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In einer Zeit weiter fortschreitender Säkularisierung ist das Interesse von Sozial-und Religionsforschern an der "Zukunft der Religion" ungebrochen. Dies nicht zuletzt, weil im Glauben und den ihm angeschlossenen Institutionen ein die Gesellschaft strukturierendes Element gesehen wird. Es bietet sich von daher an, die Ausprägung der Religiosität bei jungen Menschen zu untersuchen und dabei unterschiedliche Gesellschaften zu betrachten.Aus diesem Blickwinkel werden die Ergebnisse einer Parallelstudie diskutiert, bei der 200 deutsche und 700 japanische Studenten befragt wurden 2 . Es werden dabei auch die Vorstellungen zu einem Weiterleben nach dem Tod und der politische Bereich berücksichtigt. In den japanischen Universitäten wurden Studenten aus den Junior Courses befragt, und zwar 300 Studenten an der protestantischen Aoyama Gakuin-Universität und je 200 an der buddhistischen Risho Universität und der katholischen Sophir Universität (alle in Tokio). Es war möglich, die Fragebögen nur an Studenten japanischer Nationalität auszugeben. Ferner bestand die Möglichkeit, die Studenten für das Ausfüllen der Bögen zu verpflichten. Demgegenüber sind in Deutschland Studenten der Soziologie, der Wirtschaftswissenschaften, der Japanologie (Universität zu Köln) und der Medizin (Universität Marburg) befragt worden, wobei die Rücklaufquote kaum über 50 Prozent lag. Für den Datensatz wurden nur die Angaben deutscher Studenten, also nicht die ihrer ausländischen Kommilitonen, verwe-ndet, um insoweit einen eindeutigen Vergleich, vor allem für die religiösen Praktiken, zu ermöglichen. Von einer nachträglichen Gewichtung aufgrund des etwas überhöhten Anteils christlicher Befragter in Japan wurde abgesehen. Die befragten deutschen Studenten waren im Schnitt fünf Jahre älter als die japanischen, welche sich überwiegend im ersten Semester befanden; bei den deutschen Studenten liegt der Median im vierten Semester. Aus der Art und Weise, wie wir die Auswahl der zu Befragenden vorgenommen haben, ist zu folgern, daß für die Stichprobe keine Repräsentativität angenommen werden kann, auch nicht für die Teilpopulation der Studenten. Wir werden uns also auf Tendenzaussagen zu beschränken haben. Dennoch überprüfen wir Mittelwertdifferenzen durch t-Tests, um die unterschiedlichen Standardabweichungen in einem Ausdruck verfügbar zu haben. Der Übersichtlichkeit halber erscheint nur dann ein entsprechender Vermerk, wenn eine Mittelwertdifferenz auf dem 5-Prozent-Niveau nicht signifikant ist. Im japanischen Teil dieser Studie ordneten sich 18 Prozent der Studenten der buddhistischen Glaubensrichtung zu, die große Mehrheit von 76 Prozent dagegen bezeichnete sich als konfessionslos. Die Besetzung der übrigen Gruppen (Shintoisten, Christen) liegt bei zwei Prozent, so daß hier keine Subgruppenanalysen durchgeführt werden können. Unter den deutschen Befragten sind 42 Prozent katholisch, 36 Prozent evangelisch und 18 Prozent konfessionslos. Stellt man die Gruppe der japanischen und der deutschen Studenten jeweils als ganze einander gegenüber, so kann von einer geringeren Religiosität der Japaner gesprochen werden: die japanischen Studenten geben bei der Selbsteinschätzung ihrer Religiosität geringere Werte an als ihre deutschen Kommilitonen; sie schätzen die Wichtigkeit religiöser Gefühle geringer ein, denken seltener über Fragen der Religion nach, glauben seltener an ein Leben nach dem Tod und zeigen sich auch im religiösen Verhalten weniger aktiv: sie gehen seltener in die Kirche oder zu einem Schrein, sie beten seltener, und sie lesen auch seltener in der Bibel oder in religiösen Schriften. Wird dagegen nach der Konfessionszugehörigkeit unterschieden, so stellt sich heraus, daß die Studenten buddhistischen Glaubens ähnlich stark religiös sind wie die deutschen, christlichen Studenten und daß die Konfessionslosen beider Länder sich ebenfalls wenig in ihrer Religiosität unterscheiden. Tabelle 1 gibt hierzu einen Überblick. Hier und bei den weiteren Fragen wurden in der Regel fünfstufige Ratingskalen vorgelegt, wobei die niedrigste Ausprägung mit eins und die höchste mit fünf codiert ist. Indikatoren der Religiosität nach Konfessionszugehörigkeit 3 (Durchschnittswerte; 1 = niedrigste Ausprägung, 5 = höchste) Zu dem Bereich der normativen Einstellungen bezüglich der Religion wurden zwei Ansichten zur Beurteilung vorgelegt: "Letzten Endes enthalten alle Religionen dieselbe Botschaft" Vor dem Hintergrund der unterschiedlich starken Ausprägung der Religiosität in den beiden betrachteten Ländern ist eine größere Toleranz unter den japanischen Studenten zu erwarten, zumal die japanische Religionsgeschichte weniger durch Konfrontation zwischen den Glaubensrichtungen als durch eine Vermischung der religiösen Vorstellungen gekennzeichnet ist . Die Antworten der japanischen Befragten drücken jedoch eine etwas geringere Zustimmung zu diesem Item aus als die der deutschen Befragten (2,8 für Japan und 3,1 für Deutschland; die Werte differieren kaum nach den Glaubensrichtungen innerhalb der Länder). Wir interpretieren dieses Ergebnis als einen Ausdruck für ein strengeres normatives Gefüge und für eine stärkere Traditionalität im Bereich der Normen innerhalb der japanischen Gesellschaft. Bei der Auswertung des Items "Der Glaube an Gott ist ein Ausdruck der Schwäche" muß berücksichtigt werden, daß der Buddhismus kein Gottesglaube ist . Andererseits ist bei der Übersetzung, wie in Japan üblich, das Wort "Shinbutsu" für "Gott" verwendet worden, wobei "Shin" "Gott" und "Butsu" "Buddha" bedeutet. Das Item findet in Japan entschieden größeren Zuspruch als in Deutschland (im Durchschnitt 3,1 gegenüber 1,7), und es unterscheiden sich die Angaben der buddhistischen Studenten von den japanischen Konfessionslosen nur wenig, während in Deutschland die Konfessionslosigkeit Nach den Ergebnissen des World Values Survey 1990-92 glauben lediglich 5 Prozent der japanischen Buddhisten an einen persönlichen Gott, wenn zusätzlich "Geist" und "Konfusion" angegeben werden können. Bei der Gesamtheit der Japaner sind es ebenfalls 5 Prozent gegenüber 27 Prozent der deutschen Befragten. Bei einer dichotomen Abfrage des Gottesglaubens antworten 65 Prozent der Japaner gegenüber 84 Prozent der Deutschen positiv. (Eigene Auswertung anhand des Datensatzes, der im Zentralarchiv unter der ICPSR-Nummer I6160 archiviert ist; die Verantwortung für die Verwendung der Daten liegt bei den Verfassern.) die Zustimmung zu der Aussage und damit die negative Haltung gegenüber dem Glauben vergrößert (von 1,5 auf 2,4). In einiger Ausführlichkeit soll im folgenden auf die Vorstellungen über den Tod und ein mögliches Leben danach eingegangen werden. Einen ersten Überblick gewährt uns die Frage danach, ob "mit dem Tod alles zuende" sei. Die Antwortverteilung hierzu wird in Tabelle 2 wiedergegeben. Kindheit erheben, die andere die heutigen. Die aktuelle Überzeugung erfragten wir nur von denjenigen, die die Filterfrage "Glauben Sie, daß mit dem Tod alles zuende ist?" negativ beantworteten. Bei der Analyse der aktuellen Vorstellungen fällt der geringe Unterschied zwischen den Studenten der beiden Länder auf. Die Vorstellung einer Wiedergeburt, erhoben durch die Aussage "Die Seele wird in einem neuen Körper wiedergeboren", wird von den Deutschen nur unwesentlich weniger vertreten als von den Japanern (3,0 gegenüber 3,2; nicht signifikant). Die auf den christlichen Glauben zielende Formulierung "Nach dem Tod gibt es ein Leben im Jenseits" erhielt von den japanischen Befragten sogar stärkeren Zuspruch als von den deutschen (3,6 zu 3,2; für die Buddhisten allein: 3,9), und dieses Verhältnis findet sich auch bei der Auswertung der Kindheitsvorstellungen wieder. Dafür wurde das Item "Nach dem Tod kommt man in den Himmel oder in die Hölle" formuliert. Mit einem Durchschnittswert von 3,9 wird diese Vorstellung von den japanischen Studenten vertreten, von ihren deutschen Kommilitonen dagegen mit einem Wert der Höhe 3,2. Bei der Rückbesinnung auf die Kindheit spielt der Wiedergeburtsgedanke bei den deutschen Befragten jedoch eine sehr untergeordnete Rolle: die Vorstellung "Nach dem Tod wird man sich in ein anderes Lebewesen verwandeln" wird von 86 Prozent abgelehnt; der Durchschnittswert lautet hier 1,4, für die Japaner jedoch 2,7. Ein anderes Ergebnis wurde dagegen im World Values Survey von 1990 erzielt. Bei der Vorgabe der Begriffe "resurrection" (Auferstehung) und "reincarnation" (Wiedergeburt) lautet der Anteil der Zustimmungen zum christlichen Item in Deutschland 43 Prozent und in Japan 11 Prozent, für das buddhistisch-hinduistische 26 Prozent in Deutschland und 50 Prozent in Japan. Durch die alleinige Berücksichtigung der Studenten ergeben sich keine grundsätzliche Änderungen, wobei freilich die geringe Fallzahl weitergehenden Analysen eine Grenze setzt (eigene Auswertung anhand des Datensatzes). Angesichts dieser Diskrepanz wird deutlich, daß eine Untersuchung darüber, wie die verwendeten Begriffe von den Befragten beider Länder verstanden werden, nötig ist. Das für die Kindheit vorgelegte Item "Mit dem Tod hört alles auf", dem die japanischen Studenten deutlich stärker zustimmen als die Deutschen, soll nun mit der Filterfrage "Mit dem Tod ist alles zuende", die sich auf die aktuellen Vorstellungen bezieht, verknüpft werden. Die stärkere Institutionalisierung der Glaubens in Deutschland legt einen engeren Zusammenhang für die deutschen Befragten nahe, der stärkere Prozeß der Säkularisierung hingegen einen schwächeren. In Tabelle 3 sind die Mittelwerte für die Kindheitsvorstellung differenziert nach der aktuellen Vorstellung und die Eta-Werte 7 wiedergegeben. Der Blick auf die Eta-Werte zeigt, daß der Zusammenhang zwischen den Vorstellungen zu den zwei verschiedenen Zeitpunkten vergleichsweise locker ist, und zwar in beiden Ländern gleichermaßen. Die Mittelwerte bewegen sich in Japan auf einem durchgängig höheren Ich habe Angst, was in dem Leben nach dem Tod passieren wird. Ich werde meine Familie, meine Verwandten und Freunde und alles andere nicht mehr sehen können. Meine Familie, meine Verwandten und meine Freunde werden trauern. Alles, was ich geplant habe wird ein Ende finden. 2,7 3,5 Ich werde nicht mehr ich sein. Die japanischen Befragten verbinden mit dem Tod mehr belastenden Vorstellungen als die deutschen Befragten. Unerwarteterweise wird die Differenz gerade bei dem Item, das die Bindung an die Familie widerspiegelt, so gering, daß sie sich erst in der zweiten Nachkommastelle niederschlägt. Betrachtet man die Höhe der Durchschnittswerte, so läßt sich sagen, daß es weit mehr die das Ende des diesseitigen Lebens ausdrückenden Aussagen als die Vorstellungen über die Zeit danach sind, die als belastend empfunden werden. Thematisch verwandt mit der Frage nach den Einstellungen zum Tod und einem Leben danach ist die Beendigung des Lebens aus eigenem Willen. Angesichts der einst hohen japanischen Selbstmordrate ) stellt sich die Frage, ob sie sich bereits in der Einstellung zu einem möglichen Selbstmord wiederfindet. Zur Analyse der Selbstmordneigung wurden auf die Frage "Aus welchen Gründen könnten Sie sich dazu entscheiden, sich das Leben zu nehmen?" zehn Gründe vorgegeben. Die Einschätzung sollte auf einer in diesem Fall dreistufigen Skala ("könnte ich mir nicht /vielleicht/ sehr gut vorstellen") vorgenommen werden. Den Erwartungen entsprechend liegen die Werte für die japanischen Befragten in den meisten Fällen höher. Die in Deutschland befragten Studenten entschieden sich kaum jemals für eine andere Antwortkategorie als "könnte ich mir nicht vorstellen". Es gibt indessen Ausnahmen: Krankheit wird von den deutschen Studenten als Grund akzeptiert, sogar stärker als in Japan. Auch das Motiv "dem Atomkrieg zu entgehen" liegt den Deutschen näher. Fälle, in denen andererseits die japanischen Studenten eine Neigung zum Selbstmord kundtun, bei denen die Deutschen hingegen entschieden Nein sagen, bestätigen das Bild eines in der persönlichen Sphäre traditionellen Landes, in dem die Verankerung in der Familie stark und Ehre noch ein gelebtes Institut ist. Diese Items lauten: "um mich an jemandem zu rächen", "aufgrund eines Fehltritts, aus Scham" und "aufgrund eines Familienkonfliktes". Die Analyse der gesellschaftspolitischen Einstellungen ist von der Annahme geleitet, daß die unterschiedliche Bedeutung des Religiösen und insbesondere dessen verschieden starke Institutionalisierung ihre Auswirkung auf den gesellschaftspolitischen Bereich hatDie.diesbezüglichen Einstellungen werden in Deutschland andereKovariate mit der Religiosität aufweisen als in Japan, und der Prozeß der Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Institutionen wird in den beiden Ländern unterschiedlich verlaufen sein. Darüber hinaus vermuten wir in Japan andere gesellschaftspolitische Mentalitäten als in Deutschland. Diese suchten wir durch die hypothetische Frage: "Wenn die Welt in Krieg und Chaos versinken würde, was täten Sie dann?" zu erfassen. Folgende Positionen wurden vorgegeben: Hedonismus, Aktion, Gebet an Gott, Apathie und Persistenz. In Tabelle 5 werden die Operationalisierungen dieser Konstrukte und ihre jeweiligen Mittelwerte der Fünferskala für die beiden Untersuchungsländer gezeigt. Tabelle 5: Handlungserwartungen bei Krieg und Chaos (Durchschnittswerte; 1 = geringste Zustimmung, 5 = höchste) Deutschland Japan Ich würde nur für den Augenblick leben und für mein momentanes Glück die Welt um mich herum vergessen. Ich würde versuchen, die Welt zu verbessern, unter Umständen auch mit radikalen Mitteln. Ich würde zu Gott beten, um aus dem Chaos gerettet zu werden. Ich würde gar nichts unternehmen und mich im Strom treiben lassen. Ich würde das tun, was ich immer tue. Während die hedonistische Alternative den Studenten beider Länder gleichermaßen attraktiv scheint und die religiöse Vorgabe jeweils einen geringeren Zuspruch erhält, lassen sich Unterschiede auf der Dimension der Aktivität feststellen 8 . Der aktive Eingriff (Weltverbesserung) wird von den deutschen Studenten etwas häufiger in Erwägung gezogen als von den japanischen. Passivität dagegen ist für die deutschen Befragten kaum akzeptabel, für die Japaner hingegen die am stärksten präferierte Lösung. Man kann hierin einen Ausdruck des buddhistischen Glaubens sehen, doch wird der Effekt der Konfessionszugehörigkeit und die Stärke des Glaubens analysiert, so bleiben die erwarteten Effekte aus: Buddhisten lehnen die Weltverbesserung nicht stärker ab als die übrigen Japaner unserer Stichprobe, und mit zunehmender Religiosität sinkt auch nicht die Ablehnung. Im Vergleich zu den deutschen Befragten schätzen die Japaner die meisten der vorgelegten Problem als größer ein. Gleichwohl folgt daraus keine größere Bereitschaft zu einem eigenen Engagement -wie eben gesehen. Nur bei den Themen Rechtsradikalismus, Vereinsamung, Obdachlosigkeit und Umwelt zeigen sich die Deutschen besorgter, was freilich auch als Folge der Stichprobenkonstruktion gewertet werden kann. Was die Items "Sekten" und "Terrorismus" betrifft (sie laden beide auf demselben Kriminalitätsfaktor), so sei der Leser an die Giftgasanschläge in der U-Bahn von Tokio im März 1995, also drei Monate vor der Befragung, erinnert; sie wurden der Aoum-Sekte zugeschrieben. Damit dürften die entsprechenden Besorgnisse (vorübergehend?) gewachsen sein. An dieser Stelle soll eine kurze Reflexion über die Validität der Angaben eingeschoben werden. Zweifel gab es daran für den japanischen Teil der Studie, weil die Mittelwerte sehr häufig im mittleren Bereich zwischen 2,5 und 3,5 liegen und in der vorgehenden Abbildung beinahe durchgängig sehr hoch sind. Auch wird den Japanern unterstellt, daß sie selten, erst recht nicht in einer schriftlichen Befragung, ihre eigene Meinung offen darlegen. Wenn dem so wäre, und wenn sich die Verweigerung der Meinungskundgabe in einer Bevorzugung der Mittelkategorie niederschlüge, dann müßten die Standardabweichungen der japanischen Subgruppe in der Regel geringer sein als bei den Deutschen. Das ist hingegen nicht der Fall. Es halten sich die Anzahl größerer und kleinerer Varianzen die Waage; sie sind in Japan sogar häufiger größer, bezieht man auch die Fragen zur Selbstmordneigung ein. Wir weisen also aufgrund der Daten die ursprünglichen Zweifel zurück. Als Abschluß sollen die Analyseergebnisse für die Links-rechts-Selbsteinschätzung wiedergegeben werden. Im Durchschnitt sind die befragten deutschen Studenten stärker linksorientiert als die japanischen, doch sollte dieses Ergebnis aus zwei Gründen mit Mißtrauen betrachtet werden: zum einen wurden in Deutschland mehrheitlich Studenten der Soziologie befragt, die in einer Fächerkombination im Rahmen des Magisterstudienganges weiter links zu verorten sind als ihre Kommilitonen, die Soziologie in Verbindung mit einem Diplomstudiengang der Wirtschaftswissenschaften studieren (3,1 zu 4,3 auf der zehnstufigen Skala, wie sie in den ALLBUS-Umfragen Verwendung findet). Zum anderen kann aus der Tatsache, daß in Deutschland die Begriffe "links" und "rechts" vornehmlich über ihre Verbindung mit den politischen Parteien bestimmt werden können (vgl. Jagodzinski und , geschlossen werden, daß die Übertragung auf ein Land mit anderer Parteienlandschaft nicht ohne weiteres zulässig ist. Werden zur Unterstützung dieser These bivariate Korrelationen der Links-rechts-Skala mit den Einschätzungen gesellschaftspolitischer Problem berechnet, so erhält man den Befund, daß in Deutschland 13 von 22 Korrelationen, in Japan jedoch nur Japanische und deutsche Studenten: Religiöse und politische Mentalitäten im Vergleich Kumiko Maruyama Hendrik Biebeler Economics and Politics Seigakuin University 1-1 Tozaki, Ageo-shi Saitama-ken 362 Japan Institut für Angewandte Sozialforschung Universität zu Köln Greinstr. 2 50939 Köln Japanische und deutsche Studenten: Religiöse und politische Mentalitäten im Vergleich GROBID - A machine learning software for extracting information from scholarly documents Die in dem vorliegenden Beitrag vorgestellte Studie bei deutschen und japanischen Studenten stützt ein Bild Japans, in dem Religion weniger institutionalisiert ist als in Deutschland und in dem Normen eine größere Bedeutung haben. Der Artikel gibt auch Aufschluß darüber, daß Einstellungen nicht allein im Niveau ihrer Akzeptanz zwischen den beiden Ländern variieren, sondern daß darüber hinaus die religiösen und politischen Mentalitäten unterschiedlich strukturiert sind. Ein möglicher Grund hierfür ist die unterschiedliche Rolle der Religion im Prozeß der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung. Einführung In einer Zeit weiter fortschreitender Säkularisierung ist das Interesse von Sozial-und Religionsforschern an der "Zukunft der Religion" ungebrochen. Dies nicht zuletzt, weil im Glauben und den ihm angeschlossenen Institutionen ein die Gesellschaft strukturierendes Element gesehen wird. Es bietet sich von daher an, die Ausprägung der Religiosität bei jungen Menschen zu untersuchen und dabei unterschiedliche Gesellschaften zu betrachten.Aus diesem Blickwinkel werden die Ergebnisse einer Parallelstudie diskutiert, bei der 200 deutsche und 700 japanische Studenten befragt wurden 2 . Es werden dabei auch die Vorstellungen zu einem Weiterleben nach dem Tod und der politische Bereich berücksichtigt. Die Erhebung In den japanischen Universitäten wurden Studenten aus den Junior Courses befragt, und zwar 300 Studenten an der protestantischen Aoyama Gakuin-Universität und je 200 an der buddhistischen Risho Universität und der katholischen Sophir Universität (alle in Tokio). Es war möglich, die Fragebögen nur an Studenten japanischer Nationalität auszugeben. Ferner bestand die Möglichkeit, die Studenten für das Ausfüllen der Bögen zu verpflichten. Demgegenüber sind in Deutschland Studenten der Soziologie, der Wirtschaftswissenschaften, der Japanologie (Universität zu Köln) und der Medizin (Universität Marburg) befragt worden, wobei die Rücklaufquote kaum über 50 Prozent lag. Für den Datensatz wurden nur die Angaben deutscher Studenten, also nicht die ihrer ausländischen Kommilitonen, verwe-ndet, um insoweit einen eindeutigen Vergleich, vor allem für die religiösen Praktiken, zu ermöglichen. Von einer nachträglichen Gewichtung aufgrund des etwas überhöhten Anteils christlicher Befragter in Japan wurde abgesehen. Die befragten deutschen Studenten waren im Schnitt fünf Jahre älter als die japanischen, welche sich überwiegend im ersten Semester befanden; bei den deutschen Studenten liegt der Median im vierten Semester. Aus der Art und Weise, wie wir die Auswahl der zu Befragenden vorgenommen haben, ist zu folgern, daß für die Stichprobe keine Repräsentativität angenommen werden kann, auch nicht für die Teilpopulation der Studenten. Wir werden uns also auf Tendenzaussagen zu beschränken haben. Dennoch überprüfen wir Mittelwertdifferenzen durch t-Tests, um die unterschiedlichen Standardabweichungen in einem Ausdruck verfügbar zu haben. Der Übersichtlichkeit halber erscheint nur dann ein entsprechender Vermerk, wenn eine Mittelwertdifferenz auf dem 5-Prozent-Niveau nicht signifikant ist. Religiosität Im japanischen Teil dieser Studie ordneten sich 18 Prozent der Studenten der buddhistischen Glaubensrichtung zu, die große Mehrheit von 76 Prozent dagegen bezeichnete sich als konfessionslos. Die Besetzung der übrigen Gruppen (Shintoisten, Christen) liegt bei zwei Prozent, so daß hier keine Subgruppenanalysen durchgeführt werden können. Unter den deutschen Befragten sind 42 Prozent katholisch, 36 Prozent evangelisch und 18 Prozent konfessionslos. Stellt man die Gruppe der japanischen und der deutschen Studenten jeweils als ganze einander gegenüber, so kann von einer geringeren Religiosität der Japaner gesprochen werden: die japanischen Studenten geben bei der Selbsteinschätzung ihrer Religiosität geringere Werte an als ihre deutschen Kommilitonen; sie schätzen die Wichtigkeit religiöser Gefühle geringer ein, denken seltener über Fragen der Religion nach, glauben seltener an ein Leben nach dem Tod und zeigen sich auch im religiösen Verhalten weniger aktiv: sie gehen seltener in die Kirche oder zu einem Schrein, sie beten seltener, und sie lesen auch seltener in der Bibel oder in religiösen Schriften. Wird dagegen nach der Konfessionszugehörigkeit unterschieden, so stellt sich heraus, daß die Studenten buddhistischen Glaubens ähnlich stark religiös sind wie die deutschen, christlichen Studenten und daß die Konfessionslosen beider Länder sich ebenfalls wenig in ihrer Religiosität unterscheiden. Tabelle 1 gibt hierzu einen Überblick. Hier und bei den weiteren Fragen wurden in der Regel fünfstufige Ratingskalen vorgelegt, wobei die niedrigste Ausprägung mit eins und die höchste mit fünf codiert ist. Tabelle 1: Indikatoren der Religiosität nach Konfessionszugehörigkeit 3 (Durchschnittswerte; 1 = niedrigste Ausprägung, 5 = höchste) Zu dem Bereich der normativen Einstellungen bezüglich der Religion wurden zwei Ansichten zur Beurteilung vorgelegt: "Letzten Endes enthalten alle Religionen dieselbe Botschaft" Vor dem Hintergrund der unterschiedlich starken Ausprägung der Religiosität in den beiden betrachteten Ländern ist eine größere Toleranz unter den japanischen Studenten zu erwarten, zumal die japanische Religionsgeschichte weniger durch Konfrontation zwischen den Glaubensrichtungen als durch eine Vermischung der religiösen Vorstellungen gekennzeichnet ist (vgl. Bellah, 1985: 59) . Die Antworten der japanischen Befragten drücken jedoch eine etwas geringere Zustimmung zu diesem Item aus als die der deutschen Befragten (2,8 für Japan und 3,1 für Deutschland; die Werte differieren kaum nach den Glaubensrichtungen innerhalb der Länder). Wir interpretieren dieses Ergebnis als einen Ausdruck für ein strengeres normatives Gefüge und für eine stärkere Traditionalität im Bereich der Normen innerhalb der japanischen Gesellschaft. Bei der Auswertung des Items "Der Glaube an Gott ist ein Ausdruck der Schwäche" muß berücksichtigt werden, daß der Buddhismus kein Gottesglaube ist 6 (vgl. Herbrechtsmeier, 1993) . Andererseits ist bei der Übersetzung, wie in Japan üblich, das Wort "Shinbutsu" für "Gott" verwendet worden, wobei "Shin" "Gott" und "Butsu" "Buddha" bedeutet. Das Item findet in Japan entschieden größeren Zuspruch als in Deutschland (im Durchschnitt 3,1 gegenüber 1,7), und es unterscheiden sich die Angaben der buddhistischen Studenten von den japanischen Konfessionslosen nur wenig, während in Deutschland die Konfessionslosigkeit 6 Nach den Ergebnissen des World Values Survey 1990-92 glauben lediglich 5 Prozent der japanischen Buddhisten an einen persönlichen Gott, wenn zusätzlich "Geist" und "Konfusion" angegeben werden können. Bei der Gesamtheit der Japaner sind es ebenfalls 5 Prozent gegenüber 27 Prozent der deutschen Befragten. Bei einer dichotomen Abfrage des Gottesglaubens antworten 65 Prozent der Japaner gegenüber 84 Prozent der Deutschen positiv. (Eigene Auswertung anhand des Datensatzes, der im Zentralarchiv unter der ICPSR-Nummer I6160 archiviert ist; die Verantwortung für die Verwendung der Daten liegt bei den Verfassern.) die Zustimmung zu der Aussage und damit die negative Haltung gegenüber dem Glauben vergrößert (von 1,5 auf 2,4). Vorstellungen über den Tod In einiger Ausführlichkeit soll im folgenden auf die Vorstellungen über den Tod und ein mögliches Leben danach eingegangen werden. Einen ersten Überblick gewährt uns die Frage danach, ob "mit dem Tod alles zuende" sei. Die Antwortverteilung hierzu wird in Tabelle 2 wiedergegeben. Kindheit erheben, die andere die heutigen. Die aktuelle Überzeugung erfragten wir nur von denjenigen, die die Filterfrage "Glauben Sie, daß mit dem Tod alles zuende ist?" negativ beantworteten. Bei der Analyse der aktuellen Vorstellungen fällt der geringe Unterschied zwischen den Studenten der beiden Länder auf. Die Vorstellung einer Wiedergeburt, erhoben durch die Aussage "Die Seele wird in einem neuen Körper wiedergeboren", wird von den Deutschen nur unwesentlich weniger vertreten als von den Japanern (3,0 gegenüber 3,2; nicht signifikant). Die auf den christlichen Glauben zielende Formulierung "Nach dem Tod gibt es ein Leben im Jenseits" erhielt von den japanischen Befragten sogar stärkeren Zuspruch als von den deutschen (3,6 zu 3,2; für die Buddhisten allein: 3,9), und dieses Verhältnis findet sich auch bei der Auswertung der Kindheitsvorstellungen wieder. Dafür wurde das Item "Nach dem Tod kommt man in den Himmel oder in die Hölle" formuliert. Mit einem Durchschnittswert von 3,9 wird diese Vorstellung von den japanischen Studenten vertreten, von ihren deutschen Kommilitonen dagegen mit einem Wert der Höhe 3,2. Bei der Rückbesinnung auf die Kindheit spielt der Wiedergeburtsgedanke bei den deutschen Befragten jedoch eine sehr untergeordnete Rolle: die Vorstellung "Nach dem Tod wird man sich in ein anderes Lebewesen verwandeln" wird von 86 Prozent abgelehnt; der Durchschnittswert lautet hier 1,4, für die Japaner jedoch 2,7. Ein anderes Ergebnis wurde dagegen im World Values Survey von 1990 erzielt. Bei der Vorgabe der Begriffe "resurrection" (Auferstehung) und "reincarnation" (Wiedergeburt) lautet der Anteil der Zustimmungen zum christlichen Item in Deutschland 43 Prozent und in Japan 11 Prozent, für das buddhistisch-hinduistische 26 Prozent in Deutschland und 50 Prozent in Japan. Durch die alleinige Berücksichtigung der Studenten ergeben sich keine grundsätzliche Änderungen, wobei freilich die geringe Fallzahl weitergehenden Analysen eine Grenze setzt (eigene Auswertung anhand des Datensatzes). Angesichts dieser Diskrepanz wird deutlich, daß eine Untersuchung darüber, wie die verwendeten Begriffe von den Befragten beider Länder verstanden werden, nötig ist. Das für die Kindheit vorgelegte Item "Mit dem Tod hört alles auf", dem die japanischen Studenten deutlich stärker zustimmen als die Deutschen, soll nun mit der Filterfrage "Mit dem Tod ist alles zuende", die sich auf die aktuellen Vorstellungen bezieht, verknüpft werden. Die stärkere Institutionalisierung der Glaubens in Deutschland legt einen engeren Zusammenhang für die deutschen Befragten nahe, der stärkere Prozeß der Säkularisierung hingegen einen schwächeren. In Tabelle 3 sind die Mittelwerte für die Kindheitsvorstellung differenziert nach der aktuellen Vorstellung und die Eta-Werte 7 wiedergegeben. Der Blick auf die Eta-Werte zeigt, daß der Zusammenhang zwischen den Vorstellungen zu den zwei verschiedenen Zeitpunkten vergleichsweise locker ist, und zwar in beiden Ländern gleichermaßen. Die Mittelwerte bewegen sich in Japan auf einem durchgängig höheren Ich habe Angst, was in dem Leben nach dem Tod passieren wird. 2,0 2,5 Ich werde meine Familie, meine Verwandten und Freunde und alles andere nicht mehr sehen können. 3,4 3,9 Meine Familie, meine Verwandten und meine Freunde werden trauern. 3,4 3,4 Alles, was ich geplant habe wird ein Ende finden. 2,7 3,5 Ich werde nicht mehr ich sein. 2,4 3,2 Die japanischen Befragten verbinden mit dem Tod mehr belastenden Vorstellungen als die deutschen Befragten. Unerwarteterweise wird die Differenz gerade bei dem Item, das die Bindung an die Familie widerspiegelt, so gering, daß sie sich erst in der zweiten Nachkommastelle niederschlägt. Betrachtet man die Höhe der Durchschnittswerte, so läßt sich sagen, daß es weit mehr die das Ende des diesseitigen Lebens ausdrückenden Aussagen als die Vorstellungen über die Zeit danach sind, die als belastend empfunden werden. Freiwilliges Lebensende Thematisch verwandt mit der Frage nach den Einstellungen zum Tod und einem Leben danach ist die Beendigung des Lebens aus eigenem Willen. Angesichts der einst hohen japanischen Selbstmordrate (vgl. Lindner-Braun, 1990: S. 375-377; Quinney, 1965: S. 402 ) stellt sich die Frage, ob sie sich bereits in der Einstellung zu einem möglichen Selbstmord wiederfindet. Zur Analyse der Selbstmordneigung wurden auf die Frage "Aus welchen Gründen könnten Sie sich dazu entscheiden, sich das Leben zu nehmen?" zehn Gründe vorgegeben. Die Einschätzung sollte auf einer in diesem Fall dreistufigen Skala ("könnte ich mir nicht /vielleicht/ sehr gut vorstellen") vorgenommen werden. Den Erwartungen entsprechend liegen die Werte für die japanischen Befragten in den meisten Fällen höher. Die in Deutschland befragten Studenten entschieden sich kaum jemals für eine andere Antwortkategorie als "könnte ich mir nicht vorstellen". Es gibt indessen Ausnahmen: Krankheit wird von den deutschen Studenten als Grund akzeptiert, sogar stärker als in Japan. Auch das Motiv "dem Atomkrieg zu entgehen" liegt den Deutschen näher. Fälle, in denen andererseits die japanischen Studenten eine Neigung zum Selbstmord kundtun, bei denen die Deutschen hingegen entschieden Nein sagen, bestätigen das Bild eines in der persönlichen Sphäre traditionellen Landes, in dem die Verankerung in der Familie stark und Ehre noch ein gelebtes Institut ist. Diese Items lauten: "um mich an jemandem zu rächen", "aufgrund eines Fehltritts, aus Scham" und "aufgrund eines Familienkonfliktes". Gesellschaftspolitische Einstellungen Die Analyse der gesellschaftspolitischen Einstellungen ist von der Annahme geleitet, daß die unterschiedliche Bedeutung des Religiösen und insbesondere dessen verschieden starke Institutionalisierung ihre Auswirkung auf den gesellschaftspolitischen Bereich hatDie.diesbezüglichen Einstellungen werden in Deutschland andereKovariate mit der Religiosität aufweisen als in Japan, und der Prozeß der Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Institutionen wird in den beiden Ländern unterschiedlich verlaufen sein. Darüber hinaus vermuten wir in Japan andere gesellschaftspolitische Mentalitäten als in Deutschland. Diese suchten wir durch die hypothetische Frage: "Wenn die Welt in Krieg und Chaos versinken würde, was täten Sie dann?" zu erfassen. Folgende Positionen wurden vorgegeben: Hedonismus, Aktion, Gebet an Gott, Apathie und Persistenz. In Tabelle 5 werden die Operationalisierungen dieser Konstrukte und ihre jeweiligen Mittelwerte der Fünferskala für die beiden Untersuchungsländer gezeigt. Tabelle 5: Handlungserwartungen bei Krieg und Chaos (Durchschnittswerte; 1 = geringste Zustimmung, 5 = höchste) Deutschland Japan Ich würde nur für den Augenblick leben und für mein momentanes Glück die Welt um mich herum vergessen. 3,0 3,1 Ich würde versuchen, die Welt zu verbessern, unter Umständen auch mit radikalen Mitteln. 3,2 2,7 Ich würde zu Gott beten, um aus dem Chaos gerettet zu werden. 2,3 2,4 Ich würde gar nichts unternehmen und mich im Strom treiben lassen. 1,9 3,4 Ich würde das tun, was ich immer tue. 2,3 3,4 Während die hedonistische Alternative den Studenten beider Länder gleichermaßen attraktiv scheint und die religiöse Vorgabe jeweils einen geringeren Zuspruch erhält, lassen sich Unterschiede auf der Dimension der Aktivität feststellen 8 . Der aktive Eingriff (Weltverbesserung) wird von den deutschen Studenten etwas häufiger in Erwägung gezogen als von den japanischen. Passivität dagegen ist für die deutschen Befragten kaum akzeptabel, für die Japaner hingegen die am stärksten präferierte Lösung. Man kann hierin einen Ausdruck des buddhistischen Glaubens sehen, doch wird der Effekt der Konfessionszugehörigkeit und die Stärke des Glaubens analysiert, so bleiben die erwarteten Effekte aus: Buddhisten lehnen die Weltverbesserung nicht stärker ab als die übrigen Japaner unserer Stichprobe, und mit zunehmender Religiosität sinkt auch nicht die Ablehnung. Im Vergleich zu den deutschen Befragten schätzen die Japaner die meisten der vorgelegten Problem als größer ein. Gleichwohl folgt daraus keine größere Bereitschaft zu einem eigenen Engagement -wie eben gesehen. Nur bei den Themen Rechtsradikalismus, Vereinsamung, Obdachlosigkeit und Umwelt zeigen sich die Deutschen besorgter, was freilich auch als Folge der Stichprobenkonstruktion gewertet werden kann. Was die Items "Sekten" und "Terrorismus" betrifft (sie laden beide auf demselben Kriminalitätsfaktor), so sei der Leser an die Giftgasanschläge in der U-Bahn von Tokio im März 1995, also drei Monate vor der Befragung, erinnert; sie wurden der Aoum-Sekte zugeschrieben. Damit dürften die entsprechenden Besorgnisse (vorübergehend?) gewachsen sein. An dieser Stelle soll eine kurze Reflexion über die Validität der Angaben eingeschoben werden. Zweifel gab es daran für den japanischen Teil der Studie, weil die Mittelwerte sehr häufig im mittleren Bereich zwischen 2,5 und 3,5 liegen und in der vorgehenden Abbildung beinahe durchgängig sehr hoch sind. Auch wird den Japanern unterstellt, daß sie selten, erst recht nicht in einer schriftlichen Befragung, ihre eigene Meinung offen darlegen. Wenn dem so wäre, und wenn sich die Verweigerung der Meinungskundgabe in einer Bevorzugung der Mittelkategorie niederschlüge, dann müßten die Standardabweichungen der japanischen Subgruppe in der Regel geringer sein als bei den Deutschen. Das ist hingegen nicht der Fall. Es halten sich die Anzahl größerer und kleinerer Varianzen die Waage; sie sind in Japan sogar häufiger größer, bezieht man auch die Fragen zur Selbstmordneigung ein. Wir weisen also aufgrund der Daten die ursprünglichen Zweifel zurück. Als Abschluß sollen die Analyseergebnisse für die Links-rechts-Selbsteinschätzung wiedergegeben werden. Im Durchschnitt sind die befragten deutschen Studenten stärker linksorientiert als die japanischen, doch sollte dieses Ergebnis aus zwei Gründen mit Mißtrauen betrachtet werden: zum einen wurden in Deutschland mehrheitlich Studenten der Soziologie befragt, die in einer Fächerkombination im Rahmen des Magisterstudienganges weiter links zu verorten sind als ihre Kommilitonen, die Soziologie in Verbindung mit einem Diplomstudiengang der Wirtschaftswissenschaften studieren (3,1 zu 4,3 auf der zehnstufigen Skala, wie sie in den ALLBUS-Umfragen Verwendung findet). Zum anderen kann aus der Tatsache, daß in Deutschland die Begriffe "links" und "rechts" vornehmlich über ihre Verbindung mit den politischen Parteien bestimmt werden können (vgl. Jagodzinski und Kühnel, 1994) , geschlossen werden, daß die Übertragung auf ein Land mit anderer Parteienlandschaft nicht ohne weiteres zulässig ist. Werden zur Unterstützung dieser These bivariate Korrelationen der Links-rechts-Skala mit den Einschätzungen gesellschaftspolitischer Problem berechnet, so erhält man den Befund, daß in Deutschland 13 von 22 Korrelationen, in Japan jedoch nur Glaube an Gott ist ein Ausdruck der Schwäche". Mit dem ersten Item soll die Offenheit und Toleranz gegenüber selbst nicht vertretenen Glaubenssystemen gemessen werden, mit dem zweiten die Ablehnung von Religiosität in der Form des Gottesglaubens. Öfter als in Deutschland wird von japanischer Seite die Kategorie "Darüber habe ich keine Vorstellung" gewählt, was auf die geringere institutionelle und inhaltliche Verfestigung der japanischen Glaubensrichtungen zurückgeführt werden kann. Eine ähnliche Orientierungslosigkeit läßt sich aber auch für die Protestanten in Deutschland feststellen, wenn man ihre Antworten zu den Angaben der buddhistischen Befragten in Beziehung setzt. Bei diesem Vergleich berichtet sogar ein höherer Anteil der Buddhisten als der Protestanten, daß nach ihrer Vorstellung mit dem Tod nicht alles zuende sei. Diese Auffassung wird sonst von den deutschen Befragten seltener vertreten als von den japanischen.Dieses Ergebnis kann in einen Zusammenhang gestellt werden mit der von Stark und Bainbridge(1987) formulierten These, daß jeder Mensch ein unabweisbares Bedürfnis nach Transzendenz habe, um sein Leid und das Ende seines irdischen Lebens verarbeiten zu können. Soweit durch das Instrumentarium der quantitativ-empirischen Sozialforschung faßbar, ergibt sich in Japan ein noch geringerer Anteil derjenigen, die an ein jenseitiges Leben glauben. Damit sieht man auch die Grenze des Säkularisierungsvorganges noch weiter herabgesetzt. Tabelle 2: Ist mit dem Tod alles zuende? (Zeilenprozente; nach Konfessionszugehörigkeit) alles zu- nicht alles zuen- keine Vorstel- ende de lung Japan: insgesamt 24,0 39,9 36,1 Deutschland: insgesamt 22,9 54,7 22,4 Japan: Buddhisten 18,6 53,5 27,9 Deutschland: Katholiken 14,8 63,0 22,2 Deutschland: Protestanten 26,1 46,4 27,5 Japan: Konfessionslose 25,0 35,3 39,7 Deutschland: Konfessionslose 41,2 44,1 14,7 Für die Vorstellungen über ein Leben nach dem Tod kann auf die Angaben zu zwei Frage- batterien zurückgegriffen werden. Die eine Itemsammlung soll die Vorstellungen in der Korrelate mit der Religiosität ergeben sich für die Haltung der Apathie und der Aktion, wobei Apathie in beiden Ländern mit zunehmender Religiosität abnimmt. Die Aktion wird in Japan durch Religiosität begünstigt, in Deutschland hingegen gehindert. Die Religiosität hat somit eine differentielle Wirkung auf die Bereitschaft zum persönlichen Engagement.Mit Abbildung 2 wollen wir uns einen Überblick über die zwischen den beiden Populationen differierenden Einschätzungen gesellschaftspolitischer Probleme verschaffen. Die Einordnung als großes Problem soll dabei nicht allein als Betroffenheit sondern auch als Indikator für eine damit verbundene Wertorientierung verstanden werden. Abbildung 2: Die Größe gesellschaftspolitischer Probleme (Mittelwerte; 1 = niedrigste Ausprägung, 5 = höchste) Belastung und Gefähdung der Umwelt und Natur Arbeitslosigkeit Rechtsradikalismus Vereinsamung und Entfremdung zw. den Menschen Rapides Bevölkerungswachstum in der 3. Welt Sicherung/Gefährdung der Renten Obdachlosigkeit Stromerzeugung aus Kernenergie Organisierte Kriminalität Verknappung von Rohstoffen und Energie AIDS Deutschland Staatsverschuldung Japan Kriminalität Zunehmender Einsatz von Gentechnik wirtschaftliche Situation in Deutschland/Japan Ausbreitun von neuen Religionen und Sekten Rauschgiftkriminalität Zunehmende Kontrolle der Bürger durch den Staat Terrorismus Geburtenrückgang Asylbewerber Die in Deutschland/Japan lebenden Ausländer 0 1 2 3 4 5 Einen Hinweis auf die Richtigkeit der These von dem Einfluß der Religion auf die Konstituierung des politischen Bereiches kann durch einen Vergleich der Antwortmuster gegeben werden. Dies soll mit Hilfe von für beide Länder getrennt gerechnete Hauptkomponentenanalysen untersucht werden. Es zeigt sich, daß es auf einen einheitlichen Kriminalitätsfaktor mehr kaum Übereinstimmmungen gibt. Beispielsweise wird von den japanischen Befragten Obdachlosigkeit ähnlich beurteilt wie AIDS und Rauschgiftkriminalität, in Deutschland hingegen wie die wirtschaftliche Situation und die Arbeitslosigkeit. Lädt in Deutschland die Gentechnik auf demselben Faktor wie die Kontrolle durch den Staat, so hat sie in Japan eine ähnliche Bedeutung wie das Bevölkerungswachstum in der Dritten Welt. Des weiteren geben die Daten einen Hinweis darauf, daß die Besorgnisse bezüglich der Umwelt und der wirtschaftlichen Situation in Japan positiv miteinander verknüpft (r = .28), in Deutschland dagegen voneinander unabhängig sind. Für die Beziehung zwischen Umweltbewußtsein und Religiosität (vor kurzem von Andrew Greely, 1993, mit dem Ergebnis einer bei der Kontrolle soziodemographischer Variablen verschwindenden negativen Korrelation untersucht) ist für beide Länder eine bivariate Korrelation nahe Null festzustellen. In Japan verbleibt nur eine signifikante Korrelation mit der Religiosität, nämlich für das Sekten-Item. Dagegen hat die Religiosität in Deutschland für mehrere Probleme eine Bedeutung. Das sind Kriminalität und Rauschgiftkriminalität, Vereinsamung, Wirtschaft und Geburtenrückgang. Es bestätigt sich somit die Annahme einer unterschiedlichen Strukturierung der Problemfelder. Wir danken Wolfgang Jagodzinski, Ingwer Borg, Magrit Rexroth und Michael Häder für Hinweise und Anregungen zu der Erstellung des Fragebogens. Der komplette Datensatz wird im Zentralarchiv für weitere Nutzer verfügbar sein. Die Frageformulierungen lauten: "Als wie religiös würden Sie sich selbst beschreiben?" ("nicht religiös" bis "tief religiös") "Unabhängig davon, ob Sie sich einer Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen oder nicht, wie wichtig sind für Sie selbst religiöse Gefühle?" ("nicht wichtig" bis "sehr wichtig") "Wie häufig denken Sie über Fragen der Religion nach?" ("nie" bis "sehr häufig"). Die beiden großen Religionsgemeinschaften Japans reklamieren beide jeweils etwa 80 Prozent der japanischen Bevölkerung für sich(vgl. Kreiner, 1986: S. 390f.).5 Bei dem letztgenannten Item wurden in der Fragestellung Berge, Flüsse, Wiesen und Bäume aufgezählt. Günstiger wäre vermutlich eine Trennung in die belebte und die unbelebte Natur gewesen, so daß die Befragten, die Pflanzen eine Seele zuschreiben, von denen getrennt werden können, die die ganze Natur als beseelt bezeichnen. Eta mißt die Stärke des Zusammenhanges zwischen einer metrischen und einer nominalskalierten Variablen und kann wie der Pearsonsche Punkt-Moment-Korrelationskoeffizient interpretiert werden. Hauptkomponentenanalysen bestätigen die Annahme eines Aktivitätsfaktors (mit negativer Ladung des Weltverbesserungs-Items). sechs signifikant sind, trotz des mehr als dreimal so großen Umfanges der japanischen Stichprobe 9 . Resümee Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß sich die Strukturen der religiösen und politischen Mentalitäten zwischen den japanischen und den deutschen Studenten auf vielfältige Weise unterscheiden. Japanische Studenten können als weniger religiös bezeichnet werden, doch gilt das nicht zugleich für jede Ausprägung eines mythischen Naturerlebens. Die Vorstellung von einem Leben im Jenseits ist bei den deutschen Studenten nicht stärker verankert als bei den japanischen. Größere Sensibilitäten gibt es unter den japanischen Befragten sowohl bei den Besorgnissen bezüglich des eigenen Todes als auch im Bereich der gesellschaftspolitischen Probleme, deren Struktur von der in Deutschland festgestellten abweicht. Die Daten sprechen schließlich für eine geringere Bereitschaft der japanischen Seite, sich für politische Probleme zu engagieren. Kreiner, Josef, 1986 Religion in Japan. S. 378-392 in: Manfred Pohl (Hrsg.), 1986: Japan: Geographie -Geschichte -Kultur -Religion -Staat -Gesellschaft -Bildungswesen -Politik -Wirtschaft. Stuttgart: Thienemann.
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