevölke- BUS wird zwar erhoben, ob die deutsche Worbs, Susanne, 2008: Die Einbürgerung von rung als weniger wichtig für eine Einbürgerung Staatsangehörigkeit durch Geburt erwor- Ausländern in Deutschland. Working Paper angesehen werden. Andererseits wird inzwi- ben wurde, jedoch wird nicht nach der Art 17 der Forschungsgruppe des Bundesamtes schen sehr viel größerer Wert darauf gelegt, des späteren Erwerbs bei Personen gefragt, (aus der Reihe "Integrationsreport", Teil dass Zuwanderer die deutsche Sprache beherr- bei denen kein Geburtserwerb vorliegt. 3). Nürnberg: Bundesamt für Migration und schen und sich an den hiesigen Lebensstil an- Auch der Einreisestatus als (Spät-)Aussied- Flüchtlinge. 2., aktualisierte Auflage. passen; es werden also Integrationsleistungen ler wird nicht erhoben. eingefordert. Letzteres ist ein Ergebnis, zu dem 5 Im Jahr 1996 befanden sich in der ALL- Susanne Worbs, Bundesamt für Migration auch Terwey und Scheuer (2007) anhand einer BUS-Stichprobe insgesamt 209 Ausländer und Flüchtlinge (BAMF), Nürnberg Auswertung von anderen ALLBUS-Fragen zur und 113 eingebürgerte Deutsche (9% aller Tel.: 0911 / 943-4502 Einstellung gegenüber Ausländern kommen. Befragten), im Jahr 2006 227 Ausländer susanne.worbs@bamf.bund.de Damit übereinstimmend wurde die Einführung und 155 Eingebürgerte (11%). Sie werden eines bundeseinheitlichen Einbürgerungstests im Folgenden jeweils getrennt betrachtet. im September 2008 in der deutschen Bevölke- Bei den Ausländern bilden in beiden ALL- rung überwiegend zustimmend bewertet, wie BUS-Befragungsjahren türkische Staatsan- z.B. eine repräsentative EMNID-Umfrage im gehörige die größte Gruppe, 1996 gefolgt Juni desselben Jahres zeigte. 6 Mehrheitlich von Staatsangehörigen des ehemaligen abgelehnt wird hingegen nach wie vor die Bei- Jugoslawiens, Italiens und Griechenlands. behaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit 2006 sind außerdem die ehemalige UdSSR von Ausländern bei der Einbürgerung. und Polen zu nennen. Bei Eingebürgerten ist die frühere UdSSR in beiden Jahren Durchaus überraschend ist das Resultat, dass das wichtigste Herkunftsland, 1996 gefolgt sich Ausländer und eingebürgerte Deutsche in von Polen und Rumänien, 2006 von der ihren Einstellungen zu Kriterien beim Erwerb Türkei und Polen. Es dürfte sich bei den der deutschen Staatsangehörigkeit nicht sehr Ausländern also mehrheitlich um frühere stark von der deutschstämmigen Bevölkerung Gastarbeiter und deren Nachkommen unterscheiden. Eine deutliche Meinungsdi- handeln, bei den Eingebürgerten sowohl vergenz besteht nur beim Thema "doppelte um (Spät-)Aussiedler als auch um frühere Staatsangehörigkeit", einer Möglichkeit, Ausländer. der die im ALLBUS befragten Menschen 6 h t t p : / / w w w. s u e d d e u t s c h e . d e / p o l i - nichtdeutscher Herkunft mehrheitlich positiv tik/647/445384/text/print.html, abgerufen gegenüberstehen, was sich auch schon in an- am 06.04.2009. Einzelheiten zur Gestaltung deren Untersuchungen gezeigt hat. Der im Jahr des Einbürgerungstests sind der folgenden 2008 eingeführte bundeseinheitliche Einbürge- Webseite zu entnehmen: http://www.in- rungstest wurde zwar von Migrantenverbänden tegration-in-deutschland.de/nn_442016/ überwiegend kritisch gesehen, die bisherigen SubSites/Integration/DE/02__Zuwanderer/ Resultate zeigen aber, dass die überwältigende Einbuergerungstest/einbuergerungstest- Mehrheit der Kandidatinnen und Kandidaten inhalt.html?__nnn=true (fast 99%) den Test problemlos besteht. Bundesministerium des Innern (Hg.), 2005: 1 Einige Resultate wurden bereits in Worbs Migrationsbericht des Bundesamtes für (2008) veröffentlicht. Die Autorin dankt Migration und Flüchtlinge im Auftrag Robin Pötke und Dr. Christian Babka der Bundesregierung. Migrationsbericht von Gostomski für Unterstützung bei der 2005. Berlin. Recherche und Datenanalyse. Haug, Sonja, 2005: Fazit. S. 337-352 in: (xsd:string)
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