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www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 In diesem Beitrag wird der Zusammenhang zwischen den Einstellungen der europäischen Bevölkerung zur Demokratie und der politischen Geschichte, dem politischen System sowie dem sozioökonomischen Entwicklungsniveau der jeweiligen Länder untersucht. Für diesen Zweck wurden die Bewertungen von vier politischen Regierungsformen -der Demokratie, der Expertenregierung, der Regierung eines starken Führers sowie der Armeeregierungherangezogen und analysiert. Datengrundlage ist der World Values Survey (WVS) der Jahre 1999 und 2000. Die Analyse ergibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Einstellungen und den Ländercharakteristika. Im Besonderen zeigt sich, dass nicht oder weniger demokratische Haltungen in weniger entwickelten Regionen und Ländern häufiger vertreten sind. Demokratische Einstellungen variieren vor allem zwischen den Ländern und weniger innerhalb der Staaten -sie hängen eher von der Absenz eines autoritären Regimes in der jüngeren Vergangenheit als vom sozioökonomischen Entwicklungsniveau ab. Betrachtet man die politischen Veränderungen im vergangenen Jahrhundert, so lässt sich dieses wohl als das Jahrhundert der Demokratisierung bezeichnen. In Europa brachte der Zusammenbruch des kommunistischen Systems eine wahre Demokratisierungswelle ins Demokratisierungsprozesse werden unterschiedlich analysiert und erklärt . Politikwissenschaftliche Betrachtungen versuchen vor allem den Zusammenhang von Transformationen wie etwa einer Demokratisierung der Regierungssysteme mit anderen sozioökonomischen Makromerkmalen wie dem Wohlstandsniveau oder dem Vorhandensein eines Mittelstandes zu analysieren. Ursprünglich wurde von vielen Wissenschaftern ein Zusammenhang von sozioökonomischem Modernisierungsniveau -wie etwa Wirtschaftsniveau oder dem Ausbildungsgrad der Bevölkerung -und Demokratisierung angenommen . Neuere Forschungen zeigen aber, dass d ie Transformationen zu Demokratien auf unterschiedlichen sozioökonomischen Niveaus stattfinden . Neben den sozioökonomischen Veränderungen sind oftmals auch externe Akteure dafür verantwortlich, Demokratisierungsprozesse in Gang zu setzen und zu institutionalisieren. Einen guten theoretischen Hintergrund für solche Prozesse liefert der Ansatz der »World Society« , der davon ausgeht, dass sich bestimmte Standardmodelle der inhaltlichen und formalen Organisation von Staaten (etwa die Art und inhaltlichen Kompetenzbereiche von Ministerien), von Regierungsformen, aber auch z. B. von Ausbildungssystemen (etwa das Bakkalaureatsstudium) weltweit verbreiten. Demokratie ist ein solches Modell bzw. »Standardskript«, und die vor Ort wirkenden Akteure können im Sinne dieses Ansatzes als Agenten dieser World Society gesehen werden. Im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweise wäre diese Diskussion aber um eine weitere Dimension zu erweitern, und zwar um die Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung. Politikwissenschaftliche Studien demonstrieren, dass demokratische Haltungen sehr weit verbreitet sind und dass eine Demokratie fast überall von einer Mehrheit der Bevölkerung als die optimale Regierungsform bezeichnet wird . Wie in diesem Beitrag gezeigt wird, hängt diese Bewertung aber wesentlich mit der Methodik zusammen. Betrachtet man die gleichzeitige Bewertung verschiedener Regierungsformen, etwa ob jemand sowohl die Demokratie als auch weniger demokratische Formen befürwortet, ergibt sich ein weitaus differenzierteres Bild. In Bezug auf das politische »Kopenhagener Kriterium« stellt sich die Frage, ob die EuropäerInnen ebenfalls überzeugte AnhängerInnen der Demokratie sind, ob sie sich auch andere Regime vorstellen können und welche Faktoren das Vorhandensein demokratischer Orientierungen begünstigen. Die Forschungsfrage dieses Beitrags ist, ob sich ein Zusammenhang zwischen den Einstellungen der Bevölkerung zur Demokratie und der politischen Geschichte, dem politischen System sowie Modernisierungsprozessen des jeweiligen Landes ausmachen lässt. Dabei wird unter Berücksichtigung von regionalen Unterschieden auch die relative Bedeutung innerstaatlicher sozioökonomischer Disparitäten für die politischen Einstellungen untersucht. Eine solche umfassende Fragestellung kann hier nicht in ihrer vollen Tragweite behandelt werden. Aus diesem Grund beschränken sich die Interpretationen auf südosteuropäische Länder sowie auf Griechenland, Portugal und Spanien, die in den 1970 er-Jahren eine Demokratisierung erfahren haben. Die Tabellen und die Abbildung umfassen hingegen alle europäischen Staaten. Im folgenden Abschnitt wird der theoretische Rahmen erläutert, danach werden in Kapitel 3 das empirische Datenmaterial sowie die Analysemethoden besprochen. Im vierten Teil werden die Ergebnisse präsentiert und anschließend in Kapitel 5 diskutiert. Modernisierungstheorien befassen sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen, die traditionelle auf dem Weg zu modernen Gesellschaften durchlaufen . Die klassische Studie von Daniel sieht Urbanisierung, Alphabetisierung, steigenden Medienkonsum sowie höhere ökonomische Beteiligung im Sinne einer Erwerbstätigkeit sowie schließlich politische Beteiligung als aufeinander folgende Schritte der Modernisierung an. Lange Zeit galt als wesentliche Annahme, dass eine Entwicklung zu einem höheren sozioökonomischen Niveau ab einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Demokratisierung führen werde . Gestützt wurde Lipsets Annahme dadurch, dass er in Ländervergleichen eine starke Korrelation zwischen diesen beiden Faktoren feststellte. Neuere Forschungen weisen aber auf das Problem hin, dass in diesen Untersuchungen die Bestandsdauer der Demokratie nicht berücksichtigt wurde. Betrachtet man die Entstehung und Entwicklung neuer Demokratien, so kann kein genereller Zusammenhang mit dem ökonomischen Niveau bzw. mit seiner Veränderung gefunden werden. Transformationen in Richtung Demokratie finden sowohl bei hohem und bei niedrigem Niveau als auch während ökonomisch prosperierender Phasen und Rezessionen statt . McFaul analysiert in dieser Hinsicht den Durchbruch der Demokratie in Serbien im Jahr 2000, in Georgien 2003 und in der Ukraine 2004 nach John Stuarts Mills Methode der Ähnlichkeit. Demnach müsste ein Faktor in allen Ländern präsent sein, damit er als notwendig für den Demokratisierungsprozess erachtet wird. Die Ukraine verzeichnete während der Transformation zur Demokratie ein wirtschaftliches Wachstum, während Serbien und Georgien ökonomisch harte Zeiten durchzustehen hatten. Gemeinsame Faktoren waren hingegen ein semi-autokratisches Regime, ein unpopulärer Machtinhaber, eine geeinte Opposition, das schnelle Aufzeigen umfangreicher Wahlmanipulationen, unabhängige Medien, Massenproteste sowie Uneinigkeit in den Militärkräften. Immerhin zeigen Forschungen, dass sich das sozioökonomische Niveau zumindest auf den Erfolg und die Dauerhaftigkeit einer Demokratisierung auswirkt Es ist wohlbekannt, dass bei den Transformationsprozessen in Osteuropa unzählige externe Akteure wie z. B. verschiedene internationale Regierungsbeauftragte, aber auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mitwirkten . Gemeinsames Ziel dieser Interventionen war es, die Demokratisierung zu unterstützen und erfolgreich umzusetzen. Die Implementierung des Prinzips »Demokratie« ist aus der Sicht der World Society Thesis Teil der weltweiten Expansion ähnlicher Prinzipien ausrichten. Der Bologna-Prozess -eine im Jahr 1998 von BildungsministerInnen aus 29 europäischen Ländern unterzeichnete und seither recht erfolgreiche Erklärung zur Harmonisierung des europäischen Hochschulraumes -kann hierfür als Beispiel gelten, da auch dieser Prozess als eher formlose Initiative in den frühen 1990 er-Jahren begann. Es wird ersichtlich, dass sich die Bildungslandschaft innerhalb Europas immer mehr angleicht, indem von ExpertInnen als positiv bewertete Grundstrukturen übernommen und in der Praxis umgesetzt werden. Beide Ansätze -jener der Modernisierungstheorie wie jener des Neuen Institutionalismus -gehen davon aus, dass auch individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen durch Modernisierungsprozesse bzw. durch Institutionen geprägt werden. Offen bleibt die Frage, ob und in welcher Form die institutionellen und modernisierungsrelevanten Merkmale der Makroebene individuelle Einstellungen beeinflussen. hält in dieser Hinsicht fest, dass auf lange Sicht und mit einer kleinen Verzögerung die Einstellungen und Werthaltungen der Menschen das widerspiegeln, was sie tatsächlich vorfinden. Wenn man nun demokratischen Prozessen ausgesetzt ist und diese beobachtet bzw. selbst von demokratischen Rechten Gebrauch macht, so kann man einen Lernprozess in dem Sinne annehmen, dass Individuen auch demokratischere Werthaltungen ausbilden . Sowohl die Modernisierungstheorie als auch der Neue Institutionalismus teilen ähnliche Annahmen im Hinblick auf die Individuen. Beide Ansätze charakterisieren besser ausgebildete und verdienende, in Städten wohnende Individuen als jene Personen, die von den postmaterialistischen Haltungen bzw. »internationalen Skripts« besonders geprägt und erfasst werden. Laut Inglehart haben diese Personen keine existenziellen materiellen Sorgen, sind somit offen für postmaterialistische Werthaltungen und gleichzeitig toleranter und demokratiefreundlicher. Nach der Institutionentheorie sind diese Personen stärker internationalen Skripts ausgesetzt. »Skripts« bezeichnen dabei die Inhalte dieser weltweit voranschreitenden Prinzipien. Derartige Skripts werden etwa über Ausbildungssysteme oder das Berufsleben vermittelt. Personen in höheren beruflichen Positionen bzw. mit höherem Bildungsniveau sind stärker von diesen internationalen Entwicklungen betroffen bzw. sogar direkt mit deren Implementierung befasst : So ist etwa die Beschäftigung mit allgemeinen Menschenrechten viel eher Teil des Lehrplans im Rahmen einer höheren Schulausbildung als im Rahmen einer Grundschule. Für unsere Fragestellung lässt sich folgende Annahme formulieren. Demokratische Haltungen sollten vor allem in Ländern mit einer längeren demokratischen Geschichte, geringeren autoritären Erfahrungen sowie mit höherem sozioökonomischen Niveau anzutreffen sein. Beim sozioökonomischen Niveau sollte es auch regionale Unterschiede geben, und zwar insofern, als in ökonomisch benachteiligten Gebieten die Bevölkerung weniger demokratisch eingestellt ist. Stärker demokratisch orientiert sollten vor allem die höher gebildeten, ökonomisch besser gestellten sowie in urbanen Regionen wohnenden Personen sein. Die »weiß nicht«-Kategorie wurde -auch um die Anzahl der gültigen Fälle hoch zu halten -als Mittelkategorie verwendet. Gestützt wird diese Vorgangsweise durch Analysen mit anderen Items, die ergaben, dass jene Personen, die mit »weiß nicht« antworteten, bei anderen politischen Fragen eine mittlere Zustimmung gezeigt hatten. Für weitere Analysen wurden das Alter, das Geschlecht, die Schulbildung, die Größe des Wohnortes sowie das Berufsprestige als erklärende Variablen herangezogen. Die Befragten wurden in sechs Altersgruppen eingeteilt Jahre sowie 65 Jahre und älter), das Geschlecht als dichotome Variable mit 1 männlich und 2 weiblich aufgenommen. Das Ausbildungsniveau wurde in acht Stufen erfasst, wobei 1 für keinen formalen Schulabschluss und 8 für einen universitären Abschluss steht. Der Wohnort wurde ebenfalls als achtstufige Variable berücksichtigt -hier steht 1 für einen Ort mit weniger als 2.000 und 8 für eine Stadt mit mehr als 500.000 EinwohnerInnen. Der Berufsstatus wurde mit dem »ISEI prestige score« gemessen mittleren Scores errechnet. Diese Scores sind dann in der ISEI-Skala für alle Berufsgruppen erfasst. In der vorliegenden Arbeit wurde den erwerbstätigen Personen der Score ihres Berufs zugewiesen, den ehemals Erwerbstätigen der Score ihres letzten Berufs und den überhaupt nie erwerbstätig gewesenen Befragten der Score des oder der Hauptverdienenden in ihrem Haushalt. Ausschlaggebend dafür war die inhaltliche Überlegung, dass Menschen durch ihr unmittelbares, persönliches Umfeld wesentlich in ihren Einstellungen geprägt werden. Die Erfahrungen, die der oder die Hauptverdienende im Berufsleben sammelt, und die dabei vermittelten Einstellungen dürften sich somit auch auf die anderen Haushaltsmitglieder auswirken. Das Einkommen konnte nicht berücksichtigt werden, da es in zu wenigen Ländern erhoben wurde. Im Folgenden wird zunächst das Ergebnis einer latenten Klassenanalyse interpretiert. Der Grundgedanke dieser Analysemethode ist, dass die Antworten der Befragten auf bestimmte Fragen Ausdruck eines latenten und somit nicht direkt beobachtbaren Einstellungsmusters sind. In unserem Fall bedeutet das, dass die Bewertung der vier politischen Regime eine bestimmte Grundhaltung der Befragten ausdrückt. Diese Analysemethode versucht also die latenten Einstellungsmuster aufzudecken und kann die einzelnen Befragten in einem zweiten Schritt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit den einzelnen latenten Populationen zuweisen . In unserem Beispiel wurden die Klassen zusätzlich als von den individuellen Eigenschaften Alter, Geschlecht, Schulbildung, Berufsstatus und Wohnortgröße abhängig definiert. Das Ergebnis dieser Analyse sind somit mehrere Gruppen mit ähnlichen politischen Grundeinstellungen. Mit den Anteilen der einzelnen Gruppen in den verschiedenen Ländern wurde des Weiteren eine Korrespondenzanalyse durchgeführt (siehe dazu Blasius 2000, Gasser-Steiner 2005). Dieses Verfahren versucht, die Information einer Tabelle auf dahinter liegende Dimensionen zu untersuchen. Die Eingabematrix ist eine einfache Tabelle, somit können auch nominale Daten (wie etwa Berufsgruppen) analysiert werden. Die Korrespondenzanalyse kann deshalb als Faktorenanalyse für nominale Daten verstanden werden. Die extrahierten Dimensionen werden als latent angesehen und die konkreten Ausprägungen in den Zellen als von diesen latenten Dimensionen bestimmt. Die Anzahl der Dimensionen wird ähnlich wie bei der Faktorenanalyse bestimmt, z. B. über ein Eigenwertkriterium, indem nur jene Faktoren herangezogen werden, die die Varianz von mehr als einer Variable erklären können. Zusätzlich wird für jede latente Dimension angegeben, wie viel Prozent der Variation des Gesamtmodells durch diese eine Dimension bestimmt werden. Ein besonderer Vorteil dieser Methode ist die grafische Darstellung. Dabei muss die Lage der einzelnen Punkte immer in Relation zu den beiden Hauptachsen gelesen werden -die Punkte werden dazu normal auf die Hauptachsen projiziert und nachfolgend die Abstände interpretiert (siehe dazu die Interpretation von Abbildung 1, S. 77). In einem weiteren Analyseschritt wurde die Zugehörigkeit der Individuen zu einer der latenten Klassen mittels Mehrebenenanalysen untersucht . Mehrebenenanalysen sind Regressionsanalysen, die eine hierarchische Struktur in den Daten explizit berücksichtigen und die Effekte des Kontextes (u. a. Land, Region) sowie der individuellen Eigenschaften (wie etwa Bildung und Alter) genauer schätzen. In diesem Beitrag werden drei Ebenen berücksichtigt, und zwar die nationale, die regionale sowie die individuelle Ebene. Es werden aber nur die Ergebnisse eines Nullmodells tabellarisch präsentiert. In einem solchen Modell sind noch keine erklärenden Regressionsvariablen enthalten und es entspricht mehr oder weniger einer Varianzanalyse. In unserer Analyse steht die Varianz für die unterschiedlichen Häufigkeiten der einzelnen Gruppen in den drei Ebenen : Auf Länderebene wird sie aus den Unterschieden zwischen den Anteilen der einzelnen Gruppen in den einzelnen Ländern errechnet, auf Regionsebene basiert sie auf den unterschiedlichen durchschnittlichen Anteilen der Gruppen in den Regionen, und auf individueller Ebene entspricht sie der Varianz aus Mitglied bzw. Nichtmitglied einer Gruppe. Ist die Varianz signifikant, so bedeutet dies, dass die betreffende Gruppe in der entsprechenden Ebene sehr unterschiedlich verteilt ist (z. B. in einigen Regionen große, in anderen nur kleine Anteile). In weiteren Schritten kann man mittels Regressionsmodellen Merkmale der Individuen, der Regionen sowie der Länder aufnehmen und untersuchen, welchen Einfluss sie auf die individuelle Zugehörigkeit zu einer Klasse haben. Wie bei allen Regressionsanalysen ist es das Ziel, einen möglichst großen Anteil der Varianz mit möglichst wenigen Variablen zu erklären. Betrachten wir zunächst die Einstellungen der Befragten zu den unterschiedlichen politischen Regierungsformen. Eine einfache Häufigkeitsauszählung der Daten des World Values Survey für alle europäischen Länder ergibt, dass die Demokratie von 84 Prozent der Befragten als sehr gut bzw. ziemlich gut erachtet wird, ein starker Führer von 25 Prozent, Experten von 53 Prozent sowie die Armeeregierung von 7 Prozent. Es gibt also eine klare Präferenz für die Demokratie. Unsere Annahme war aber, dass nur eine gleichzeitige Berücksichtigung der Einstellungen eines Individuums gegenüber allen vier Regimes ein adäquates Ergebnis liefert. Zu diesem Zweck wurde mit den Bewertungen der unterschiedlichen Systeme eine latente Klassenanalyse durchgeführt, wobei die Klassenzugehörigkeit zusätzlich von den individuellen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bildung, Berufsstatus sowie Wohnortgröße abhängig gemacht wurde. Es konnten fünf unterschiedliche Gruppen identifiziert werden (siehe Tabelle 1, S. 73). Die erste Klasse umfasst rund 10 Prozent der Befragten und sieht alle vier Regierungsformen als einigermaßen akzeptabel an. Dass diese Gruppe auch die Armeeregierung als akzeptabel erachtet, ist ein Charakteristikum, das sie deutlich von den anderen Klassen unterscheidet. Betrachtet man die soziodemografischen Merkmale dieser Gruppe, so fallen der niedrige Berufsstatus sowie die unterdurchschnittliche Ausbildung auf. Des Weiteren ist diese Gruppe etwas älter als der Durchschnitt, überwiegend weiblich (58 Prozent im Vergleich zum Gesamtschnitt von 53 Prozent) und lebt in eher kleinen Gemeinden. Die zweite Klasse zeichnet sich durch eine Präferenz für »Demokratie und Experten« aus. Befragten. Hinsichtlich ihrer sozialen Charakteristika kann sie als eher höher gebildet, eher jung, mit einem Berufsstatus leicht unter dem Schnitt der Gesamtstichprobe sowie als in eher kleineren Gemeinden wohnhaft beschrieben werden. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig vertreten. Die dritte Klasse umfasst nur rund 2 Prozent der Befragten und zeichnet sich dadurch aus, dass »starke Führer und Experten« als bevorzugtes Regime genannt werden. Diese Gruppe kann als eher niedrig ausgebildet sowie mit einem niedrigen Berufsstatus charakterisiert werden. Weiters sind diese Personen jünger als der Schnitt der Gesamtstichprobe und sie leben in eher kleineren Gemeinden. Männer und Frauen sind -wie in Gruppe zwei -annähernd gleichmäßig verteilt. Die vierte Klasse ist die größte Gruppe und umfasst rund 63 Prozent der Befragten. Diese Personen haben die stärkste Präferenz für die Demokratie. Sie zeichnen sich durch ein hohes Ausbildungsniveau und einen höheren Berufsstatus aus und leben in etwas größeren Orten als der Schnitt der Gesamtstichprobe. Sowohl die Geschlechterverteilung als auch das durchschnittliche Alter entsprechen der Gesamtstichprobe. Die fünfte Klasse kann als »indifferent« bezeichnet werden -es gibt keine Präferenz für eine der vier Regierungsformen. Diese Gruppe umfasst rund 5 Prozent der Befragten, die einen eher geringen Berufsstatus und eine unterdurchschnittliche Bildung haben. Darüber hinaus leben sie in eher kleinen Gemeinden, sind überdurchschnittlich alt und überwiegend weiblich. In Kapitel 2 wurde herausgearbeitet, dass sowohl modernisierungstheoretische Ansätze als auch die Institutionentheorie erwarten lassen, dass besser gebildete und beruflich höher gestellte Individuen sowie urbane Bevölkerungsgruppen stärker demokratisch orientiert sind. Versucht man die fünf Klassen nach dem Grad ihrer Befürwortung von Demokratie zu ordnen, so liegt folgende Reihung nahe : Klasse 4 »Demokratie« zeigt die eindeutigsten und stärksten demokratischen Haltungen. Klasse 2 »Demokratie und Experten« folgt an zweiter Stelle. An dritter Stelle folgt jene Gruppe, die »alle Regime« als gut erachtet, da sie -im Gegensatz zu den beiden verbleibendenauch die Demokratie als gut bewertet. Jene Gruppe, die »starke Führer und Experten« als optimales Regierungssystem ansieht, ist wohl am wenigsten demokratisch orientiert. Die Gruppe ohne klare Präferenzen kann weder als demokratisch noch als nicht demokratisch bezeichnet werden -die adäquate Bezeichnung wäre wohl apolitisch. Betrachtet man nun die soziodemografischen Merkmale, so lässt sich der oben formulierte Zusammenhang wohl eindeutig bestätigen -die demokratischen Gruppen sind eindeutig höher gebildet, haben einen höheren Berufsstatus und leben in urbanen Gebieten. Auffallend sind die Geschlechterunterschiede bei den Indifferenten und bei jenen Personen, die alle Regime präferieren und somit eigentlich auch indifferent sind. Frauen sind in beiden Gruppen häufiger zu finden. Dies deckt sich mit anderen Befunden hinsichtlich politischer Einstellungen . Mögliche Ursachen für diesen Unterschied zwischen Männern und Frauen sind etwa eine unterschiedlich intensive Einbindung in das politische Leben und eine geschlechtsspezifische Sozialisation. Hinsichtlich des Alters wäre zu erwarten gewesen, dass jüngere Personen stärkere demokratische Orientierungen haben. Es zeigt sich aber, dass jene Befragten mit dem niedrigsten Altersschnitt nicht unbedingt zu den am stärksten demokratischen Personen zählen. Für die Zugehörigkeit zur Gruppe der DemokratInnen sind die Höhe der Ausbildung sowie des Berufsstatus relevant -die Werte liegen hier jeweils über dem Gesamtschnitt der Befragten. Das Berufsprestige der Personen, die »Demokratie und Experten« befürworten, ist höher als jenes der Gruppe, die »starke Führer und Experten« präferiert. Somit sind unsere Annahmen zumindest in dieser Hinsicht bekräftigt worden. Nachdem wir im vorigen Abschnitt die sozialen Charakteristika der einzelnen Gruppen betrachtet haben, wenden wir uns nun ihren Anteilen in den verschiedenen Ländern zu (siehe Tabelle 2, S. 75). Die Länder sind nach den Anteilen der »Demokratie«- mit den Anteilen der fünf Gruppen in den einzelnen Ländern eine Korrespondenzanalyse durchgeführt, um mögliche, dahinter liegende Dimensionen aufzudecken. Es konnten vier Faktoren extrahiert werden, wobei Achse 1 vor allem durch die Merkmale »alle Regime« und »Demokratie« bestimmt ist, Achse 2 durch »alle Regime« und »indifferent«, Achse 3 durch die Merkmale »Demokratie und Experten« sowie »indifferent« und Achse 4 schließlich durch »starke Führer und Experten« mit allen anderen vier Gruppen als Gegenpol. Diese vier Achsen bzw. Dimensionen erklären das Gesamtmodell mit Anteilen von 76, 11, 10 und 3 Prozent. Die erste Achse leistet also den größten Beitrag. Abbildung 1 (S. 77) zeigt die beiden ersten Dimensionen. Man sieht deutlich, dass die westeuropäischen Länder bis auf wenige Ausnahmen in der linken Hälfte des Diagramms zu finden sind und somit große Anteile an DemokratInnen aufweisen. In der rechten Hälfte sind hingegen die ehemaligen kommunistischen Länder konzentriert. Eine wesentliche Differenzierung zwischen diesen beiden Ländergruppen kann also entlang der Demokratie-Achse und im Hinblick auf den Anteil demokratisch eingestellter Personen erfolgen. Die kleinen Anteile der demokratischen Gruppe in den postkommunistischen Ländern dürften vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen sein : Zum einen auf das politische Erbe und die Nachwirkungen des kommunistischen Regimes auf die Werthaltungsebene und zum anderen auf das eher niedrige ökonomische Niveau. Nichtsdestotrotz gibt es einige interessante Ausnahmen vom zuvor genannten Zusammenhang : Innerhalb der ehemals kommunistischen Länder fallen besonders Slowenien und die Tschechische Republik mit einem großen Anteil an De-mokratInnen auf. In diesem Zusammenhang ist relevant, dass unter den postkommunistischen Ländern einzig die Tschechische Republik substanzielle Erfahrungen mit Demokratie in der vorsozialistischen Zeit hatte und dass die tschechische politische Kultur als besonders demokratiefreundlich bezeichnet wird . Die Tschechische Republik kann also als Sonderfall gelten. Slowenien andererseits zeichnet sich im Vergleich mit den anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens durch vielfältige positive wirtschaftliche und politische Entwicklungen aus, wie wir später noch genauer sehen werden. Betrachtet man Abbildung 1, so fällt auf, dass fast alle westeuropäischen Länder relativ nahe der horizontalen Achse liegen, während die ehemaligen kommunistischen Staaten stärker um diese streuen. Das bedeutet, dass sich die westeuropäischen Länder hinsichtlich ihrer Position auf der vertikalen zweiten Achse »alle Regime« und »indifferent« nur wenig unterscheiden -sie weisen somit bei den Anteilen der dazugehörigen Gruppen durchschnittliche Häufigkeiten auf. Die postkommunistischen Länder sind in Bezug auf diese Dimension heterogener verteilt als die westeuropäischen Staaten. In diesen Ländern unterscheiden sich die Anteile der Individuen ohne Präferenz für ein bestimmtes Regierungssystem stärker von jenen, die »alle Regime« für gut befinden und somit auch eine Armeeregierung begrüßen. So liegen Mazedonien, Albanien und Rumänen nahe dem Punkt »alle Regime«. Litauen, Ukraine und Bulgarien liegen auf der zweiten Achse nahe am anderen Pol : In diesen Ländern sind die indifferenten Individuen stärker vertreten. -Achse 2 ( 11 % ) -> Die postkommunistischen Länder unterscheiden sich also zum einen deutlich von den westeuropäischen Ländern hinsichtlich der ersten Achse »alle Regime« und »Demokratie«. Zum anderen differenzieren sie sich intern entlang der zweiten Dimension »alle Regime« und »indifferent« sowie entlang der dritten Achse »Demokratie und Experten« und »indifferent« aus. Damit ist zunächst klar, dass die demokratischen Gruppen dort weniger stark vertreten sind, es aber deutliche Unterschiede bei den Anteilen der weniger demokratischen Gruppen gibt. Aus diesem Grund wird in den folgenden Interpretationen und Diskussionen vor allem auf die Anteile der nicht oder weniger demokratischen Gruppen eingegangen. Darüber hinaus werden noch drei westliche, südeuropäische Länder behandelt, und zwar Spanien, Portugal und Griechenland. Alle drei Staaten waren bis in die 1970 er-Jahre ebenfalls durch autoritäre Regime gekennzeichnet und erfuhren danach eine Transformation zur Demokratie. In Spanien und Portugal spiegelt sich das noch immer in den Haltungen der Bevölkerung wider. Die »Demokratie und Experten« bevorzugenden Gruppen sind etwas größer als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Interessanterweise ist in Portugal jene Gruppe, die alle Regime und somit auch die Armeeregierung begrüßt, größer als in Spanien. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass in Portugal ein Militärputsch die Diktatur beendete, während in Spanien die Reform gegenüber beharrenden Kräften im Militär in einem friedlichen Transformationsprozess durchgesetzt wurde. Im Gegensatz zu den beiden iberischen Staaten hat Griechenland besonders hohe Anteile an Personen mit demokratischen Orientierungen aufzuweisen. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Tradition von Demokratie im antiken Griechenland. Zusätzlich wird aber auch die aktuelle politische Situation und Kultur von Bedeutung sein : Die griechische Gesellschaft ist als hochpolitisch einzustufen -die BürgerInnen sind besonders gut informiert. Auf der anderen Seite zeichnen sich die Regierung und Verwaltung in Athen durch stark verbreitete Korruption und Nepotimus aus . Insofern ist es nicht verwunderlich, dass »Experten« im Sinne von Mitgliedern des Verwaltungsapparats eher kritisch beurteilt werden. Lassen sich für die südosteuropäischen Länder ebenso wie für Spanien und Portugal besondere Umstände im Transformationsprozess oder in ihrer Geschichte ausmachen, die die individuellen Werthaltungen bedingen ? Augenscheinlich sind in diesem Zusammenhang die Unterschiede zwischen den Republiken des ehemaligen Jugoslawiens. Die nördlichen Republiken Slowenien und Kroatien unterscheiden sich deutlich von den anderen. Slowenien ist mittlerweile Mitglied der Europäischen Union und hat seit dem Systemwechsel einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren. Mazedonien andererseits war bereits im ehemaligen Jugoslawien die ärmste und am wenigsten industrialisierte Republik und weist auch heute ein sehr niedriges ökonomisches Entwicklungsniveau auf. Der Modernisierungstheorie zufolge wären in diesem Land (im Vergleich mit den anderen Nachfolgerepubliken Jugoslawiens) die wenigsten DemokratInnen zu vermuten und in Slowenien die meisten -was de facto auch der Fall ist. Gleichzeitig spiegeln die Anteile in den einzelnen Ländern aber auch die politischen Verhältnisse wider. Die ausgeprägt demokratischen Haltungen der SlowenInnen könnte www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 man auch mit der verbreiteten Präferenz für Selbstverwaltung in Verbindung bringen . Meines Erachtens verträgt sich die Präferenz für Selbstverwaltung gut mit einer solchen für ein demokratisches Regime, während sich Experten als alleinige Entscheidungsträger wohl nur schwer damit vereinbaren lassen. Die weniger stark demokratisch ausgeprägten Haltungen in den anderen Nachfolgerepubliken dürften auch mit den politischen Regimes seit Anfang der 1990 er-Jahre in Zusammenhang stehen . Alle diese Republiken waren durch mehr oder weniger autokratische Regime gekennzeichnet und in verschiedene bewaffnete Auseinandersetzungen involviert. Besonders interessant erscheint weiters, dass die Anteile der fünf Gruppen in Serbien bzw. Montenegro sehr ähnlich sind, obwohl es zum Erhebungszeitpunkt doch deutliche Abspaltungstendenzen Montenegros von der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien gab. Betrachtet man nur die Einstellungen zu den unterschiedlichen Regierungssystemen, hätten die Bevölkerungen der beiden Länder bestens zusammengepasst. Vergleicht man diesbezüglich die Tschechische Republik und die Slowakei, so wird dies noch augenscheinlicher -dort gibt es deutliche Unterschiede in den Größenordnungen der fünf Gruppen. Untersuchen wir im Sinne des Schwerpunktes dieses Heftes schlussendlich noch die drei südosteuropäischen Länder Bulgarien, Rumänien und Albanien : Albanien weist einen äußerst niedrigen Lebensstandard, einen großen technologischen Rückstand sowie eine politische Geschichte auf, die durch autokratische bzw. diktatorische Regime gekennzeichnet ist . Angesichts all dieser Faktoren ist es verwunderlich, dass in Albanien innerhalb der betrachteten süd-und (süd-) osteuropäischen Länder der Anteil der demokratischen Gruppe größer als in Spanien, Litauen oder Polen ist. Betrachten wir allerdings die Ergebnisse der Korrespondenzanalyse (Abbildung 1, S. 77), so sehen wir, dass sich Albanien zwar hinsichtlich der Nähe zum Pol »Demokratie« auf der ersten Achse »alle Regime« und »Demokratie« von anderen südosteuropäischen Ländern unterscheidet, in Bezug auf die zweite Achse »alle Regime« und »indifferent« aber recht nahe bei Mazedonien und Griechenland liegt -womit die Unterschiede wieder etwas relativiert werden. Rumänien andererseits erfuhr 1989 im Gegensatz zu anderen untersuchten Ländern einen blutigen Machtwechsel, der im Sinne der Transformationsforschung als revolutionärer Staatsstreich bezeichnet werden kann . Die wirtschaftliche Entwicklung war in den ersten Jahren nach dem Systemwechsel negativ, erst im Jahr 2000 konnte erstmals wieder ein Wirtschaftswachstum erreicht werden. Diese Entwicklungen haben auch in den Einstellungen der Bevölkerung ihre Spuren hinterlassen. Wie Gabanyi feststellt, kam es zunehmend zu Pessimismus, Apathie und Resignation. Auch unsere Daten lassen darauf schließen : Betrachtet man die gemeinsamen Anteile der indifferenten Individuen und derjenigen, die alle Regime gleichermaßen gut bewerten, so liegt Rumänien an der Spitze. Bulgarien war ebenfalls massiven politischen Veränderungen unterworfen . Alle Regierungen seit dem Systemwechsel scheiterten mehr oder weniger in den Auseinandersetzungen um die Geschwindigkeit und Auswirkungen der Reformen bzw. traten vorzeitig zurück. Breite Bevölkerungsteile sind massiven materiellen Nöten ausgesetzt und somit überrascht es nicht, wie Riedel feststellt, dass das politische Interesse und das Vertrauen in die Politik äußerst gering sind. In unserer Übersicht (Tabelle 2, S. 75) wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass Bulgarien ebenfalls unterdurchschnittliche Anteile der Gruppe »Demokratie« aufweist. Insgesamt kann für die drei Länder Albanien, Bulgarien und Rumänen festgehalten werden, dass vor allem in Albanien demokratische Einstellungen vergleichsweise häufig anzutreffen sind. In den beiden anderen Ländern spiegeln sich ganz im Sinne unserer Vermutung ein niedriges sozioökonomisches Niveau sowie eine weitgehend wenig demokratische Geschichte in den Haltungen der Bevölkerung wider. Um entscheiden zu können, welchen Einfluss die institutionellen Faktoren und modernisierungsrelevanten Indikatoren auf die Anteile der einzelnen Gruppen haben, müssen wir eine weitere Ebene einführen, und zwar die regionale. Wir nehmen an, dass die politischen Institutionen auf nationaler Ebene relativ homogen und somit für alle Regionen mehr oder weniger ähnlich sind. Andererseits zeigen sich aber beim sozioökonomischen Niveau, bei der Industrialisierung und anderen Modernisierungsfaktoren deutliche Differenzen innerhalb der jeweiligen Länder : Ergeben sich nun Unterschiede in dem Sinne, dass in niedriger entwickelten Gebieten häufiger weniger demokratische Haltungen zu finden sind, so unterstreicht dies die modernisierungstheoretischen Annahmen. Sind die einzelnen Gruppen in den jeweiligen Ländern relativ ähnlich verteilt, so bedeutet dies, dass diese sozioökonomischen Unterschiede unbedeutend sind und Institutionen großen Einfluss haben. 3. Hohe Anteile an demokratischen Gruppen findet man vor allem in Ländern ohne autoritäre Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit. In Spanien oder Portugal sind nicht bzw. weniger demokratische Haltungen viel stärker ausgeprägt als beispielsweise in den Niederlanden oder in Dänemark. In diesem Beitrag ging es darum, die Einstellungen der Bevölkerung zur Demokratie zu erheben und Unterschiede mit den politischen und sozioökonomischen Entwicklungen in Beziehung zu setzen. Für diesen Zweck wurden die Einstellungen der europäischen Bevölkerung zu vier politischen Regierungsformen, nämlich zur Demokratie, zur Expertenregierung, zur Regierung eines starken Führers sowie zur Armeeregierung herangezogen und eingehend analysiert. Die Datengrundlage bildete der World Values Survey (WVS) aus den Jahren 1999 und 2000. Allgemein wird angenommen, dass die Bevölkerung der meisten Länder dieser Welt eine klare und eindeutige Präferenz für die Demokratie hat. Tatsächlich befürworten auch etwa 80 Prozent der im WVS befragten EuropäerInnen die Demokratie. Wir haben in diesem Beitrag aber gesehen, dass dieses positive Bild nur darauf zurückzuführen ist, dass die Bewertung des Regimes »Demokratie« isoliert von jener der anderen Regierungssysteme erfolgt. Analysiert man hingegen die Bewertungen der Befragten für alle vier Regime, so wird deutlich, dass die Formel »Alle sind Demokra-tInnen« durch ein »Ja, aber« ergänzt werden muss : »Ja, die meisten sind DemokratInnen«, aber viele begrüßen gleichzeitig eine Expertenregierung und manche sogar eine Armeeregierung. Nicht bzw. weniger demokratische Haltungen lassen sich in allen europäischen Ländern finden, unabhängig davon, welche politische Geschichte sie haben oder wie arm oder reich die Gesellschaften heute sind. Wie wir aber ebenfalls sahen, gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den Anteilen der einzelnen Gruppen. Eine starke Trennlinie verläuft nach wie vor zwischen den westeuropäischen und den ehemals kommunistischen Staaten. In den erstgenannten ist der Anteil der demokratisch orientierten Bevölkerungsteile um einiges größer als in den letzteren Ländern. Es gibt also einen deutlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Tradition von Demokratie, aber auch mit den aktuellen politischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern. Bestand in der jüngeren Vergangenheit ein autoritäres Regime, so zeigt die Bevölkerung ausgeprägtere Präferenzen für nicht bzw. weniger demokratische Haltungen. Für diese Einstellungen gilt des Weiteren, dass sie wesentlich mit dem sozioökonomischen Entwicklungsniveau zusammenhängen. In niedriger entwickelten Regionen und Ländern sind Individuen mit solchen Haltungen häufiger anzutreffen. Demokratische Haltungen sind hingegen innerhalb der einzelnen Länder relativ gleichmäßig verteilt, Unterschiede gibt es hier fast nur zwischen den Staaten. Verschiedenartig kann der Befund interpretiert werden, dass sozioökonomische Benachteiligungen vor allem für nicht bzw. weniger demokratische Haltungen von Relevanz sind, während sich die Gruppe der BefürworterInnen einer Demokratie www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 relativ gleichmäßig und unabhängig von der Prosperität über die Regionen verteilt. Eine Schlussfolgerung wäre, dass ab einem bestimmten Demokratisierungsgrad die ökonomischen Rahmenbedingungen nicht mehr wichtig sind und nur mehr die Existenz / Stabilität demokratischer Institutionen zählen. Man könnte durchaus auch so argumentieren, dass die demokratisch orientierten Bevölkerungsteile sozial wie ökonomisch besser abgesichert sind und die regionale Unterentwicklung für deren Einstellungen weniger wichtig ist. Jedenfalls dürfte eine alleinige Fokussierung auf die Institutionen zu kurz greifen. Denn die Institutionen selbst müssen zunächst einmal gestaltet werden und Bestand haben. In diesem Zusammenhang haben andere Forschungen gezeigt, dass das sozioökonomische Niveau für das Überleben solcher Institutionen äußerst wichtig ist. Eine gewisse sozioökonomische Absicherung dürfte somit eine notwendige Grundvoraussetzung sowohl für die individuelle Einstellung zur Demokratie als auch für die institutionelle Demokratisierung sein. Was bedeuten diese Befunde nun im Hinblick auf Demokratisierungsprozesse und das Ziel, die Befürwortung von Demokratie in breiten Bevölkerungsgruppen zu stärken ? In bzw. für Südosteuropa gibt es vielfältige Versuche, die wirtschaftliche Entwicklung und Demokratisierung zu unterstützen. Als Beispiel sei hier nur der Stabilitätspakt der Europäischen Union erwähnt, der versucht, Frieden, Demokratie, die Etablierung und Einhaltung von Menschenrechten sowie den ökonomischen Wohlstand in dieser Region zu fördern. Ganz im Sinne dieser Strategie und auch nach unseren Befunden müssen sowohl der sozioökonomische Fortschritt als auch die Etablierung eines demokratischen Institutionsgefüges forciert werden. Demokratische Haltungen und Einstellungen entwickeln sich aber erst mit der Zeit. Dies wird durch Spanien und Portugal belegt, wo nicht bzw. weniger demokratische Haltungen heute noch relativ ausgeprägt sind, und zwar auch noch rund 30 Jahre nach dem Ende der autoritären Regime. Bei der Beurteilung der demokratischen Reife der Bevölkerung ist also vor allzu schnellen und zu rigiden Urteilen zu warnen. Würde man das politische, Demokratie betreffende »Kopenhagener Kriterium« der Europäischen Union auf die Einstellungen der Bevölkerung anwenden, hätten viele südost-und osteuropäische Länder noch einen weiten Weg bis zu einem EU-Beitritt zu beschreiten. Man muss aber hinzufügen, dass auch einige der heutigen EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden müssten, würde man diese Forderung rigoros anwenden. Vor allem einige der neuen EU-Mitglieder sowie die iberischen Länder wären in dieser Hinsicht potenzielle Ausschlusskandidaten. Almond, Gabriel A. The Civic Culture : Political Mixtures of Jg.) Heft Jg.) Heft Jg.) Heft Local Conformity to International Norms. The Case of Female Genital Cutting International Sociology, Nr Science in the Modern Polity. Institutionalization and Globalization Das politische System Rumäniens Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Internationally Comparable Measures of Occupational Status for the 1988 International Standard Classification of Occupations Social Science Research Die Korrespondenzanalyse -Ein Verfahren zur explorativen Analyse verketteter Kreuztabellen Stigler, Hubert (Hg.) Praxisbuch empirische Sozialforschung in den Erziehungs-und Bildungswissenschaften. Innsbruck Gender Gap on Political Tolerance Political Behavior, Nr Die Mehrebenen-Analyse. Ihre praktische Anwendung und theoretische Annahmen Österreichische Zeitschrift für Soziologie, Nr Social Behavior. Its Elementary Forms Modernisierung und Postmodernisierung. Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in 43 Gesellschaften. Frankfurt a. M Postmodernization Erodes Respect for Authority, but Increases Support for Democracy Critical Citizens. Global Support for Democratic Governance From Democracy to Democratization and Back : Before Transitions from Authoritarian Rule. Stanford CDDRL Working Paper Mapping Political Support in the 1990s : A Global Analysis Critical Citizens. Global Support for Democratic Governance Support for and Satisfaction with Democracy International Journal of Public Opinion Research The Passing of Traditional Society Some Social Prerequisites of Democracy : Economic Development and Political Legitimacy American Political Science Review, Nr / Orig. 1959) The Political Man. The Social Bases of Politics Das politische System Sloweniens Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Hg.) Revolution und Recht : Systemtransformation und Verfassungsentwicklung in der Tschechischen und Slowakischen Republik. Frankfurt a. M Transitions from Postcommunism Journal of Democracy, Nr Das politische System Portugals Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Westeuropas World Society and the Nation-State American Journal of Sociology, Nr Critical Citizens. Global Support for Democratic Governance Das politische System Bosnien-Hercegovinas Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Democratization and Political Tolerance in Seventeen Countries : A Multi-Level Model of Democratic Learning Political Research Quarterly Democracy and Development : Political Institutions and Well-Being in the World From Citizen to Person ? Rethinking Education as Incorporation The Impact of Comparative Educational Research on Neoinstitutional Theory Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Das politische System Bulgariens Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Jg.) Heft Learning Democracy Das politische System Albaniens Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden The Effects of World Society on Environmental Protection Outcomes Social Forces, Nr Konstruktion und sozialwissenschaftliche Anwendung finiter Mischungen von Kovarianzstrukturmodellen Modernisierung und soziologisches Denken. Analysen und Betrachtungen Knowing and Caring about Politics : Gender and Political Engagement The Journal of Politics Das politische System Tschechiens Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Das politische System Makedoniens Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Das politische System Kroatiens Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Modernisierung, Wohlfahrtsentwicklung und Transformation. Soziologische Aufsätze Das politische System Griechenlands Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Westeuropas. Opladen Wie demokratiefreundlich sind die EuropäerInnen ? (Süd-) ost-und Westeuropa im Vergleich Graz / Markus Hadler Stanford University Diese Arbeit ist Wie demokratiefreundlich sind die EuropäerInnen ? (Süd-) ost-und Westeuropa im Vergleich GROBID - A machine learning software for extracting information from scholarly documents im Rahmen meines laufenden Erwin Schrödinger-Forschungsstipendiums des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) entstanden : »Die Integration des Neo-Institutionalismus in die international vergleichende Sozialforschung«, Projekt Nr. J-2500. www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 In diesem Beitrag wird der Zusammenhang zwischen den Einstellungen der europäischen Bevölkerung zur Demokratie und der politischen Geschichte, dem politischen System sowie dem sozioökonomischen Entwicklungsniveau der jeweiligen Länder untersucht. Für diesen Zweck wurden die Bewertungen von vier politischen Regierungsformen -der Demokratie, der Expertenregierung, der Regierung eines starken Führers sowie der Armeeregierungherangezogen und analysiert. Datengrundlage ist der World Values Survey (WVS) der Jahre 1999 und 2000. Die Analyse ergibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Einstellungen und den Ländercharakteristika. Im Besonderen zeigt sich, dass nicht oder weniger demokratische Haltungen in weniger entwickelten Regionen und Ländern häufiger vertreten sind. Demokratische Einstellungen variieren vor allem zwischen den Ländern und weniger innerhalb der Staaten -sie hängen eher von der Absenz eines autoritären Regimes in der jüngeren Vergangenheit als vom sozioökonomischen Entwicklungsniveau ab. Einleitung 1 Betrachtet man die politischen Veränderungen im vergangenen Jahrhundert, so lässt sich dieses wohl als das Jahrhundert der Demokratisierung bezeichnen. In Europa brachte der Zusammenbruch des kommunistischen Systems eine wahre Demokratisierungswelle ins Rollen, und Demokratisierungsprozesse werden unterschiedlich analysiert und erklärt (Lipset 1994 / 1959 , Almond / Verba 1963 . Politikwissenschaftliche Betrachtungen versuchen vor allem den Zusammenhang von Transformationen wie etwa einer Demokratisierung der Regierungssysteme mit anderen sozioökonomischen Makromerkmalen wie dem Wohlstandsniveau oder dem Vorhandensein eines Mittelstandes zu analysieren. Ursprünglich wurde von vielen Wissenschaftern ein Zusammenhang von sozioökonomischem Modernisierungsniveau -wie etwa Wirtschaftsniveau oder dem Ausbildungsgrad der Bevölkerung -und Demokratisierung angenommen (Lipset 1994 (Lipset / 1959 . Neuere Forschungen zeigen aber, dass d ie Transformationen zu Demokratien auf unterschiedlichen sozioökonomischen Niveaus stattfinden (Karl 2005 , McFaul 2005 . Neben den sozioökonomischen Veränderungen sind oftmals auch externe Akteure dafür verantwortlich, Demokratisierungsprozesse in Gang zu setzen und zu institutionalisieren. Einen guten theoretischen Hintergrund für solche Prozesse liefert der Ansatz der »World Society« (Meyer et al. 1997) , der davon ausgeht, dass sich bestimmte Standardmodelle der inhaltlichen und formalen Organisation von Staaten (etwa die Art und inhaltlichen Kompetenzbereiche von Ministerien), von Regierungsformen, aber auch z. B. von Ausbildungssystemen (etwa das Bakkalaureatsstudium) weltweit verbreiten. Demokratie ist ein solches Modell bzw. »Standardskript«, und die vor Ort wirkenden Akteure können im Sinne dieses Ansatzes als Agenten dieser World Society gesehen werden. Im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweise wäre diese Diskussion aber um eine weitere Dimension zu erweitern, und zwar um die Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung. Politikwissenschaftliche Studien demonstrieren, dass demokratische Haltungen sehr weit verbreitet sind und dass eine Demokratie fast überall von einer Mehrheit der Bevölkerung als die optimale Regierungsform bezeichnet wird (Klingemann 1999 , Norris 1999 , Lagos 2003 . Wie in diesem Beitrag gezeigt wird, hängt diese Bewertung aber wesentlich mit der Methodik zusammen. Betrachtet man die gleichzeitige Bewertung verschiedener Regierungsformen, etwa ob jemand sowohl die Demokratie als auch weniger demokratische Formen befürwortet, ergibt sich ein weitaus differenzierteres Bild. In Bezug auf das politische »Kopenhagener Kriterium« stellt sich die Frage, ob die EuropäerInnen ebenfalls überzeugte AnhängerInnen der Demokratie sind, ob sie sich auch andere Regime vorstellen können und welche Faktoren das Vorhandensein demokratischer Orientierungen begünstigen. Die Forschungsfrage dieses Beitrags ist, ob sich ein Zusammenhang zwischen den Einstellungen der Bevölkerung zur Demokratie und der politischen Geschichte, dem politischen System sowie Modernisierungsprozessen des jeweiligen Landes ausmachen lässt. Dabei wird unter Berücksichtigung von regionalen Unterschieden auch die relative Bedeutung innerstaatlicher sozioökonomischer Disparitäten für die politischen Einstellungen untersucht. Eine solche umfassende Fragestellung kann hier nicht in ihrer vollen Tragweite behandelt werden. Aus diesem Grund beschränken sich die Interpretationen auf südosteuropäische Länder sowie auf Griechenland, Portugal und Spanien, die in den 1970 er-Jahren eine Demokratisierung erfahren haben. Die Tabellen und die Abbildung umfassen hingegen alle europäischen Staaten. Im folgenden Abschnitt wird der theoretische Rahmen erläutert, danach werden in Kapitel 3 das empirische Datenmaterial sowie die Analysemethoden besprochen. Im vierten Teil werden die Ergebnisse präsentiert und anschließend in Kapitel 5 diskutiert. Theoretischer Rahmen Modernisierungstheorie und Demokratie Modernisierungstheorien befassen sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen, die traditionelle auf dem Weg zu modernen Gesellschaften durchlaufen (Sterbling 1991 , Zapf 1994 . Die klassische Studie von Daniel Lerner (1958) sieht Urbanisierung, Alphabetisierung, steigenden Medienkonsum sowie höhere ökonomische Beteiligung im Sinne einer Erwerbstätigkeit sowie schließlich politische Beteiligung als aufeinander folgende Schritte der Modernisierung an. Lange Zeit galt als wesentliche Annahme, dass eine Entwicklung zu einem höheren sozioökonomischen Niveau ab einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Demokratisierung führen werde (Lipset 1994 (Lipset / 1959 . Gestützt wurde Lipsets Annahme dadurch, dass er in Ländervergleichen eine starke Korrelation zwischen diesen beiden Faktoren feststellte. Neuere Forschungen weisen aber auf das Problem hin, dass in diesen Untersuchungen die Bestandsdauer der Demokratie nicht berücksichtigt wurde. Betrachtet man die Entstehung und Entwicklung neuer Demokratien, so kann kein genereller Zusammenhang mit dem ökonomischen Niveau bzw. mit seiner Veränderung gefunden werden. Transformationen in Richtung Demokratie finden sowohl bei hohem und bei niedrigem Niveau als auch während ökonomisch prosperierender Phasen und Rezessionen statt (Karl 2005 , McFaul 2005 . McFaul analysiert in dieser Hinsicht den Durchbruch der Demokratie in Serbien im Jahr 2000, in Georgien 2003 und in der Ukraine 2004 nach John Stuarts Mills Methode der Ähnlichkeit. Demnach müsste ein Faktor in allen Ländern präsent sein, damit er als notwendig für den Demokratisierungsprozess erachtet wird. Die Ukraine verzeichnete während der Transformation zur Demokratie ein wirtschaftliches Wachstum, während Serbien und Georgien ökonomisch harte Zeiten durchzustehen hatten. Gemeinsame Faktoren waren hingegen ein semi-autokratisches Regime, ein unpopulärer Machtinhaber, eine geeinte Opposition, das schnelle Aufzeigen umfangreicher Wahlmanipulationen, unabhängige Medien, Massenproteste sowie Uneinigkeit in den Militärkräften. Immerhin zeigen Forschungen, dass sich das sozioökonomische Niveau zumindest auf den Erfolg und die Dauerhaftigkeit einer Demokratisierung auswirkt (Przeworski et al. 2000 , Karl 2005 Institutionenansatz und Demokratie Es ist wohlbekannt, dass bei den Transformationsprozessen in Osteuropa unzählige externe Akteure wie z. B. verschiedene internationale Regierungsbeauftragte, aber auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mitwirkten (McFaul 2005) . Gemeinsames Ziel dieser Interventionen war es, die Demokratisierung zu unterstützen und erfolgreich umzusetzen. Die Implementierung des Prinzips »Demokratie« ist aus der Sicht der World Society Thesis Teil der weltweiten Expansion ähnlicher Prinzipien (Meyer et al. 1997 , Boyle et al. 2002 , Drori et al. 2003 , Schofer / Hironaka 2005 , Ramirez 2006 ausrichten. Der Bologna-Prozess -eine im Jahr 1998 von BildungsministerInnen aus 29 europäischen Ländern unterzeichnete und seither recht erfolgreiche Erklärung zur Harmonisierung des europäischen Hochschulraumes -kann hierfür als Beispiel gelten, da auch dieser Prozess als eher formlose Initiative in den frühen 1990 er-Jahren begann. Es wird ersichtlich, dass sich die Bildungslandschaft innerhalb Europas immer mehr angleicht, indem von ExpertInnen als positiv bewertete Grundstrukturen übernommen und in der Praxis umgesetzt werden. Die Individualebene Beide Ansätze -jener der Modernisierungstheorie wie jener des Neuen Institutionalismus -gehen davon aus, dass auch individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen durch Modernisierungsprozesse bzw. durch Institutionen geprägt werden. Offen bleibt die Frage, ob und in welcher Form die institutionellen und modernisierungsrelevanten Merkmale der Makroebene individuelle Einstellungen beeinflussen. Homans (1974, 250) hält in dieser Hinsicht fest, dass auf lange Sicht und mit einer kleinen Verzögerung die Einstellungen und Werthaltungen der Menschen das widerspiegeln, was sie tatsächlich vorfinden. Wenn man nun demokratischen Prozessen ausgesetzt ist und diese beobachtet bzw. selbst von demokratischen Rechten Gebrauch macht, so kann man einen Lernprozess in dem Sinne annehmen, dass Individuen auch demokratischere Werthaltungen ausbilden (Rohrschneider 1999 , Peffley / Rohrschneider 2003 . Sowohl die Modernisierungstheorie als auch der Neue Institutionalismus teilen ähnliche Annahmen im Hinblick auf die Individuen. Beide Ansätze charakterisieren besser ausgebildete und verdienende, in Städten wohnende Individuen als jene Personen, die von den postmaterialistischen Haltungen bzw. »internationalen Skripts« besonders geprägt und erfasst werden. Laut Inglehart haben diese Personen keine existenziellen materiellen Sorgen, sind somit offen für postmaterialistische Werthaltungen und gleichzeitig toleranter und demokratiefreundlicher. Nach der Institutionentheorie sind diese Personen stärker internationalen Skripts ausgesetzt. »Skripts« bezeichnen dabei die Inhalte dieser weltweit voranschreitenden Prinzipien. Derartige Skripts werden etwa über Ausbildungssysteme oder das Berufsleben vermittelt. Personen in höheren beruflichen Positionen bzw. mit höherem Bildungsniveau sind stärker von diesen internationalen Entwicklungen betroffen bzw. sogar direkt mit deren Implementierung befasst : So ist etwa die Beschäftigung mit allgemeinen Menschenrechten viel eher Teil des Lehrplans im Rahmen einer höheren Schulausbildung als im Rahmen einer Grundschule. Für unsere Fragestellung lässt sich folgende Annahme formulieren. Demokratische Haltungen sollten vor allem in Ländern mit einer längeren demokratischen Geschichte, geringeren autoritären Erfahrungen sowie mit höherem sozioökonomischen Niveau anzutreffen sein. Beim sozioökonomischen Niveau sollte es auch regionale Unterschiede geben, und zwar insofern, als in ökonomisch benachteiligten Gebieten die Bevölkerung weniger demokratisch eingestellt ist. Stärker demokratisch orientiert sollten vor allem die höher gebildeten, ökonomisch besser gestellten sowie in urbanen Regionen wohnenden Personen sein. Die »weiß nicht«-Kategorie wurde -auch um die Anzahl der gültigen Fälle hoch zu halten -als Mittelkategorie verwendet. Gestützt wird diese Vorgangsweise durch Analysen mit anderen Items, die ergaben, dass jene Personen, die mit »weiß nicht« antworteten, bei anderen politischen Fragen eine mittlere Zustimmung gezeigt hatten. Für weitere Analysen wurden das Alter, das Geschlecht, die Schulbildung, die Größe des Wohnortes sowie das Berufsprestige als erklärende Variablen herangezogen. Die Befragten wurden in sechs Altersgruppen eingeteilt (15 -24, 25 -34, 35 -44, 45 -54, 55 -64 Jahre sowie 65 Jahre und älter), das Geschlecht als dichotome Variable mit 1 männlich und 2 weiblich aufgenommen. Das Ausbildungsniveau wurde in acht Stufen erfasst, wobei 1 für keinen formalen Schulabschluss und 8 für einen universitären Abschluss steht. Der Wohnort wurde ebenfalls als achtstufige Variable berücksichtigt -hier steht 1 für einen Ort mit weniger als 2.000 und 8 für eine Stadt mit mehr als 500.000 EinwohnerInnen. Der Berufsstatus wurde mit dem »ISEI prestige score« gemessen (Ganzeboom / Treiman 1996) mittleren Scores errechnet. Diese Scores sind dann in der ISEI-Skala für alle Berufsgruppen erfasst. In der vorliegenden Arbeit wurde den erwerbstätigen Personen der Score ihres Berufs zugewiesen, den ehemals Erwerbstätigen der Score ihres letzten Berufs und den überhaupt nie erwerbstätig gewesenen Befragten der Score des oder der Hauptverdienenden in ihrem Haushalt. Ausschlaggebend dafür war die inhaltliche Überlegung, dass Menschen durch ihr unmittelbares, persönliches Umfeld wesentlich in ihren Einstellungen geprägt werden. Die Erfahrungen, die der oder die Hauptverdienende im Berufsleben sammelt, und die dabei vermittelten Einstellungen dürften sich somit auch auf die anderen Haushaltsmitglieder auswirken. Das Einkommen konnte nicht berücksichtigt werden, da es in zu wenigen Ländern erhoben wurde. Im Folgenden wird zunächst das Ergebnis einer latenten Klassenanalyse interpretiert. Der Grundgedanke dieser Analysemethode ist, dass die Antworten der Befragten auf bestimmte Fragen Ausdruck eines latenten und somit nicht direkt beobachtbaren Einstellungsmusters sind. In unserem Fall bedeutet das, dass die Bewertung der vier politischen Regime eine bestimmte Grundhaltung der Befragten ausdrückt. Diese Analysemethode versucht also die latenten Einstellungsmuster aufzudecken und kann die einzelnen Befragten in einem zweiten Schritt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit den einzelnen latenten Populationen zuweisen (Stein 1997 , Arminger et al. 1999 . In unserem Beispiel wurden die Klassen zusätzlich als von den individuellen Eigenschaften Alter, Geschlecht, Schulbildung, Berufsstatus und Wohnortgröße abhängig definiert. Das Ergebnis dieser Analyse sind somit mehrere Gruppen mit ähnlichen politischen Grundeinstellungen. Mit den Anteilen der einzelnen Gruppen in den verschiedenen Ländern wurde des Weiteren eine Korrespondenzanalyse durchgeführt (siehe dazu Blasius 2000, Gasser-Steiner 2005). Dieses Verfahren versucht, die Information einer Tabelle auf dahinter liegende Dimensionen zu untersuchen. Die Eingabematrix ist eine einfache Tabelle, somit können auch nominale Daten (wie etwa Berufsgruppen) analysiert werden. Die Korrespondenzanalyse kann deshalb als Faktorenanalyse für nominale Daten verstanden werden. Die extrahierten Dimensionen werden als latent angesehen und die konkreten Ausprägungen in den Zellen als von diesen latenten Dimensionen bestimmt. Die Anzahl der Dimensionen wird ähnlich wie bei der Faktorenanalyse bestimmt, z. B. über ein Eigenwertkriterium, indem nur jene Faktoren herangezogen werden, die die Varianz von mehr als einer Variable erklären können. Zusätzlich wird für jede latente Dimension angegeben, wie viel Prozent der Variation des Gesamtmodells durch diese eine Dimension bestimmt werden. Ein besonderer Vorteil dieser Methode ist die grafische Darstellung. Dabei muss die Lage der einzelnen Punkte immer in Relation zu den beiden Hauptachsen gelesen werden -die Punkte werden dazu normal auf die Hauptachsen projiziert und nachfolgend die Abstände interpretiert (siehe dazu die Interpretation von Abbildung 1, S. 77). In einem weiteren Analyseschritt wurde die Zugehörigkeit der Individuen zu einer der latenten Klassen mittels Mehrebenenanalysen untersucht (Hadler 2004) . Mehrebenenanalysen sind Regressionsanalysen, die eine hierarchische Struktur in den Daten explizit berücksichtigen und die Effekte des Kontextes (u. a. Land, Region) sowie der individuellen Eigenschaften (wie etwa Bildung und Alter) genauer schätzen. In diesem Beitrag werden drei Ebenen berücksichtigt, und zwar die nationale, die regionale sowie die individuelle Ebene. Es werden aber nur die Ergebnisse eines Nullmodells tabellarisch präsentiert. In einem solchen Modell sind noch keine erklärenden Regressionsvariablen enthalten und es entspricht mehr oder weniger einer Varianzanalyse. In unserer Analyse steht die Varianz für die unterschiedlichen Häufigkeiten der einzelnen Gruppen in den drei Ebenen : Auf Länderebene wird sie aus den Unterschieden zwischen den Anteilen der einzelnen Gruppen in den einzelnen Ländern errechnet, auf Regionsebene basiert sie auf den unterschiedlichen durchschnittlichen Anteilen der Gruppen in den Regionen, und auf individueller Ebene entspricht sie der Varianz aus Mitglied bzw. Nichtmitglied einer Gruppe. Ist die Varianz signifikant, so bedeutet dies, dass die betreffende Gruppe in der entsprechenden Ebene sehr unterschiedlich verteilt ist (z. B. in einigen Regionen große, in anderen nur kleine Anteile). In weiteren Schritten kann man mittels Regressionsmodellen Merkmale der Individuen, der Regionen sowie der Länder aufnehmen und untersuchen, welchen Einfluss sie auf die individuelle Zugehörigkeit zu einer Klasse haben. Wie bei allen Regressionsanalysen ist es das Ziel, einen möglichst großen Anteil der Varianz mit möglichst wenigen Variablen zu erklären. Ergebnisse Die fünf untersuchten Gruppen im Überblick Betrachten wir zunächst die Einstellungen der Befragten zu den unterschiedlichen politischen Regierungsformen. Eine einfache Häufigkeitsauszählung der Daten des World Values Survey für alle europäischen Länder ergibt, dass die Demokratie von 84 Prozent der Befragten als sehr gut bzw. ziemlich gut erachtet wird, ein starker Führer von 25 Prozent, Experten von 53 Prozent sowie die Armeeregierung von 7 Prozent. Es gibt also eine klare Präferenz für die Demokratie. Unsere Annahme war aber, dass nur eine gleichzeitige Berücksichtigung der Einstellungen eines Individuums gegenüber allen vier Regimes ein adäquates Ergebnis liefert. Zu diesem Zweck wurde mit den Bewertungen der unterschiedlichen Systeme eine latente Klassenanalyse durchgeführt, wobei die Klassenzugehörigkeit zusätzlich von den individuellen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bildung, Berufsstatus sowie Wohnortgröße abhängig gemacht wurde. Es konnten fünf unterschiedliche Gruppen identifiziert werden (siehe Tabelle 1, S. 73). Die erste Klasse umfasst rund 10 Prozent der Befragten und sieht alle vier Regierungsformen als einigermaßen akzeptabel an. Dass diese Gruppe auch die Armeeregierung als akzeptabel erachtet, ist ein Charakteristikum, das sie deutlich von den anderen Klassen unterscheidet. Betrachtet man die soziodemografischen Merkmale dieser Gruppe, so fallen der niedrige Berufsstatus sowie die unterdurchschnittliche Ausbildung auf. Des Weiteren ist diese Gruppe etwas älter als der Durchschnitt, überwiegend weiblich (58 Prozent im Vergleich zum Gesamtschnitt von 53 Prozent) und lebt in eher kleinen Gemeinden. Die zweite Klasse zeichnet sich durch eine Präferenz für »Demokratie und Experten« aus. Befragten. Hinsichtlich ihrer sozialen Charakteristika kann sie als eher höher gebildet, eher jung, mit einem Berufsstatus leicht unter dem Schnitt der Gesamtstichprobe sowie als in eher kleineren Gemeinden wohnhaft beschrieben werden. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig vertreten. Die dritte Klasse umfasst nur rund 2 Prozent der Befragten und zeichnet sich dadurch aus, dass »starke Führer und Experten« als bevorzugtes Regime genannt werden. Diese Gruppe kann als eher niedrig ausgebildet sowie mit einem niedrigen Berufsstatus charakterisiert werden. Weiters sind diese Personen jünger als der Schnitt der Gesamtstichprobe und sie leben in eher kleineren Gemeinden. Männer und Frauen sind -wie in Gruppe zwei -annähernd gleichmäßig verteilt. Die vierte Klasse ist die größte Gruppe und umfasst rund 63 Prozent der Befragten. Diese Personen haben die stärkste Präferenz für die Demokratie. Sie zeichnen sich durch ein hohes Ausbildungsniveau und einen höheren Berufsstatus aus und leben in etwas größeren Orten als der Schnitt der Gesamtstichprobe. Sowohl die Geschlechterverteilung als auch das durchschnittliche Alter entsprechen der Gesamtstichprobe. Die fünfte Klasse kann als »indifferent« bezeichnet werden -es gibt keine Präferenz für eine der vier Regierungsformen. Diese Gruppe umfasst rund 5 Prozent der Befragten, die einen eher geringen Berufsstatus und eine unterdurchschnittliche Bildung haben. Darüber hinaus leben sie in eher kleinen Gemeinden, sind überdurchschnittlich alt und überwiegend weiblich. In Kapitel 2 wurde herausgearbeitet, dass sowohl modernisierungstheoretische Ansätze als auch die Institutionentheorie erwarten lassen, dass besser gebildete und beruflich höher gestellte Individuen sowie urbane Bevölkerungsgruppen stärker demokratisch orientiert sind. Versucht man die fünf Klassen nach dem Grad ihrer Befürwortung von Demokratie zu ordnen, so liegt folgende Reihung nahe : Klasse 4 »Demokratie« zeigt die eindeutigsten und stärksten demokratischen Haltungen. Klasse 2 »Demokratie und Experten« folgt an zweiter Stelle. An dritter Stelle folgt jene Gruppe, die »alle Regime« als gut erachtet, da sie -im Gegensatz zu den beiden verbleibendenauch die Demokratie als gut bewertet. Jene Gruppe, die »starke Führer und Experten« als optimales Regierungssystem ansieht, ist wohl am wenigsten demokratisch orientiert. Die Gruppe ohne klare Präferenzen kann weder als demokratisch noch als nicht demokratisch bezeichnet werden -die adäquate Bezeichnung wäre wohl apolitisch. Betrachtet man nun die soziodemografischen Merkmale, so lässt sich der oben formulierte Zusammenhang wohl eindeutig bestätigen -die demokratischen Gruppen sind eindeutig höher gebildet, haben einen höheren Berufsstatus und leben in urbanen Gebieten. Auffallend sind die Geschlechterunterschiede bei den Indifferenten und bei jenen Personen, die alle Regime präferieren und somit eigentlich auch indifferent sind. Frauen sind in beiden Gruppen häufiger zu finden. Dies deckt sich mit anderen Befunden hinsichtlich politischer Einstellungen (Verba et al. 1997 , Golebiowska 1999 . Mögliche Ursachen für diesen Unterschied zwischen Männern und Frauen sind etwa eine unterschiedlich intensive Einbindung in das politische Leben und eine geschlechtsspezifische Sozialisation. Hinsichtlich des Alters wäre zu erwarten gewesen, dass jüngere Personen stärkere demokratische Orientierungen haben. Es zeigt sich aber, dass jene Befragten mit dem niedrigsten Altersschnitt nicht unbedingt zu den am stärksten demokratischen Personen zählen. Für die Zugehörigkeit zur Gruppe der DemokratInnen sind die Höhe der Ausbildung sowie des Berufsstatus relevant -die Werte liegen hier jeweils über dem Gesamtschnitt der Befragten. Das Berufsprestige der Personen, die »Demokratie und Experten« befürworten, ist höher als jenes der Gruppe, die »starke Führer und Experten« präferiert. Somit sind unsere Annahmen zumindest in dieser Hinsicht bekräftigt worden. Die Anteile der fünf Gruppen in den verschiedenen Ländern Nachdem wir im vorigen Abschnitt die sozialen Charakteristika der einzelnen Gruppen betrachtet haben, wenden wir uns nun ihren Anteilen in den verschiedenen Ländern zu (siehe Tabelle 2, S. 75). Die Länder sind nach den Anteilen der »Demokratie«- mit den Anteilen der fünf Gruppen in den einzelnen Ländern eine Korrespondenzanalyse durchgeführt, um mögliche, dahinter liegende Dimensionen aufzudecken. Es konnten vier Faktoren extrahiert werden, wobei Achse 1 vor allem durch die Merkmale »alle Regime« und »Demokratie« bestimmt ist, Achse 2 durch »alle Regime« und »indifferent«, Achse 3 durch die Merkmale »Demokratie und Experten« sowie »indifferent« und Achse 4 schließlich durch »starke Führer und Experten« mit allen anderen vier Gruppen als Gegenpol. Diese vier Achsen bzw. Dimensionen erklären das Gesamtmodell mit Anteilen von 76, 11, 10 und 3 Prozent. Die erste Achse leistet also den größten Beitrag. Abbildung 1 (S. 77) zeigt die beiden ersten Dimensionen. Man sieht deutlich, dass die westeuropäischen Länder bis auf wenige Ausnahmen in der linken Hälfte des Diagramms zu finden sind und somit große Anteile an DemokratInnen aufweisen. In der rechten Hälfte sind hingegen die ehemaligen kommunistischen Länder konzentriert. Eine wesentliche Differenzierung zwischen diesen beiden Ländergruppen kann also entlang der Demokratie-Achse und im Hinblick auf den Anteil demokratisch eingestellter Personen erfolgen. Die kleinen Anteile der demokratischen Gruppe in den postkommunistischen Ländern dürften vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen sein : Zum einen auf das politische Erbe und die Nachwirkungen des kommunistischen Regimes auf die Werthaltungsebene und zum anderen auf das eher niedrige ökonomische Niveau. Nichtsdestotrotz gibt es einige interessante Ausnahmen vom zuvor genannten Zusammenhang : Innerhalb der ehemals kommunistischen Länder fallen besonders Slowenien und die Tschechische Republik mit einem großen Anteil an De-mokratInnen auf. In diesem Zusammenhang ist relevant, dass unter den postkommunistischen Ländern einzig die Tschechische Republik substanzielle Erfahrungen mit Demokratie in der vorsozialistischen Zeit (vor 1948) hatte (Marko et al. 2000) und dass die tschechische politische Kultur als besonders demokratiefreundlich bezeichnet wird (Vodička 2004) . Die Tschechische Republik kann also als Sonderfall gelten. Slowenien andererseits zeichnet sich im Vergleich mit den anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens durch vielfältige positive wirtschaftliche und politische Entwicklungen aus, wie wir später noch genauer sehen werden. Betrachtet man Abbildung 1, so fällt auf, dass fast alle westeuropäischen Länder relativ nahe der horizontalen Achse liegen, während die ehemaligen kommunistischen Staaten stärker um diese streuen. Das bedeutet, dass sich die westeuropäischen Länder hinsichtlich ihrer Position auf der vertikalen zweiten Achse »alle Regime« und »indifferent« nur wenig unterscheiden -sie weisen somit bei den Anteilen der dazugehörigen Gruppen durchschnittliche Häufigkeiten auf. Die postkommunistischen Länder sind in Bezug auf diese Dimension heterogener verteilt als die westeuropäischen Staaten. In diesen Ländern unterscheiden sich die Anteile der Individuen ohne Präferenz für ein bestimmtes Regierungssystem stärker von jenen, die »alle Regime« für gut befinden und somit auch eine Armeeregierung begrüßen. So liegen Mazedonien, Albanien und Rumänen nahe dem Punkt »alle Regime«. Litauen, Ukraine und Bulgarien liegen auf der zweiten Achse nahe am anderen Pol : In diesen Ländern sind die indifferenten Individuen stärker vertreten. -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 -Achse 1 ( 76 % ) -> ◆ IN ◆ F & E • Bg ◆ D & E AL ◆ • Lit • Pt • Ukr • Pl • Bel Bih • • Esp • Sv • Alb • Tr Mac • • Rom • Hr Ge • • Est • Lux • Ch • Lv • Sf H • Nir • Gb • • Ir Mt • • I Nl • • Gr A • Is • • Dk • B • Slo • N F• • Cz ◆ DM Mtg • • Swe • Ser 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 -0,1 -0,2 -0,3 -0,4 -Achse 2 ( 11 % ) -> Die postkommunistischen Länder unterscheiden sich also zum einen deutlich von den westeuropäischen Ländern hinsichtlich der ersten Achse »alle Regime« und »Demokratie«. Zum anderen differenzieren sie sich intern entlang der zweiten Dimension »alle Regime« und »indifferent« sowie entlang der dritten Achse »Demokratie und Experten« und »indifferent« aus. Damit ist zunächst klar, dass die demokratischen Gruppen dort weniger stark vertreten sind, es aber deutliche Unterschiede bei den Anteilen der weniger demokratischen Gruppen gibt. Aus diesem Grund wird in den folgenden Interpretationen und Diskussionen vor allem auf die Anteile der nicht oder weniger demokratischen Gruppen eingegangen. Darüber hinaus werden noch drei westliche, südeuropäische Länder behandelt, und zwar Spanien, Portugal und Griechenland. Alle drei Staaten waren bis in die 1970 er-Jahre ebenfalls durch autoritäre Regime gekennzeichnet (Barrios 2003 , Merkel / Stiehl 2003 , Zervakis 2003 und erfuhren danach eine Transformation zur Demokratie. In Spanien und Portugal spiegelt sich das noch immer in den Haltungen der Bevölkerung wider. Die »Demokratie und Experten« bevorzugenden Gruppen sind etwas größer als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Interessanterweise ist in Portugal jene Gruppe, die alle Regime und somit auch die Armeeregierung begrüßt, größer als in Spanien. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass in Portugal ein Militärputsch die Diktatur beendete, während in Spanien die Reform gegenüber beharrenden Kräften im Militär in einem friedlichen Transformationsprozess durchgesetzt wurde. Im Gegensatz zu den beiden iberischen Staaten hat Griechenland besonders hohe Anteile an Personen mit demokratischen Orientierungen aufzuweisen. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Tradition von Demokratie im antiken Griechenland. Zusätzlich wird aber auch die aktuelle politische Situation und Kultur von Bedeutung sein : Die griechische Gesellschaft ist als hochpolitisch einzustufen -die BürgerInnen sind besonders gut informiert. Auf der anderen Seite zeichnen sich die Regierung und Verwaltung in Athen durch stark verbreitete Korruption und Nepotimus aus (Zervakis 2003) . Insofern ist es nicht verwunderlich, dass »Experten« im Sinne von Mitgliedern des Verwaltungsapparats eher kritisch beurteilt werden. Lassen sich für die südosteuropäischen Länder ebenso wie für Spanien und Portugal besondere Umstände im Transformationsprozess oder in ihrer Geschichte ausmachen, die die individuellen Werthaltungen bedingen ? Augenscheinlich sind in diesem Zusammenhang die Unterschiede zwischen den Republiken des ehemaligen Jugoslawiens. Die nördlichen Republiken Slowenien und Kroatien unterscheiden sich deutlich von den anderen. Slowenien ist mittlerweile Mitglied der Europäischen Union und hat seit dem Systemwechsel einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren. Mazedonien andererseits war bereits im ehemaligen Jugoslawien die ärmste und am wenigsten industrialisierte Republik und weist auch heute ein sehr niedriges ökonomisches Entwicklungsniveau auf. Der Modernisierungstheorie zufolge wären in diesem Land (im Vergleich mit den anderen Nachfolgerepubliken Jugoslawiens) die wenigsten DemokratInnen zu vermuten und in Slowenien die meisten -was de facto auch der Fall ist. Gleichzeitig spiegeln die Anteile in den einzelnen Ländern aber auch die politischen Verhältnisse wider. Die ausgeprägt demokratischen Haltungen der SlowenInnen könnte www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 man auch mit der verbreiteten Präferenz für Selbstverwaltung in Verbindung bringen (Lukšič 2004) . Meines Erachtens verträgt sich die Präferenz für Selbstverwaltung gut mit einer solchen für ein demokratisches Regime, während sich Experten als alleinige Entscheidungsträger wohl nur schwer damit vereinbaren lassen. Die weniger stark demokratisch ausgeprägten Haltungen in den anderen Nachfolgerepubliken dürften auch mit den politischen Regimes seit Anfang der 1990 er-Jahre in Zusammenhang stehen (Oschlies 2004 , Reljić 2004 , Willemsen 2004 , Zakošec 2004 . Alle diese Republiken waren durch mehr oder weniger autokratische Regime gekennzeichnet und in verschiedene bewaffnete Auseinandersetzungen involviert. Besonders interessant erscheint weiters, dass die Anteile der fünf Gruppen in Serbien bzw. Montenegro sehr ähnlich sind, obwohl es zum Erhebungszeitpunkt doch deutliche Abspaltungstendenzen Montenegros von der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien gab. Betrachtet man nur die Einstellungen zu den unterschiedlichen Regierungssystemen, hätten die Bevölkerungen der beiden Länder bestens zusammengepasst. Vergleicht man diesbezüglich die Tschechische Republik und die Slowakei, so wird dies noch augenscheinlicher -dort gibt es deutliche Unterschiede in den Größenordnungen der fünf Gruppen. Untersuchen wir im Sinne des Schwerpunktes dieses Heftes schlussendlich noch die drei südosteuropäischen Länder Bulgarien, Rumänien und Albanien : Albanien weist einen äußerst niedrigen Lebensstandard, einen großen technologischen Rückstand sowie eine politische Geschichte auf, die durch autokratische bzw. diktatorische Regime gekennzeichnet ist (Schmidt-Neke 2004) . Angesichts all dieser Faktoren ist es verwunderlich, dass in Albanien innerhalb der betrachteten süd-und (süd-) osteuropäischen Länder der Anteil der demokratischen Gruppe größer als in Spanien, Litauen oder Polen ist. Betrachten wir allerdings die Ergebnisse der Korrespondenzanalyse (Abbildung 1, S. 77), so sehen wir, dass sich Albanien zwar hinsichtlich der Nähe zum Pol »Demokratie« auf der ersten Achse »alle Regime« und »Demokratie« von anderen südosteuropäischen Ländern unterscheidet, in Bezug auf die zweite Achse »alle Regime« und »indifferent« aber recht nahe bei Mazedonien und Griechenland liegt -womit die Unterschiede wieder etwas relativiert werden. Rumänien andererseits erfuhr 1989 im Gegensatz zu anderen untersuchten Ländern einen blutigen Machtwechsel, der im Sinne der Transformationsforschung als revolutionärer Staatsstreich bezeichnet werden kann (Gabanyi 2004) . Die wirtschaftliche Entwicklung war in den ersten Jahren nach dem Systemwechsel negativ, erst im Jahr 2000 konnte erstmals wieder ein Wirtschaftswachstum erreicht werden. Diese Entwicklungen haben auch in den Einstellungen der Bevölkerung ihre Spuren hinterlassen. Wie Gabanyi feststellt, kam es zunehmend zu Pessimismus, Apathie und Resignation. Auch unsere Daten lassen darauf schließen : Betrachtet man die gemeinsamen Anteile der indifferenten Individuen und derjenigen, die alle Regime gleichermaßen gut bewerten, so liegt Rumänien an der Spitze. Bulgarien war ebenfalls massiven politischen Veränderungen unterworfen (Riedel 2004) . Alle Regierungen seit dem Systemwechsel scheiterten mehr oder weniger in den Auseinandersetzungen um die Geschwindigkeit und Auswirkungen der Reformen bzw. traten vorzeitig zurück. Breite Bevölkerungsteile sind massiven materiellen Nöten ausgesetzt und somit überrascht es nicht, wie Riedel feststellt, dass das politische Interesse und das Vertrauen in die Politik äußerst gering sind. In unserer Übersicht (Tabelle 2, S. 75) wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass Bulgarien ebenfalls unterdurchschnittliche Anteile der Gruppe »Demokratie« aufweist. Insgesamt kann für die drei Länder Albanien, Bulgarien und Rumänen festgehalten werden, dass vor allem in Albanien demokratische Einstellungen vergleichsweise häufig anzutreffen sind. In den beiden anderen Ländern spiegeln sich ganz im Sinne unserer Vermutung ein niedriges sozioökonomisches Niveau sowie eine weitgehend wenig demokratische Geschichte in den Haltungen der Bevölkerung wider. Unterschiede innerhalb der Länder und deren Ursachen Um entscheiden zu können, welchen Einfluss die institutionellen Faktoren und modernisierungsrelevanten Indikatoren auf die Anteile der einzelnen Gruppen haben, müssen wir eine weitere Ebene einführen, und zwar die regionale. Wir nehmen an, dass die politischen Institutionen auf nationaler Ebene relativ homogen und somit für alle Regionen mehr oder weniger ähnlich sind. Andererseits zeigen sich aber beim sozioökonomischen Niveau, bei der Industrialisierung und anderen Modernisierungsfaktoren deutliche Differenzen innerhalb der jeweiligen Länder : Ergeben sich nun Unterschiede in dem Sinne, dass in niedriger entwickelten Gebieten häufiger weniger demokratische Haltungen zu finden sind, so unterstreicht dies die modernisierungstheoretischen Annahmen. Sind die einzelnen Gruppen in den jeweiligen Ländern relativ ähnlich verteilt, so bedeutet dies, dass diese sozioökonomischen Unterschiede unbedeutend sind und Institutionen großen Einfluss haben. 3. Hohe Anteile an demokratischen Gruppen findet man vor allem in Ländern ohne autoritäre Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit. In Spanien oder Portugal sind nicht bzw. weniger demokratische Haltungen viel stärker ausgeprägt als beispielsweise in den Niederlanden oder in Dänemark. Diskussion und Schlussfolgerungen In diesem Beitrag ging es darum, die Einstellungen der Bevölkerung zur Demokratie zu erheben und Unterschiede mit den politischen und sozioökonomischen Entwicklungen in Beziehung zu setzen. Für diesen Zweck wurden die Einstellungen der europäischen Bevölkerung zu vier politischen Regierungsformen, nämlich zur Demokratie, zur Expertenregierung, zur Regierung eines starken Führers sowie zur Armeeregierung herangezogen und eingehend analysiert. Die Datengrundlage bildete der World Values Survey (WVS) aus den Jahren 1999 und 2000. Allgemein wird angenommen, dass die Bevölkerung der meisten Länder dieser Welt eine klare und eindeutige Präferenz für die Demokratie hat. Tatsächlich befürworten auch etwa 80 Prozent der im WVS befragten EuropäerInnen die Demokratie. Wir haben in diesem Beitrag aber gesehen, dass dieses positive Bild nur darauf zurückzuführen ist, dass die Bewertung des Regimes »Demokratie« isoliert von jener der anderen Regierungssysteme erfolgt. Analysiert man hingegen die Bewertungen der Befragten für alle vier Regime, so wird deutlich, dass die Formel »Alle sind Demokra-tInnen« durch ein »Ja, aber« ergänzt werden muss : »Ja, die meisten sind DemokratInnen«, aber viele begrüßen gleichzeitig eine Expertenregierung und manche sogar eine Armeeregierung. Nicht bzw. weniger demokratische Haltungen lassen sich in allen europäischen Ländern finden, unabhängig davon, welche politische Geschichte sie haben oder wie arm oder reich die Gesellschaften heute sind. Wie wir aber ebenfalls sahen, gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den Anteilen der einzelnen Gruppen. Eine starke Trennlinie verläuft nach wie vor zwischen den westeuropäischen und den ehemals kommunistischen Staaten. In den erstgenannten ist der Anteil der demokratisch orientierten Bevölkerungsteile um einiges größer als in den letzteren Ländern. Es gibt also einen deutlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Tradition von Demokratie, aber auch mit den aktuellen politischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern. Bestand in der jüngeren Vergangenheit ein autoritäres Regime, so zeigt die Bevölkerung ausgeprägtere Präferenzen für nicht bzw. weniger demokratische Haltungen. Für diese Einstellungen gilt des Weiteren, dass sie wesentlich mit dem sozioökonomischen Entwicklungsniveau zusammenhängen. In niedriger entwickelten Regionen und Ländern sind Individuen mit solchen Haltungen häufiger anzutreffen. Demokratische Haltungen sind hingegen innerhalb der einzelnen Länder relativ gleichmäßig verteilt, Unterschiede gibt es hier fast nur zwischen den Staaten. Verschiedenartig kann der Befund interpretiert werden, dass sozioökonomische Benachteiligungen vor allem für nicht bzw. weniger demokratische Haltungen von Relevanz sind, während sich die Gruppe der BefürworterInnen einer Demokratie www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 relativ gleichmäßig und unabhängig von der Prosperität über die Regionen verteilt. Eine Schlussfolgerung wäre, dass ab einem bestimmten Demokratisierungsgrad die ökonomischen Rahmenbedingungen nicht mehr wichtig sind und nur mehr die Existenz / Stabilität demokratischer Institutionen zählen. Man könnte durchaus auch so argumentieren, dass die demokratisch orientierten Bevölkerungsteile sozial wie ökonomisch besser abgesichert sind und die regionale Unterentwicklung für deren Einstellungen weniger wichtig ist. Jedenfalls dürfte eine alleinige Fokussierung auf die Institutionen zu kurz greifen. Denn die Institutionen selbst müssen zunächst einmal gestaltet werden und Bestand haben. In diesem Zusammenhang haben andere Forschungen gezeigt, dass das sozioökonomische Niveau für das Überleben solcher Institutionen äußerst wichtig ist. Eine gewisse sozioökonomische Absicherung dürfte somit eine notwendige Grundvoraussetzung sowohl für die individuelle Einstellung zur Demokratie als auch für die institutionelle Demokratisierung sein. Was bedeuten diese Befunde nun im Hinblick auf Demokratisierungsprozesse und das Ziel, die Befürwortung von Demokratie in breiten Bevölkerungsgruppen zu stärken ? In bzw. für Südosteuropa gibt es vielfältige Versuche, die wirtschaftliche Entwicklung und Demokratisierung zu unterstützen. Als Beispiel sei hier nur der Stabilitätspakt der Europäischen Union erwähnt, der versucht, Frieden, Demokratie, die Etablierung und Einhaltung von Menschenrechten sowie den ökonomischen Wohlstand in dieser Region zu fördern. Ganz im Sinne dieser Strategie und auch nach unseren Befunden müssen sowohl der sozioökonomische Fortschritt als auch die Etablierung eines demokratischen Institutionsgefüges forciert werden. Demokratische Haltungen und Einstellungen entwickeln sich aber erst mit der Zeit. Dies wird durch Spanien und Portugal belegt, wo nicht bzw. weniger demokratische Haltungen heute noch relativ ausgeprägt sind, und zwar auch noch rund 30 Jahre nach dem Ende der autoritären Regime. Bei der Beurteilung der demokratischen Reife der Bevölkerung ist also vor allzu schnellen und zu rigiden Urteilen zu warnen. Würde man das politische, Demokratie betreffende »Kopenhagener Kriterium« der Europäischen Union auf die Einstellungen der Bevölkerung anwenden, hätten viele südost-und osteuropäische Länder noch einen weiten Weg bis zu einem EU-Beitritt zu beschreiten. Man muss aber hinzufügen, dass auch einige der heutigen EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden müssten, würde man diese Forderung rigoros anwenden. Vor allem einige der neuen EU-Mitglieder sowie die iberischen Länder wären in dieser Hinsicht potenzielle Ausschlusskandidaten. Literatur Almond, Gabriel A. / Verba, Sidney (1963) The Civic Culture : Political Attitudes and Democracy in Five Nations. Boston. Arminger, Gerhard et al. (1999) Mixtures of Conditional Mean-and Covariance-structure Models. In : Psychometrika, Nr. 4, 475 -494. Barrios, Harald (2003) heute, rund 15 Jahre später, sind bereits mehrere postkommunistische Staaten Mitglieder der Europäischen Union und einige andere dieser Länder potenzielle Beitragskandidaten. Hinsichtlich der EU-Mitgliedschaft wurden 1993 beim Treffen des Europäischen Rates in Kopenhagen drei Kriterien festgelegt, die alle Beitrittsländer erfüllen müssen. Es handelt sich dabei um ein politisches, ein wirtschaftliches und das »Acquis communautaire«-Kriterium. In diesem Beitrag steht das politische Kriterium im Zentrum. Es fordert im Speziellen eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, eine institutionelle Stabilität, die Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten. Die Aufnahme in die EU erfordert also die Erfüllung gewisser demokratischer Standards und somit sind alle Mitgliedstaaten und die von der EU anerkannten Beitrittskandidaten formal erfolgreich demokratisiert. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 www.sws-rundschau.at ). Je höher das sozioökonomische Niveau eines Landes bei der Transformation zur Demokratie ist, desto wahrscheinlicher ist ein dauerhafter Erfolg der Demokratie. Förderlich für eine gelungene Demokratisierung sind etwa ein hohes allgemeines Bildungsniveau oder eine geringe soziale Ungleichheit. Die geringe Ungleichheit in Osteuropa wird in dieser Hinsicht als entscheidender Faktor dafür angesehen, warum die Anfangsphase der Demokratisierung um einiges erfolgreicher verlief als in anderen Regionen wie z. B. in Lateinamerika. Steigende Modernisierungs-niveaus verändern nicht nur die Sozialstruktur, sondern auch Werthaltungen und Einstellungen. Hier ist auf die bekannte These Ronalds Ingleharts (1998, 1999) zu verweisen, wonach bessere Lebensumstände wie ein höherer Wohlstand dazu führen, dass Individuen verstärkt postmaterialistische Einstellungen wie etwa eine Präferenz für Mitbestimmung, Meinungsfreiheit oder Raum für persönliche Entfaltung entwickeln. Gleichzeitig unterstützen Personen mit postmaterialistischen Einstellungen auch häu- figer demokratische Prinzipien wie freie Meinungsäußerung, Toleranz gegenüber Min- derheiten sowie politische Freiheiten und Rechte. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 www.sws-rundschau.at Beschreibung des Datenmaterials und der Analysemethoden Der Auswahl des Datensatzes lagen die folgenden beiden Kriterien zugrunde : Zum einen sollte der Datensatz die Bewertung verschiedener politischer Regierungsformen enthalten und zum anderen eine möglichst große Anzahl an europäischen Ländern umfassen. Die Entscheidung fiel daher auf den World Values Survey der Jahre 1999 bzw. 2000. Andere und zum Teil neuere Datensätze wie etwa der European Social Survey (ESS) oder das International Social Survey Programme (ISSP) erfüllen eines der beiden Kriterien nicht. Genauere Informationen zur Methodik, den Hauptver-Ich werde Ihnen nun verschiedene Typen von politischen Systemen beschreiben und fragen, wie Sie über die einzelnen Regierungsformen denken. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie die Regierungsform als sehr gut, eher gut, eher schlecht oder sehr schlecht ansehen. (1) Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um ein Parlament und um Wahlen kümmern muss. (2) Experten und nicht die Regierung sollten darüber entscheiden, was für das Land das beste ist. (3) Das Militär sollte regieren. (4) Man sollte ein demokratisches System haben« (Übersetzung des Autors). SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 www.sws-rundschau.at 3.antwortlichen und andere Hintergrundinformationen findet man auf der Homepage des WVS (www.worldvaluessurvey.org). Die Stichproben waren repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ab dem Alter von 18 Jahren. Die Befragungen wurden im Großteil der hier inkludierten Länder in den Jahren 1999 und 2000 als Face-to-Face-Interviews durchgeführt, nur in Irland wurde ein Viertel der Stichprobe telefonisch interviewt. In einigen wenigen Ländern wurden die Daten außerhalb des genannten Zeitraums erhoben, und zwar in Serbien, Montenegro und der Türkei (2001), in Albanien und in Bosnien und Herzegowina (1998) sowie in Mazedonien (1997). Der Vollständigkeit halber sind Norwegen und die Schweiz ebenfalls inkludiert, allerdings stammten die Daten dort bereits aus dem Jahr 1996. Das Ausmaß der Demokratiefreundlichkeit der EuropäerInnen wurde anhand der Bewertung verschiedener politischer Regierungsformen erfasst. Die Originalfragen lauten :» Tabelle 1 :Die Anteile, Einstellungen und soziodemografischen Merkmale von Individuen mit ähnlichen politischen Einstellungen (latente Klassenanalyse) Anteile Mittelwerte für … Latente Klasse in Führer Experten Armee Demokratie Prozent (1 = sehr gut, 5 = sehr schlecht) 1 alle Regime 9,7 2,62 2,33 2,13 2,20 2 Demokratie und Experten 19,9 3,37 2,55 4,00 1,72 3 starke Führer und Experten 2,3 2,81 2,56 4,00 4,11 4 Demokratie 63,2 4,04 2,94 5,00 1,59 5 indifferent 4,9 2,93 2,92 3,00 3,00 Gesamt 100,0 3,68 2,79 4,40 1,80 Mittelwerte für … Latente Klasse Berufs- Alter Ausbildung Geschlecht Größe des status Wohnorts (1 = niedrig, (Schnitt (1 = niedrig, (1 = m, (1 = klein, 100 = hoch) in Jahren) 8 = hoch) 2 = w) 8 = groß) 1 alle Regime 37,59 45,53 3,86 1,58 4,31 2 Demokratie und Experten 40,60 43,74 4,36 1,54 4,35 3 starke Führer und Experten 37,91 43,54 3,96 1,55 4,10 4 Demokratie 43,58 44,45 4,66 1,51 4,56 5 indifferent 34,65 48,53 3,34 1,68 3,79 Gesamt 41,84 44,59 4,44 1,53 4,45 n = 45.474 für 39 Länder (siehe Tabelle 2, S. 75) Quelle : Eigene Erhebung auf Basis der Auswertung von Daten des World Values Survey 1999 / 2000 Alle Werte sind signifikant. Die Zahlenwerte geben die Varianz auf regionaler bzw. auf Länderebene wieder. In Klammer stehen die Standardfehler. Das Verhältnis, also die Ratio der beiden Varianzen kann als Maß dafür gesehen werden, wie homogen die Populationen innerhalb der Länder sind. Je kleiner der Ratio-Wert ist, desto ähnlicher sind die Gruppen innerhalb der Länder verteilt. Quelle : Eigene Erhebung auf Basis der Auswertung von Daten des World Values Survey 1999 / 2000 jeweiligen Werten und an deren Verhältnis sehen können : So beträgt bei dieser Gruppe die regionale Varianz 0,088, die nationale Varianz 0,489 und das Verhältnis somit 0,18. Bei den indifferenten Individuen sowie bei jenen, die »starke Führer und Experten« bevorzugen, sind die regionale und nationale Varianz jeweils etwa gleich groß. Diese Gruppen sind daher sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebene sehr ungleichmäßig verteilt. Regionsmerkmale haben also auf die nicht oder weniger demokratischen Haltungen stärkeren Einfluss als auf demokratische Einstellungen : Wenn Individuen einmal ein bestimmtes Ausmaß an demokratischen Haltungen erreicht haben, scheinen deren Anteile auf regionaler Ebene nicht mehr so stark von den Kontexteinflüssen abhängig zu sein. Wir haben hinsichtlich der Kontexteinflüsse angenommen, dass sich ein steigender sozioökonomischer Wohlstand sowie das Vorhandensein von Demokratie fördernden Institutionen positiv auf demokratische Einstellungen auswirken. In weiterführenden Analysen wurde deshalb versucht, die individuelle Zugehörigkeit zu einer der fünf Gruppen eben durch derartige Merkmale der Länder und Regionen zu erklären. Dafür wurden Eigenschaften wie u. a. der sozioökonomische Wohlstand, die Bestandsdauer der Demokratie sowie die Stärke des Autoritarismus als unabhängige Variablen in eine Regression aufgenommen, in der die individuelle Gruppenzugehörigkeit die abhängige Variable war. Weil für viele osteuropäische Länder keine Regionaldaten zur Verfügung standen, konnte diese Analyse leider nur mit den alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-15) sowie mit Lettland, Polen, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn durchgeführt werden. Aus Platzgründen werden hier nur summarisch die wichtigsten Ergebnisse referiert : Das wesentlichste Ergebnis ist, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen im Sinne des regionalen und nationalen Wohlstandes vor allem für die nicht oder weniger demokratischen Einstellungen sowie für die indifferenten Haltungen von Relevanz sind. Für die Gruppen mit demokratischen Haltungen sind vor allem institutionelle Faktoren wie beispielsweise die Dauer der Demokratie von Bedeutung. Somit ergeben sich folgende Befunde : 1. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Bevölkerung ein bestimmtes Ausmaß an demokratischen Haltungen erreicht hat, also einen größeren Anteil von DemokratInnen aufweist, sind regionale Disparitäten weniger relevant -die regionale Varianz ist äußerst gering (siehe auch Tabelle 3). 2. Hohe Anteile jener Gruppen mit nicht bzw. weniger demokratischen Einstellungen (etwa »starke Führer und Experten«) sind bei einem niedrigen regionalen und / oder nationalen ökonomischen Entwicklungsniveau zu finden. Dabei können die regionale und die nationale Ebene in die gleiche Richtung wirken -so sind z. B. in den wenig entwickelten Regionen der ökonomisch schwachen Slowakei besonders viele Angehörige dieser Gruppe zu finden. Aber auch in wohlhabenden Ländern zeigt sich derselbe Effekt der Regionsebene : In Großbritannien oder Frankreich liegen in den Gebieten mit ökonomischen Disparitäten die Anteile der Gruppen mit nicht bzw. weniger demokratischen Einstellungen ebenfalls über dem nationalen Durchschnitt. Tabelle 3 : Ebene Regionsebene Länderebene Ratio (Region : Land) Die Varianz der latenten Klassen auf regionaler und nationaler Ebene 1 2 3 4 5 alle Regime Demokratie starke Führer Demokratie indifferent und Experten und Experten 0,174 (0,024) 0,072 (0,011) 0,273 (0,053) 0,088 (0,011) 0,373 (0,049) 0,601 (0,153) 0,207 (0,054) 0,267 (0,084) 0,489 (0,121) 0,523 (0,143) 0,29 0,35 1,02 0,18 0,71 n = 45.474 Anmerkung : den Tabelle 3 zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Gruppen auf den Ebenen Land und Region verteilt sind. Je niedriger der Ratio-bzw. Verhältniswert, desto ähnlicher sind die Gruppen auf regionaler und nationaler Ebene verteilt. Die Gruppe »Demokra- tie« ist auf regionaler Ebene viel homogener verteilt als auf Länderebene, wie wir an www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 65 -85 Sws-Rundschau Jg.) Heft 46 Sws-Rundschau Jg.) Heft 46 Sws-Rundschau Jg.) Heft 46 Local Conformity to International Norms. The Case of Female Genital Cutting Elizabeth H Boyle International Sociology, Nr 1 Gili S Drori Science in the Modern Polity. Institutionalization and Globalization Stanford Das politische System Rumäniens Anneli U Gabanyi Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Internationally Comparable Measures of Occupational Status for the 1988 International Standard Classification of Occupations Harry B Ganzeboom Donald J Treiman Social Science Research 3 Nr. Die Korrespondenzanalyse -Ein Verfahren zur explorativen Analyse verketteter Kreuztabellen Peter Gasser-Steiner Stigler, Hubert (Hg.) Praxisbuch empirische Sozialforschung in den Erziehungs-und Bildungswissenschaften. Innsbruck Gender Gap on Political Tolerance Ewa A Golebiowska Political Behavior, Nr 1 Die Mehrebenen-Analyse. Ihre praktische Anwendung und theoretische Annahmen Markus Hadler Österreichische Zeitschrift für Soziologie, Nr 1 Social Behavior. Its Elementary Forms George C Homans New York revised edition Ronald Inglehart Modernisierung und Postmodernisierung. Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in 43 Gesellschaften. Frankfurt a. M Postmodernization Erodes Respect for Authority, but Increases Support for Democracy Ronald Inglehart Critical Citizens. Global Support for Democratic Governance Norris, Pippa Oxford From Democracy to Democratization and Back : Before Transitions from Authoritarian Rule. Stanford CDDRL Working Paper Terry L Karl 45 Mapping Political Support in the 1990s : A Global Analysis Hans-Dieter Klingemann Critical Citizens. Global Support for Democratic Governance Norris, Pippa Oxford Support for and Satisfaction with Democracy Marta Lagos International Journal of Public Opinion Research 4 Nr The Passing of Traditional Society Daniel Lerner New York Some Social Prerequisites of Democracy : Economic Development and Political Legitimacy Seymour M Lipset American Political Science Review, Nr 1 / Orig. 1959) The Political Man. The Social Bases of Politics Seymour M Lipset Baltimore Das politische System Sloweniens Igor Lukšič Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Josef Marko Hg.) Revolution und Recht : Systemtransformation und Verfassungsentwicklung in der Tschechischen und Slowakischen Republik. Frankfurt a. M Transitions from Postcommunism Michael A Mcfaul Journal of Democracy, Nr 3 Das politische System Portugals Wolfgang / Merkel Stiehl Volker Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Westeuropas Opladen World Society and the Nation-State John W Meyer American Journal of Sociology, Nr 1 Critical Citizens. Global Support for Democratic Governance Norris, Pippa Oxford Das politische System Bosnien-Hercegovinas Wolf Oschlies Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Democratization and Political Tolerance in Seventeen Countries : A Multi-Level Model of Democratic Learning Mark / Peffley Robert Rohrschneider Political Research Quarterly 3 Nr. Democracy and Development : Political Institutions and Well-Being in the World Adam Przeworski New York From Citizen to Person ? Rethinking Education as Incorporation Francisco O Ramirez The Impact of Comparative Educational Research on Neoinstitutional Theory Wiseman, Alexander/ Baker, David Oxford In print Dušan Reljić Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Das politische System Bulgariens Sabine Riedel Ismayr, Wolfgang (Hg.) 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Wiesbaden Das politische System Kroatiens Nenad Zakošec Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Osteuropas. Wiesbaden Modernisierung, Wohlfahrtsentwicklung und Transformation. Soziologische Aufsätze Wolfgang Zapf Berlin Das politische System Griechenlands Peter Zervakis Ismayr, Wolfgang (Hg.) Die politischen Systeme Westeuropas. Opladen Kontakt : markus.hadler@uni-graz. at mhadler@stanford.edu
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