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  • Ausgangspunkt des Artikels ist die Beobachtung, dass viele europäische Transformations staaten trotz erfolgter Systemumstellung auf politischer und wirtschaftlicher Ebene nach wie vor mit gravierenden Problemen konfrontiert sind. Es stellt sich daher die Frage, warum sich die nutzbringenden Wirkungen des Marktes in diesen Ländern bislang nicht entfalten konnten. Die Hypothese der AutorInnen lautet, dass dies zumindest partiell auf mangeln des Vertrauen der Bevölkerung in die bestehenden Institutionen zurückzuführen ist. Ausge hend von den Erkenntnissen der Neuen Institutionenökonomie werden im ersten Teil des Beitrags -nach einer Definition der zentralen Begriffe -die für die Fragestellung relevanten theoretischen Zusammenhänge erläutert. Im zweiten Teil des Artikels werden diese einer em pirischen Überprüfung unterzogen. Die Analyse zeigt, dass sowohl die interviewten Exper tInnen als auch die Ergebnisse der Korrelationsanalyse die im theoretischen Teil erarbeiteten Zusammenhänge zumindest teilweise bestätigen : Eines der vorrangigen Ziele jeder Wirt schaftspolitik in Transformationsstaaten sollte sein, das Vertrauen der Bevölkerung in Institu tionen nachhaltig zu stärken. Die Europäische Union erfährt kontinuierliche Veränderungen ; der gleichzeitige Bei tritt von zehn Staaten im Mai 2004 stellte bislang das größte Erweiterungsprojekt in der Geschichte der EU dar. Nach den für das Jahr 2007 in Aussicht gestellten Beitritten Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union melden nun auch andere Staaten Südosteuropas bzw. des Westbalkans ihren Wunsch nach einer Mitgliedschaft an. Erst im November 2005 hatte die Europäische Kommission empfohlen, die »For mer Yugoslav Republic of Macedonia« (FYROM, in der Folge kurz »Mazedonien« ge nannt) zum offiziellen EUKandidatenland zu erheben, im Dezember bestätigten die Staats und RegierungschefInnen der Europäischen Union Mazedonien offiziell als Kandidaten für eine EUMitgliedschaft. Des Weiteren begannen zeitgleich die Ver handlungen mit Serbien und Montenegro sowie mit Bosnien und Herzegowina über ein Assoziierungs und Stabilisierungsabkommen (SAA). Die allgemeinen Bedingungen für einen Beitritt zur Europäischen Union sind seit 1993 in den »Kopenhagener Kriterien« festgeschrieben, die sowohl politische Be Ein Datum für die Aufnahme von konkreten Beitrittsverhandlungen gibt es jedoch noch nicht. Der weitere Beitrag behandelt wegen der großen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den beiden Teilrepubliken nicht die Staatenunion Serbien und Montenegro, sondern ausschließlich die Republik Serbien. Auch die Europäische Union führt die SAAVerhandlungen über Wirtschafts und Handels fragen mit den beiden Teilrepubliken getrennt durch. wertungsmerkmale (institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ord nung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten) als auch wirtschaftliche Kriterien (funktions und wettbewerbsfähige Marktwirt schaft) festlegen. Zweifel, ob die politischen und wirtschaftlichen Reformen in jenen Transformationsstaaten genügend weit fortgeschritten wären, gaben Anlass für ein Forschungsprojekt, in dessen Rahmen untersucht wurde, wodurch der Aufbau einer freien Marktwirtschaft gehemmt wird. Besonderes Augenmerk kam dem Vertrauen in Institutionen zu, das -wie in diesem Forschungszusammenhang bestätigt werden konnte -einen maßgebenden Faktor für wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Im Zuge des Zusammenbruchs der kommunistisch bzw. realsozialistisch ge prägten Regime in vielen Staaten Mittel und Südosteuropas erwarteten zahlreiche Sozial und WirtschaftswissenschafterInnen eine rasche Synergie zwischen Demokra tie, Wirtschaftswachstum und sozialem Frieden. Doch der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung erwies sich als komplizierter als die neoklassisch geprägte Ökonomie angenommen hatte : Deren Theorien hielten den neuen Herausforderungen nicht mehr stand, da sie vor allem über langfristige Ent wicklungen kaum Auskunft geben konnten. Als neue Denkrichtung der Sozial und Wirtschaftswissenschaften hat sich daher in der »Neuen Institutionenökonomie« und in der »SozialkapitalTheorie« seit den späten 1980 erJahren und im Zuge des Zusammenbruchs der kommunistischen Re gime in Europa folgende Auffassung etabliert : Freie Marktwirtschaft und Demokratie führen nur dann zu wirtschaftlichem Erfolg, wenn sie sich auf ein gut funktionierendes Daneben kommt noch das »Acquis-Kriterium« zum Tragen, nämlich die Fähigkeit, sich die aus einer EUMitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und Ziele zu eigen zu machen. Dies bedeutet, dass das Regelwerk, der »gemeinschaftliche Besitzstand« übernommen werden muss (Acquis com munautaire, ca. 80.000 Seiten Rechtstexte). Projekt Nr. 10.573 des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank »Vertrauen in Institutio nen -Ein maßgebender Faktor für wirtschaftliche Entwicklung« (Projektleitung : Botschafter i. . Die Neoklassik geht auf Theoretiker wie Léon Walras oder Alfred Marshall zurück. Neoklassisch orientierte WissenschafterInnen legen sich ein strenges Muster an Vorannah men zugrunde, das ihnen einen mathematischen Zugang ermöglicht. Sie arbeiten großteils mit Modellen eines allgemeinen Gleichgewichts auf allen Märkten. In solchen Modellen bewegt sich das System ohne äußere Eingriffe und erzielt eine optimale Allokation der Ressourcen. Die Neoklassik dient heute weithin der Rechtfertigung liberalistischer . Ihr wird in weiterer Folge besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie ergänzt das einfache Modell der Neoklassik vom »homo oeconomicus«, das auf der Vorstellung der vollständigen Rationalität der Wirtschaftssubjekte beruht, um realitätsnähere Annahmen. Die noch junge SozialkapitalTheorie rückt den sozioökonomischen Aspekt der gesellschaftlichen Beziehungen auf der individuellen Handlungsebene in den Vordergrund. Die ausschließliche Kon zentration auf physisches Kapital und Humankapital als Wirtschaftsfaktoren erzeugt nach Ansicht der VertreterInnen der SozialkapitalTheorie einen »missing link« im Erklärungsgerüst des Wirt schaftsprozesses. Mit dem Begriff »Sozialkapital« erhebt diese Theorie den Anspruch, soziale Bezie hungen als wesentlichen Wirtschaftsfaktor zu berücksichtigen. Zu den wichtigsten VertreterInnen gehören u. a. Coleman, Putnam und Bourdieu (siehe dazu näher . Netz von stabilen sozialen Bindungen, Gruppierungen und Organisationen stützen können. Denn -so die Hypothese -nur diese sozialen Gemeinschaften schaffen sinn volle und anerkannte Normen, die friedliche Konfliktlösungen und Geschäftstransak tionen ermöglichen. Einzig auf solchen flexiblen, aber fest eingehaltenen Normen beruht jenes Vertrauen in gegenseitige Fairness und das Einhalten von Regeln und Kontrakten, das Korrup tion, Chaos und Gewalt verhindern kann. Ohne dieses »institutionelle Kapital« an Vertrauen nützen Bildungsinitiativen und Qualifizierungsmaßnahmen für die Bevöl kerung nur wenig. Das Bekenntnis zum Markt allein ist demnach vermutlich kein Garant für wirt schaftlichen Fortschritt. Wie aber lassen sich diese marktwirtschaftlichen Leistungsde fizite erklären ? Wovon hängt es ab, ob der Markt seine positiven Wirkungen entfalten kann oder nicht ? Einen Schritt zur Beantwortung dieser Fragen unternimmt die vorliegende Arbeit, in der die Bedeutung des Vertrauens in Institutionen für die Wirtschaftsentwicklung untersucht wird. Dies geschieht in zwei Schritten : Im ersten -theoretischen -Teil wird nach Klärung der zentralen Begriffe die ökonomische Bedeutung von Institutionen und von Vertrauen in Institutionen dargestellt (Kap. 2 und 3). Außerdem wird auf das in den Transformationsstaaten Südosteuropas besonders gravierende Phänomen der Korruption (Kap. 4) sowie auf die in diesem Raum vorherrschende besondere Aus gangslage für das Vertrauen in Institutionen eingegangen (Kap. 5). Der zweite Teil des Artikels (Kap. 6) zielt auf die empirische Überprüfung der theoretisch gewonnenen Erkenntnisse und der aufgestellten Hypothesen. Dies erfolgt einerseits im Rahmen einer Sekundäranalyse von statistischem Datenmaterial für 42 Länder, indem Korrelationen zwischen Vertrauen in Institutionen und Wirtschaftsent wicklung überprüft werden, und andererseits anhand qualitativer Daten aus ExpertIn nenbefragungen für die Länder Serbien und Mazedonien -beides Transformations staaten, die mit großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen zu kämpfen haben. In einem letzten Abschnitt werden schließlich die wichtigsten theoretischen und empirischen Ergebnisse zusammengeführt, um die Forschungsfrage nach dem Zu sammenhang des Vertrauens in Institutionen mit der Wirtschaftsentwicklung zu be antworten. Die Begriffe »Institution« und »Vertrauen« teilen ein ähnliches Schicksal -beide wer den häufig verwendet und bleiben doch in ihrer genauen Bedeutung oft recht unklar. Dies liegt einerseits am ungenauen alltäglichen Sprachgebrauch und andererseits an der Vielfalt von wissenschaftlichen Zugängen zu diesen Kategorien. So vielfältig wie die wissenschaftliche Anwendung dieser Konzepte, so unterschiedlich sind auch die Definitionen -es gibt u. a. ökonomische, soziologische und politikwissenschaft liche -, aber auch innerhalb der jeweiligen Disziplin ist man von Einheitlichkeit weit entfernt. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at Umso wichtiger ist es, jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung eine Begriffs klärung voranzustellen, um Missverständnisse so weit wie möglich zu vermeiden. Dies ist das Ziel der nächsten beiden Teilkapitel. In der Literatur finden sich zahlreiche, zum Teil stark divergierende oder gar wider sprüchliche, Definitionen des Begriffs »Institution«. Die folgende Analyse beruht auf den von Douglass C. North im Jahr 1992 in seinem Buch »Institutionen, institutio neller Wandel und Wirtschaftsleistung« formulierten Erkenntnissen der Neuen In stitutionenökonomie. Daher erscheint es angebracht, die diesem Ansatz zugrunde gelegte Definition zu übernehmen, auch wenn sie den Institutionenbegriff enger fasst als manche andere. »Institutionen sind die Spielregeln einer Gesellschaft oder, förmlicher ausgedrückt, die von Menschen erdachten Beschränkungen menschlicher Interaktion« . Die Aufgabe von Institutionen ist es nach dieser Auslegung, über die Etablierung von Verhaltensrichtlinien dazu beizutragen, dass soziale Interaktionen besser erwartbar und Unsicherheiten reduziert werden. Im gängigen, alltäglichen Sprachgebrauch wer den mit dem Begriff Institution aber häufig auch Einrichtungen -wie z. B. Gerichte, Polizei, Regierung -sowie Personen bezeichnet. North propagiert eine differenziertere Herangehensweise, indem er zwischen In stitution und Organisation unterscheidet. »Unter den Begriff der Organisation fallen öffentliche , und Anstalten des Bildungswesens . Es handelt sich um Gruppen von Einzelpersonen, die ein gemeinsamer Zweck, die Erreichung eines . Norths Institutionenbegriff umfasst folglich nur einen Teil dessen, was vielfach unter einer Institution verstanden wird. Obwohl auf der theoretischen Ebene durchaus sinn voll, weil prägnanter formuliert, sieht man sich bei der empirischen Arbeit vor Prob leme gestellt : Einerseits muss der Begriff der Institution -laut Norths Definition ein abstraktes Konstrukt -operationalisiert werden (am besten ist dies über die damit zu sammenhängenden Organisationen wie etwa Gerichte möglich). Andererseits riskiert man Verständnisschwierigkeiten, da damit zu rechnen ist, dass die meisten Menschen nicht zwischen Organisation und Institution im Sinne von North unterscheiden. Bei einer empirischen Primärerhebung ist die Gefahr nicht übereinstimmender Definiti onen zwischen InterviewerIn und Interviewtem/ r folglich sehr groß. Aus diesen Gründen wurde dem empirischen Teil dieser Arbeit ein von North abweichender, auch Organisationen umfassender Institutionenbegriff zugrunde gelegt, während die theoretische Analyse der Kategorisierung dieses Autors folgt. Trotz der konzeptuellen Trennung von Institution und Organisation ist sich North der gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen bewusst : Einerseits stecken In weiterer Folge beziehen sich die entsprechenden Literaturhinweise auf die gleichnamige Ausgabe von 1998. www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 die Institutionen den Handlungsrahmen ab, innerhalb dessen sich die einzelnen Or ganisationen bewegen können, andererseits haben diese wiederum vielfältige Mög lichkeiten, auf die konkrete Ausgestaltung der Institutionen Einfluss zu nehmen. Auf welchem Wege diese Einflussnahme erfolgt, hängt u. a. davon ab, ob es sich um form lose oder um formgebundene Institutionen handelt. Unter formlosen Institutionen versteht North Sitten, Bräuche und jede andere Art sozialer Konvention. Formgebundene Institutionen -Gesetze, Verfassungen, etc. -können über politische Einflussnahme verändert werden, was allerdings entsprechendes politisches Gewicht voraussetzt. Obwohl hier auf den ersten Blick der Eindruck entstehen könnte, formlose Be schränkungen seien einfacher zu verändern, lässt sich häufig das Gegenteil beobachten : Die Modifikation formgebundener Beschränkungen kann zwar »von oben« angeordnet und durchgesetzt werden, die Veränderung sozialer Konventionen lässt sich auf diese Weise allerdings nicht erreichen -dafür ist es notwendig, dass sich das gewünschte abweichende Verhalten zu einem Massenphänomen ausweitet, um allgemeine Aner kennung zu erfahren. Dieser Prozess ist politisch kaum beherrschbar und überdies meist sehr langwierig. Der Begriff »Vertrauen« wird ebenfalls sehr unterschiedlich definiert. Der Soziologe Diego Gambetta etwa bestimmt Vertrauen folgendermaßen : »Vertrauen ... ist ein bestimmter Grad der subjektiven Wahrscheinlichkeit, mit der eine handelnde Person annimmt, dass eine/ ein andere/r oder eine andere Gruppe von Personen eine bestimmte Handlung setzen wird. ... Wenn wir sagen, das wir jemandem vertrauen oder dass jemand vertrauenswürdig ist, meinen wir implizit, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er/ sie eine Handlung setzen wird, die für uns nutzbringend oder zumindest nicht nachteilig ist, für uns hoch genug ist, um zu erwägen, irgendeine Form der Kooperation mit ihm/ ihr einzugehen« . Im wissenschaftlichen Diskurs werden darüber hinaus noch verschiedene Formen des Vertrauens unterschieden. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansätze : Im Kon text dieses Artikels scheint Raisers Unterteilung in interpersonelles Vertrauen und generalisiertes Vertrauen ausreichend : Interpersonelle Vertrauensbe ziehungen basieren demnach auf gegenseitigem und auf persönlicher Bekanntschaft beruhendem Vertrauen, während generalisiertes Vertrauen von anonymen und vor wiegend einseitigen Transaktionen geprägt ist. Das generalisierte Vertrauen kann man also als eine Art »Grundvertrauen« bezeichnen, das nicht voraussetzt, dass man Trans aktionspartnerInnen aufgrund von bisherigen konkreten Erfahrungen einschätzen können muss. Obwohl generalisiertes Vertrauen im konkreten Transaktionsprozess von der Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers unabhängig ist, kann die Frage, inwieweit eine Im Original : »Trust … is a particular level of subjective probability with which an agent assesses that another agent or group of agents will perform a particular action. … When we say we trust someone or that someone is trustworthy, we implicitly mean that the probability that he will perform an ac tion that is beneficial or at least not detrimental to us is high enough for us to consider engaging in some form of cooperation with him.« Person generalisiertes Vertrauen überhaupt ausbildet, nur vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Erfahrungen und Lebensumstände beantwortet werden. Indirekt hängt also auch diese Vertrauensform vom Verhalten der anderen ab (RoseAckermann 2001, 10). »Vertrauen in Institutionen« ist ein wichtiger Sozialindikator, der sich in fast allen internationalen sozialwissenschaftlichen Umfrageprogrammen (beispielsweise World Values Survey, International Social Survey Programme, Eurobarometer) wiederfindet. Zahlreiche Forschungsinitiativen setzten sich mit dem Zusammenhang zwischen In stitutionenvertrauen und Demokratisierung auseinander : 0 Hardin (1999) etwa befasst sich eingehend mit der Frage, inwiefern Vertrauen in eine Regierung erforderlich ist, an die man in repräsentativen Demokratien Entscheidungen delegiert. Diesem Versäumnis der neoklassischen Ökonomie versucht der Transaktions kostenansatz der Neuen Institutionenökonomie insofern beizukommen, als die Höhe der anfallenden Transaktionskosten als entscheidender Faktor mitberücksichtigt wird. Transaktionskosten umfassen die Kosten der Messung der wertvollen Eigenschaften der getauschten Gegenstände sowie jene der Überwachung und Durchsetzung von Vereinbarungen . Die Höhe der Transaktionskosten ergibt sich aus dem Ausmaß der Informationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien und dem Risiko der Nichterfüllung des Vertrages. Besagtes Risiko geht in Form einer Risikoprämie in die Transaktionskosten ein, die umso höher wird, je größer das Risiko ist . In einfachen Wirtschaftssystemen, in denen sich die TransaktionspartnerInnen auf eine überschaubare Gruppe persönlich bekannter Personen beschränken -z. B. innerhalb einer Dorfgemeinschaft -, hält sich das Risiko der Nichterfüllung in Gren zen, die Transaktionskosten sind daher relativ gering. Ein völlig anderes Bild ergibt sich in komplexen Wirtschaften : Die Anzahl der (potenziellen) TauschpartnerInnen ist enorm : Es ist unmöglich, jede/n Einzelne/n persönlich zu kennen, um ihre/ seine Ver trauenswürdigkeit besser einschätzen zu können. Auch soziale Sanktionsmechanismen fallen der Anonymität zum Opfer -das Risiko der Nichterfüllung wächst beträchtlich und somit steigen auch die Transaktionskosten. Diese werden oft so hoch, dass über haupt kein Tausch zu Stande kommt . An diesem Punkt kommen nun die Institutionen ins Spiel : Wie oben bereits an geführt bilden Institutionen den Handlungsrahmen, der das Zusammenleben einer Gemeinschaft normiert. Sie gewährleisten ein Mindestmaß an Erwartbarkeit in sozi alen Interaktionen und tragen somit wesentlich zur Reduktion von Unsicherheiten bei. Insbesondere in arbeitsteiligen Wirtschaften mit entsprechend hohen Spezialisierungs graden sind funktionierende Institutionen äußerst wichtig. Der unpersönliche Tausch mit der Möglichkeit der Vertragserzwingung durch eine/n Dritte/n wird demnach auch als Fundament erfolgreicher moderner Wirtschaften bezeichnet (ebd., 40 -41). Aus diesem Grund bezeichnet North die Unfähigkeit von Gesellschaften, wirksam und mit geringen Kosten die Erfüllung von Verträgen zu sichern, als die wichtigste Ursache sowohl für die historische Stagnation als auch für die gegenwärtige Unterent wicklung in der so genannten Dritten Welt (ebd., 65). All den bisherigen Ausführungen liegt eine implizite Annahme zugrunde : Men schen tendieren dazu, sich nicht kooperativ zu verhalten. Eine Begründung für diese ziemlich pessimistisch anmutende Prämisse liefert die Spieltheorie. Mit dem einfachen Modell des GefangenendilemmaSpiels lassen sich die Probleme kooperativen Ver haltens leicht aufzeigen . Es handelt sich um ein spieltheoretisches Paradoxon in Form eines »ZweiPersonenNichtNull summenSpiels«, das ein soziales Dilemma zum Thema hat. Dabei geht es ursprünglich um zwei Komplizen, die getrennt über ein Verbrechen verhört werden und je nach Geständniswilligkeit ver schiedene Strafmöglichkeiten zu befürchten haben. Das GefangenendilemmaSpiel wird vorwiegend zur Untersuchung von Konflikt und Kooperationsverhalten und der Lernvorgänge in Interaktionen verwendet. Es zeigt, wie individuell rationale Entscheidungen zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen führen können . Aus der obigen Auszahlungsmatrix ist gut ersichtlich, dass die Auszahlungen so verteilt sind, dass starke Anreize zum Vertrauensmissbrauch bestehen : Wenn A kooperiert, kann B die höchste Auszahlung (15) erhalten, indem B nicht kooperiert und somit das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht. A ist in diesem Fall schlechter gestellt (-5), als wenn er von vornherein beschlossen hätte, nicht zu kooperieren. Gesamtgesellschaftlich betrachtet, also auf die Summe der insgesamt erzielten Auszahlungen bezogen, ist dieses Ergebnis jedoch »suboptimal«. Kommt es nämlich zur Kooperation, ist B zwar etwas schlechter (10 statt 15), A hingegen wesentlich bes ser gestellt (10 statt 5) und daher die Summe der Auszahlungen höher. Deshalb ist ein Konflikt zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Interessen zu erwarten. Diesem Interessenkonflikt kann durch wiederholte Spiele begegnet werden : Erweist sich B in der ersten Runde als nicht vertrauenswürdig, dann wird A in der nächsten Runde nicht kooperieren. In diesem Fall steigen aber beide Beteiligte schlechter aus als im Fall der Koope ration und es besteht ein Anreiz, sich künftig kooperativ zu verhalten . RoseAckermann beschreibt den Kooperation suchenden Prozess folgendermaßen : »Mit dieser Strategie kooperiert ein/e Spieler/in in der ersten Runde, aber wenn sich der/ die andere Spieler/in dafür entscheidet, nicht zu kooperieren, kooperiert der/ die erste Spieler/in in der zweiten Runde nicht und bleibt bei dieser Spielstrategie, bis der/ die andere Spieler/in sich dafür entscheidet, zu kooperieren. Wenn er/ sie dies tut, kooperiert der/ die erste Spieler/in in der nächsten Runde und so weiter. Diese Strategie erfordert überhaupt kein Vertrauen. Ein/e Spieler/in kommuniziert einfach seine/ ihre Absichten mittels der Spielzüge, die er/ sie setzt, aber das Resultat kann letztendlich die Etablierung einer langfristigen Kooperation sein« (RoseAckermann 2001, 9). Diese kooperative Lösung des Gefangenendilemmas beruht allerdings auf Annahmen, die einer Konfrontation mit der Realität nicht standhalten : Vollständige Information, Bezeichnung der Spieltheorie für die tabellarische Darstellung der Auszahlungen an die SpielerInnen in einem Spiel. Die Zeilen und Spalten werden von den möglichen Aktivitäten gebildet, in der Matrix stehen die Auszahlungen (Gewinne oder Verluste) an die SpielerInnen . Im Original : »Under that strategy, a player cooperates in the first round, but if the other player opts not to cooperate, the first player fails to cooperate in the next round and continues to play that stra tegy until the other player opts to cooperate. When he does, the first player cooperates in the next round and so on. This strategy requires no trust at all. A player simply communicates his intentions by the moves he makes, but the result can be to establish longterm cooperation.« www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 endlose Spielwiederholungen und gleich bleibende KooperationspartnerInnen. Die Realitätsferne der Annahme vollständiger Information wurde bereits weiter oben fest gestellt, aber auch die Bedingungen endloser Spielwiederholungen sowie konstanter PartnerInnen erscheinen in modernen Marktwirtschaften illusionär. Die Regel sind vielmehr unpersönliche Tauschbeziehungen mit wechselnden PartnerInnen, die selten oder gar nicht wiederholt werden und durch mehr oder weniger große Informations asymmetrien gekennzeichnet sind. Eine kooperative Lösung des Gefangenendilemmas ist unter diesen Umständen, ohne Erfüllungssicherung durch eine/n unabhängige/n Dritte/n, nicht möglich . Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich, weshalb Institutionen ein so zent raler Stellenwert zukommt und warum das Vertrauen so wichtig ist, das die Bevöl kerung Institutionen entgegenbringt : Unter der Annahme eigenständigen, rationalen Handelns wird der Mensch nur jene Spielregeln befolgen, die ihm sinnvoll und ver trauenswürdig erscheinen. Mit Vertrauenswürdigkeit ist in diesem Kontext vor allem das Vertrauen in die Regeleinhaltung durch andere gemeint. Die Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, ist umso größer, je höher das Vertrauen in deren gerechte Durchset zung und je stärker der Glaube ist, dass sich auch die anderen Gesellschaftsmitglieder regelkonform verhalten . Fehlt es den vorhandenen Institutionen an Glaubwürdigkeit, so wird die Bevöl kerung den daraus resultierenden Vertrauensmangel durch Einschränkung der (po tenziellen) TransaktionspartnerInnen auf Personen ersetzen, denen sie persönliches Vertrauen entgegenbringt. Dies wiederum behindert die effiziente Etablierung des Marktmechanismus und weitgehende Spezialisierung, führt somit zu gesamtgesell schaftlich suboptimalen Ergebnissen. Eine weitere Folge mangelnden Vertrauens in Institutionen ist die Flucht in die Schattenwirtschaft. Darunter wird nicht nur das Nichtentrichten von Steuern und Abgaben, sondern auch der Versuch verstanden, möglichst geringe ausgewiesene Gewinne zu erzielen. Damit gehen meist auch eine weit verbreitete Korruption (für eine Begriffsklärung und Erörterung siehe Kap. 4) sowie ein unbotmäßiger Einsatz von Beziehungen im Sinne eines Nepotismus (»Vetternwirtschaft«) einher . Beste chung steigert nicht nur die Transaktionskosten und die Unsicherheit in einer Volks wirtschaft, sondern führt in der Regel zu ineffizienten ökonomischen Ergebnissen und verhindert damit langfristige in und ausländische Investitionen . Korruption ist nicht deshalb in Entwicklungsländern bzw. Transformations staaten weiter verbreitet, weil hier die Menschen anders wären als in anderen Ländern, sondern weil die Bedingungen Korruption begünstigen (ebd., 9). Die Motivation, (zu sätzliches) Geld zu verdienen, ist extrem stark und wird noch durch Armut sowie geringe und sinkende Gehälter im öffentlichen Dienst gesteigert. Zudem sind Risiken jeder Art (wie Krankheit, Unfälle und Arbeitslosigkeit) in Transformationsstaaten hoch und es fehlt an Möglichkeiten der Risikostreuung, die es in reicheren Ländern gibt (einschließlich Versicherung und eines besser entwickelten Arbeitsmarktes). Nicht nur die Motivation zur Korruption ist stark, es gibt auch viele Möglichkeiten, sich an dieser zu beteiligen (ebd., 3). . Konkret bedeutet ein solcher Vorgang, dass etwa ein/e BeamtIn für die Verteilung knapper Ressourcen an die Bevölkerung zuständig ist und beschließt, anstatt des vom Gesetzgeber vorgesehenen Verteilungsmodus die Marktlogik einzuführen. Diesen An nahmen folgend bedeutet dies, dass nicht der/ diejenige, der/ die gesetzlich dazu be rechtigt ist, von der betroffenen staatlichen Leistung profitiert, sondern der/ diejenige, der/ die am meisten dafür bezahlen will. Es gibt nun zwei mögliche Ursachen für diese Entscheidung : Einerseits ist es durchaus möglich, dass sie ausschließlich dem Streben nach persönlicher Bereicherung des/ der BeamtIn dient, andererseits ist es aber auch denkbar, dass der Gesetzgeber mehr Leistungen zugesagt hat als er Mittel zur Verfü gung stellt, und sich somit der/ die BeamtIn dem Zwang ausgesetzt sieht, eine Auswahl zu treffen. Ein mögliches -wenngleich mit Sicherheit nicht das einzige -Auswahlkri terium ist die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft der BürgerInnen. Dieses Kriterium lässt sich ökonomisch insofern begründen, als davon ausgegangen wird, dass die Zahlungsbereitschaft jener BürgerInnen am höchsten ist, die von der an gebotenen Leistung am meisten profitieren, und dass somit der gesamtgesellschaftliche Wohlstand maximiert werden kann. Diese Argumentation lässt aber unberücksichtigt, Neben diesen von BeamtInnen initiierten korrupten Tauschakten gibt es auch Situationen, in denen die BürgerInnen aus eigener Initiative versuchen, das Recht in ihrem Interesse zu beugen -etwa die Einflussnahme auf öffentliche Vergabeverfahren durch Bestechung der zuständigen BeamtInnen. Die negativen ökonomischen Auswir kungen sind mannigfaltig : Wenn bei der Vergabe von Regierungsaufträgen jene Unter nehmen den Zuschlag bekommen, die am meisten zahlen, kann man davon ausgehen, dass diese tendenziell nicht die Bestqualifizierten sind, da sie es nicht nötig hätten, Schmiergeld zu bezahlen, um einen Auftrag zu bekommen. In einem Wirtschaftsum feld, in dem Bestechung jedoch üblich ist, wird auch den Bestqualifizierten nichts an deres übrig bleiben als zu zahlen, wenn sie Aufträge bekommen wollen : Das Auswahl kriterium der Qualifikation wird durch ein finanzielles Kriterium -das Schmiergeld der MitbewerberInnen -außer Kraft gesetzt und ersetzt. Derartige Praktiken werden sich wahrscheinlich auf die Innovationsfreudigkeit der UnternehmerInnen negativ auswirken : Aufstrebende UnternehmerInnen, die erst versuchen, mit innovativen Produkten auf dem Markt Fuß zu fassen, verfügen wohl kaum über das notwendige Kapital, um sich Regierungsverträge zu »kaufen« -wenig innovative, aber bereits etablierte Unternehmen dürften damit hingegen geringere Prob leme haben. Der damit verbundene volkswirtschaftliche Schaden kann beträchtlich sein : Gesamtgesellschaftlich bedeutende Kriterien wie etwa die Qualität der Leistung oder die effiziente Leistungserbringung können von der Logik der individuellen Ge winnmaximierung einzelner BeamtInnen und UnternehmerInnen abgelöst werden. Schwerwiegende negative Auswirkungen kann zudem das Vorgehen vieler Unter nehmerInnen haben, steuerliche Belastungen und Abgaben durch Bestechung entwe der ganz zu umgehen oder zumindest sehr niedrig zu halten. warnt allerdings auch davor, korrupte Transaktionen pauschal als Effizienz mindernd zu kategorisieren, da dies implizieren würde, dass sämtliche staatlichen Regeln effizient sind. Korruption kann demnach durchaus wohl fahrtssteigernde Effekte haben -dies heißt allerdings nicht, dass Korruption der am besten geeignete Weg ist, um diese Wirkung zu erzielen. Der Autor argumentiert über zeugend, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten einer einmaligen Regeländerung wohl in den meisten Fällen wesentlich geringer sein werden als jene laufenden Kosten, die im Zuge der korrupten Umgehung dieser Regelung anfallen. Für das Vertrauen in Institutionen besteht in den Transformationsstaaten Südosteu ropas eine sehr spezifische und für die weitere Argumentation des Artikels wichtige Ausgangssituation : Die einschlägige Literatur (u. a. ) spricht häufig von der »legacy of distrust« (»Erbe des Misstrauens«), die noch aus früheren, sozialis tischen Zeiten erhalten geblieben sei. Dies ist jedoch nur bedingt richtig. Die folgenden Ausführungen zeigen, dass es sich weniger um einen Vertrauensmangel als vielmehr um unterschiedliche dominante Vertrauensformen handelt. Während das sozialistische System weitgehend auf interpersonellem Vertrauen basierte, ist das marktwirtschaft liche System in seiner modernen Ausprägung, wie bereits erwähnt, in höchstem Maße von generalisiertem Vertrauen abhängig . Interpersonelles Vertrauen konnte als die vorherrschende Handlungsweise im Re alsozialismus gelten : Das Gerüst der planwirtschaftlichen Koordination bildeten enge Netzwerke zwischen UnternehmerInnen und PolitikerInnen auf verschiedenen Ebe nen, aber auch im privaten, inoffiziellen Bereich spielten Beziehungen eine tragende Rolle (ebd., 6 -7). Dies ist nicht zuletzt auch auf die Erosion der Grundfesten des Systems selbst zu rückzuführen : Hatten z. B. die kommunistischen Parolen während des revolutionären Klassenkampfes in Russland noch überzeugen und der kommunistischen Partei Legi timität verleihen können, so büßten sie diese Fähigkeit in späteren Jahren zumindest teilweise ein, als sie immer mehr zu einem totalitären Dogma wurden. Das System ver lor seine Legitimität und wurde von der Bevölkerung mit tiefstem und nachhaltigem Misstrauen bedacht. Soziale Kontakte blieben auf den privaten Rahmen beschränkt. Raiser zufolge zog man es vor, sich zu Hause mit FreundInnen und Familienangehöri gen zu treffen, anstatt Vereinen oder Clubs beizutreten (so genanntes »Cocooning«)aus Angst, dass diese politisch infiltriert sein könnten (ebd., 7). All dies förderte die www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 Entwicklung von generalisiertem Vertrauen, das anonymisierte Transaktionen zulässt, innerhalb der Bevölkerung nur wenig. Dieser Mangel an generalisiertem Vertrauen lässt sich in den postkommunistischen Gesellschaften auch heute noch häufig be obachten . Problematisch wurde die spezifische sozialistische Vertrauensstruktur aber erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Durchführung marktwirtschaftlicher Re formen. Diese erfolgten in den einzelnen Staaten zwar höchst unterschiedlich, hatten aber dennoch eines gemeinsam : Die formgebundenen Institutionen (z. B. Gesetze, Wett bewerbsregeln) wurden verändert, ohne dass sich die formlosen Institutionen -zu de nen wir auch das Vertrauen zählen -in gleichem Maße geändert hätten. Dies bedeutet, dass sich zwar die äußeren Umstände verändert haben, die Bevölkerung aber weiter so wie bisher agiert. Die vorherrschende Handlungsweise im Sozialismus wird schlicht auf den Kapitalismus übertragen und diese Entwicklung birgt einiges an Konfliktpotenzial : »Es ändern sich die formgebundenen Regeln, aber nicht die formlosen Beschränkungen. Infolgedessen baut sich eine anhaltende Spannung zwischen formlosen Beschränkungen und den neuen formgebundenen Regeln auf, da viele von ihnen miteinander unvereinbar sind. … Obwohl es zu einer durchgehenden Änderung der formgebundenen Regeln kommen kann, werden sich gleichzeitig viele formlose Beschränkungen als sehr zählebig erweisen, weil sie immer noch grundlegende Tauschprobleme -sozialer, politischer oder ökonomischer Art -zwischen den Beteiligten lösen. Im Laufe der Zeit ergibt sich daraus tendenziell eine Umgestaltung der Beschränkungen insgesamtin beiden Richtungen -um ein neues Gleichgewicht herzustellen, das viel weniger revolutionär ist« . So kann z. B. die Bevölkerung aufgrund ihres Festhaltens an interpersonellem Vertrau en das Aufkommen eines ökonomischen Wettbewerbs erschweren, obwohl politisch bereits ein System marktwirtschaftlicher Regelungen etabliert wurde. Besonders deutlich wird dieses Problem am Beispiel der Korruption : Das markt wirtschaftliche System, dessen Funktionalität auf generalisiertem Vertrauen beruht, wird ausgehöhlt, indem generalisiertes durch interpersonelles Vertrauen ersetzt wird. Verschärfend kommt noch hinzu, dass in vielen Transformationsländern nach der Wende keine klare personelle Zäsur erfolgte : Die kommunistischen Führungseliten blieben auch im marktwirtschaftlichen System an der Macht. Damit blieben auch die so genannten »oldboys networks« erhalten -mit der Gefahr, dass die Beteiligten diese Netzwerke zur persönlichen Bereicherung nutzen. PolitikerInnen, die sich ihrer diskretionären (dem eigenen Ermessen unterliegen den) Handlungsspielräume eigennützig bedienen, bestätigen das ohnehin dominante öffentliche Misstrauen noch zusätzlich. Sie verhindern, dass sich stabile, vertrauens würdige Institutionen herausbilden -und somit erfolgreiche moderne Marktwirt schaften entstehen. Einen entscheidenden Faktor für das erfolgreiche Fortschreiten marktwirtschaftlicher Reformen stellt die europäische Ebene (Europäische Union) dar. Diese wirkt in zweifacher Hinsicht disziplinierend. Zum einen zwingt der Wunsch, mit westlichen GeschäftspartnerInnen zu ko operieren, die ortsansässigen UnternehmerInnen, sich an gewisse marktwirtschaftliche Spielregeln zu halten. Auch die nationalen Regierungen werden dadurch motiviert, die Etablierung stabiler institutioneller Bedingungen voranzutreiben. In diesem Zusam SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at menhang ist auch die disziplinierende Wirkung eines angestrebten EUBeitritts nicht zu unterschätzen, da dieser den Regierungen eine langfristige Perspektive gibt, auf die es sich lohnt, hinzuarbeiten. Verschiedene Beitrittsbedingungen (etwa die bereits erwähnten »Kopenhagener Kriterien« der EU) können außerdem dazu führen, den Missbrauch diskretionärer Handlungsspielräume einzudämmen. Zusätzlich trägt der glaubhaft angestrebte EU Beitritt dazu bei, dass die nationalstaatliche Politik in der Bevölkerung wieder mehr Glaubwürdigkeit gewinnt . Will man etwa den politischen EUKri terien gerecht werden, wird es für die nationalen Regierungen schwieriger, opportunis tische Handlungsspielräume auszunützen. In den an der Weltwertestudie teilnehmenden Ländern wurden Zufallsstichpro ben im Umfang von rund 1.000 Befragten pro Welle und Land gezogen. Die Befragung erfolgte in Form von FacetoFaceInterviews. Für die gegenständliche statistische Analyse wurden Daten zum Vertrauen in eine Reihe bestimmter Institutionen (Kirche, Militär, Justiz, etc.) bzw. zum Vertrauen in »die meisten Menschen« aus den oben erwähnten zwei Wellen der Weltwertestudie herangezogen. Das Vertrauen in die meisten Menschen wurde deshalb neben dem Institutionen vertrauen in die Analyse integriert, da es laut Inglehart (1999) -ebenso wie das sub jektive Wohlbefinden -eher Indikator einer stabilen Demokratie ist als das Vertrauen in Institutionen. Seine Ergebnisse zeigen, dass Transformationsdemokratien durch ge ringes Vertrauen in die Mitmenschen sowie durch geringes subjektives Wohlbefinden gekennzeichnet sind. Für die Feststellung eines statistischen Zusammenhangs ist es sinnvoll und not wendig, eine möglichst große Anzahl von Fällen -in diesem Fall von Ländern -zu untersuchen. Folgende 42 Staaten wurden analysiert (die Aufzählung beginnt mit den 15 »alten« EUMitgliedern, gefolgt von den zehn neuen Mitgliedstaaten, Beitrittskan didaten, potenziellen Beitrittskandidaten und sonstigen europäischen bzw. Europa geografisch nahen Staaten) : Belgien, Für jedes der 42 Untersuchungsländer wurde beim »Vertrauen in Institutionen« jeweils die Variablenausprägung »sehr großes Vertrauen« bzw. beim »Vertrauen in die meisten Menschen« die Ausprägung »den meisten Menschen kann man vertrauen« zur Analyse des allgemeinen Zusammenhangs verwendet und mit den Wirtschaftsdaten statistisch in Beziehung gesetzt. Durch Einbeziehung von 42 Fällen wurde es möglich, statistische Korrelationen zwischen den jeweiligen Vertrauens und Wirtschaftsindikatoren zu berechnen. Die so gewonnenen Korrelationen bildeten die Ausgangsbasis für die ExpertInneninterviews, die ebenso zur Bestätigung und Überprüfung der Praxisrelevanz der gewonnenen Er kenntnisse dienten wie zur vertiefenden Recherche von Faktoren, die die Wirtschafts entwicklung fördern bzw. behindern können. In Das Vertrauen in Militär, Justiz, Gewerkschaften, Polizei sowie BeamtInnen korreliert 1990 relativ stark negativ mit Bruttoanlageinvestitionen. D. h. je höher das Vertrauen in diese Institutionen ist, desto weniger Bruttoanlageinvestitionen gibt es, bzw. gilt umgekehrt : je höher die Bruttoanlageinvestitionen, desto geringer ist das Vertrauen in Militär, Justiz, Gewerkschaften, Polizei sowie in die öffentliche Verwaltung. Man kann diesen Zusammenhang so interpretieren, dass sich die Menschen in einer guten wirtschaftlichen und investitionsfreundlichen Situation Misstrauen ge genüber diesen Institutionen leisten können, ohne mit Repressalien rechnen zu müs sen. Dieser Zusammenhang lässt auf ein gewisses Vertrauen in die Demokratie bzw. einen bestimmten Demokratisierungsgrad schließen. Im Jahr 2000 konnten keine Korrelationen der Bruttoanlageinvestitionen mit Vertrauen in Institutionen festgestellt werden. 1990 besteht kein Zusammenhang zwischen ausländischen Direktinvestitionen und Vertrauen in die untersuchten Institutionen bzw. in die meisten Menschen. Im Jahr 2000 zeigt sich eine positive Beziehung zwischen Direktinvestitionen und Vertrauen in die meisten Menschen. Je größer das Vertrauen in die meisten Menschen, desto höher sind die ausländischen Direktinvestitionen. Da die Rangkorrelation nichts über die Kausalität des Zusammenhangs aussagt, ist auch eine umgekehrte Interpretation möglich, d. h. je höher die ausländischen Di rektinvestitionen, desto größer ist das Vertrauen in die meisten Menschen. Das ArbeitnehmerInnenentgelt setzt sich zusammen aus den Bruttolöhnen und gehältern sowie aus den tatsächlichen und unterstellten Sozialbeiträgen der ArbeitgeberInnen. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at wobei in der Tabelle lediglich jene Koeffizienten eingetragen sind, die statistisch signifikant sind (entweder auf dem 0,05-oder auf dem 0,01-Niveau ; letztere fett gedruckt). Verständnishilfe : Je näher der Wert des Koeffizienten bei + 1 bzw. -1 liegt, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen jeweils zwei Indikatoren ausgeprägt. Ein positiver Korrelationskoeffizient bedeutet, dass bei einer Steigerung des einen Indikators auch der zweite Indikator steigt ; ein negativer Koeffizient bedeutet dagegen, dass bei einer Steigerung des einen Indikators der zweite Indikator sinkt. Es muss aber immer bedacht werden, dass der Koeffizient nicht angibt, welcher der beiden Indikatoren kausal wirkt. www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 Besteht kein Vertrauen in die Menschen, werden Firmen bzw. ausländische Inves toren eher nicht investieren. Sind die Investitionen aus dem Ausland niedrig, wirkt sich das negativ auf die Wirtschaft aus, und in wirtschaftlich schlechten Zeiten ist das Vertrauen in die meisten Menschen gering (siehe dazu auch . Ein negativer Zusammenhang kann zwischen ausländischen Direktinvestitionen und dem Vertrauen in die Kirche, das Militär und in die Vereinten Nationen festgestellt werden. Höheres Vertrauen in die Kirche, das Militär und die Vereinten Nationen be deutet somit weniger ausländische Direktinvestitionen. Dieser Zusammenhang kann auch so interpretiert werden, dass bei weniger ausländischen Direktinvestitionen der Kirche, dem Militär und den Vereinten Nationen stärker vertraut wird. Großes Ver trauen deutet also auf eine schlechte Wirtschaftslage hin (siehe auch . Die Staatseinnahmen korrelieren 1990 und 2000 signifikant negativ mit dem Vertrau en in die Kirche und die Presse. Je geringer die Staatseinnahmen, desto höher ist das Vertrauen in die Kirche und die Presse bzw. umgekehrt. Im Jahr 2000 zeigt sich zudem ein negativer Zusammenhang mit Vertrauen in das Militär, das Parlament, die BeamtInnen sowie in die EU. Diese Zusammenhänge lassen somit folgende Interpretationen zu : Besteht ein hohes Vertrauen in Militär, Parlament, BeamtInnen sowie in die EU, dann sind die Staatseinnahmen geringer ; andererseits steigt das Vertrauen in Militär, Parlament, BeamtInnen und in die EU, wenn die Staats einnahmen geringer sind. Bei höheren Staatseinnahmen können sich -wie auch schon weiter oben gezeigt -die Menschen ein gewisses Maß an Misstrauen leisten, da es dem Staat wirtschaftlich gut geht. Zwischen den Staatsausgaben und dem Vertrauen in die Kirche lässt sich seit über zehn Jahren ein stabiler negativer Zusammenhang feststellen : Je mehr Vertrauen in die Kirche besteht, desto geringer fallen die Staatsausgaben aus, bzw. wenn die Staats ausgaben gering sind, ist das Vertrauen in die Kirche groß. Die Daten von 2000 zeigen auch noch eine negative Korrelation zwischen den Staatsausgaben und dem Vertrauen in die Presse, das Parlament, die BeamtInnen und die EU. Geringere Staatsausgaben bedeuten demnach ein höheres Vertrauen in die Presse, das Parlament, die BeamtInnen und die EU bzw. umgekehrt. Die Erkenntnis, dass es in wirtschaftlichen Krisenzeiten mehr Vertrauen in Institutionen wie Kirche, Militär, Presse, Parlament, öffentliche Verwaltung gibt, bestätigt sich auch hier : In einer Perio de des Wohlstands sinkt das Vertrauen in ebendiese Institutionen. Über den Zeitraum von zehn Jahren sind stabile negative Korrelationen zwischen den ArbeitnehmerInnenentgelten und dem Vertrauen in die Kirche sowie in die Presse zu verzeichnen. Je geringer die ArbeitnehmerInnenentgelte, desto höher ist das Vertrauen in die Kirche und die Presse. Auch hier ist die umgekehrte Interpretation zulässig. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at Positive Korrelationen sind 2000 mit dem Vertrauen in die meisten Menschen zu re gistrieren, negativ korrelieren die ArbeitnehmerInnenentgelte mit dem Vertrauen in die EU. Wirtschaftlicher Wohlstand drückt sich demnach in Misstrauen gegenüber Kirche und Presse aus und geht mit steigendem Vertrauen in die meisten Menschen einher. Beziehungen zwischen Wirtschaftsindikatoren und Vertrauen in Institutionen bzw. in die meisten Menschen sind vorhanden. Einzelne Vertrauensindikatoren korrelieren signifikant mit einzelnen Wirtschaftsindikatoren. Diese Zusammenhänge sind jedoch nur zum Teil über einen Zeitraum von zehn Jahren stabil, sie verändern sich also. Einige -wenn auch wenige -über die Zeit stabile Beziehungen zwischen den Wirtschaftsdaten und dem Institutionenvertrauen bzw. dem Vertrauen in die meisten Menschen konnten dennoch festgestellt werden. Über den Zeitraum von zehn Jahren weist vor allem das Vertrauen in die Pres se und in die Kirche einen stabilen Zusammenhang mit Wirtschaftsdaten auf. Wenn es den Menschen gut geht und die Wirtschaft floriert, dann ist das Vertrauen in die Kirche eher gering. Bei einem stärkeren Vertrauen in die Kirche geht es andererseits den Menschen, dem Staat und der Wirtschaft tendenziell schlechter. Diese Erkenntnis wird auch von bestätigt : Er meint, nur in Zeiten von Unsicherheit sei eine Hinwendung zu einer höheren Macht zu beobachten. Diese Beziehung zeigt sich auch in den Ergebnissen einer rezenten Befragung von Jugendlichen in Südmähren, in der Westslowakei und im Weinviertel : Jugendliche aus Regionen mit geringerem Wohlstand glauben eher an Gott, und der Glaube spielt in ihrem Leben eine größere Rolle . Zur Identifikation etwaiger Muster bzw. Regelmäßigkeiten ist jedoch eine tiefer gehende Analyse notwendig, die Wirtschaftsdaten mit detaillierteren subjektiven Ver trauenskomponenten differenzierter in Beziehung setzt und verstärkt regionale Unter schiede berücksichtigt. Um die Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Vertrauen in Institutionen bzw. in die meisten Menschen und den Wirtschaftsindikatoren zu überprüfen bzw. einge hender zu analysieren, wurde im Rahmen von ExpertInneninterviews die Situation in Serbien und Mazedonien untersucht. Serbien kann als sehr junger Transformationsstaat bezeichnet werden -die befragten ExpertInnen datieren den Beginn der serbischen Transformation mit 2001 und da mit etwa ein Jahrzehnt später als für die meisten anderen ehemals realsozialistischen Staaten Mittel und Südosteuropas. Angesichts der kurzen Reformperiode ist es wenig verwunderlich, dass Serbien nach wie vor mit großen wirtschaftlichen und gesellschaft lichen Problemen zu kämpfen hat. Heute gilt Mazedonien (gemeinsam mit Serbien und Montenegro) -wie in Kapi tel 4 bereits beschrieben -im internationalen Vergleich als das korrupteste Land Euro pas, wodurch viele potenzielle ausländische InvestorInnen abgeschreckt werden. In den vergangenen Jahren hat die politische Führung Mazedoniens an der Sta bilisierung des Landes gearbeitet. Obwohl der letzte bewaffnete Konflikt bereits im Jahr 2001 stattgefunden hatte, konnten auch noch 2004 latente ethnische Spannungen beobachtet werden. Als besonders dringlich erachtet die internationale Staatengemeinschaft (wie etwa der »Early Warning Report« des United Nations Development Programme/ UNDP aus dem Jahr 2004) die Einführung von Gesetzen zur Entfaltung der freien Marktwirt schaft (z. B. Gesetze zur gerichtlichen Durchsetzung von Verträgen). Der Einfluss der Regierung soll sich daher künftig auf die Sicherstellung fairer Rahmenbedingungen konzentrieren -ebenso soll eine Harmonisierung der Gesetzgebung im Hinblick auf den 2012 oder 2013 angestrebten Beitritt zur Europäischen Union erfolgen. Die Angabe in Kaufkraftparitäten hat den Vorteil, unterschiedliche nationale Preisniveaus auszu gleichen und somit zu einer bestmöglichen direkten internationalen Vergleichbarkeit beizutragen. 0 http ://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/yi.html, 14. 9. 2005. http ://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/mk.html#Econ, 15. 9. 2005. Trotz einer teilweise unterschiedlichen Geschichte und anderer politischer bzw. wirt schaftlicher Ausgangsbedingungen decken sich -wie der folgende Abschnitt zeigt -die Ergebnisse der ExpertInneninterviews zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie zum Vertrauen in Institutionen in Serbien und Mazedonien weitgehend. In weiterer Folge wird jedes der beiden Untersuchungsländer getrennt behandelt, wobei auch Interview passagen zur Veranschaulichung angeführt werden. Analysiert man die jeweiligen Aussagen im Hinblick auf bestimmte Muster bzw. Ge meinsamkeiten, lässt sich für beide Länder Folgendes feststellen : Korruption beeinflusst die Wirtschaftsentwicklung negativ. Sie ist auf allen Ebe nen und in allen Bereichen zu beobachten und beeinträchtigt das Vertrauen sowohl in Institutionen als auch in Personen. Dies erklärt auch wesentlich den Umstand, dass ausländische InvestorInnen Serbien und Mazedonien großteils immer noch meiden. Die ausgesprochen niedrigen BeamtInnengehälter, mit denen selbst grundlegende Le bensbedürfnisse kaum befriedigt werden können, machen die befragten ExpertInnen am häufigsten für die weit verbreitete Korruption verantwortlich. Darüber hinaus sehen sie das geringe Lohnniveau und eine undurchsichtige Steu ergesetzgebung als Ursachen für eine in beiden Ländern umfangreiche Schattenwirt schaft an. Auch das mangelnde Vertrauen in die Justiz bzw. in das Rechtssystem gilt als Hindernis für eine positive Wirtschaftsentwicklung. Das geringe Vertrauen in die Regierungen beider Ländern behindert auch ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Manifest wird dies insbesondere bei den von den be fragten ExpertInnen als äußerst wichtig erachteten Privatisierungen. Das Vertrauen der Bevölkerung in ausländische bzw. internationale Einrichtungen und Organisationenv. a. in die ausländischen Banken -ist größer als jenes in inländische Einrichtungen. Als ein Hindernis für den Aufbau einer funktionierenden mittelständischen Wirtschaft wurde von den befragten ExpertInnen immer wieder das »unternehmens gründungsfeindliche Klima« genannt. Für Verfahren und Genehmigungen zur Unter nehmensgründung muss regelmäßig mit einem Zeithorizont von bis zu einem Jahr so wie sehr häufig auch mit zusätzlichen Kosten (Bestechungsgeldern) gerechnet werden. Die Beurteilungen der ExpertInnen im Hinblick auf die größten Hemmnisse für die noch nicht richtig in Gang gekommene serbische Wirtschaft decken sich weitgehend mit den Schlussfolgerungen der ökonomischen Theorie. Folgende Bereiche gelten als besonders problematisch : . Das Vertrauen in Fremde (im Sinne von AusländerInnen) ist tendenziell groß, so lange diese nicht die »nationale Ehre« beleidigen oder jüngste historische Ereignisse kri tisieren. Für sehr hoch schätzen die ExpertInnen auch das Niveau von interpersonellen Vertrauensbeziehungen ein : Freundschaftliche Netzwerke und gegenseitige Hilfestel lungen ermöglichen vielen Menschen das Überleben. Auch die Schilderungen der mazedonischen ExpertInnen und der jüngste »Early War ning Report« des UNDP bestätigen unsere Resultate : »Dieses ungünstige sozio-ökonomische Klima ist unweigerlich mit einem extrem niedrigen Vertrauen in Institutionen verknüpft« . Im Folgenden fasst eine Übersicht die nach Ansicht der befragten ExpertInnen größten Probleme zusammen : . Rechtssystem : Das äußerst schwach ausgeprägte Rechtssystem stellt ein zent rales Problem dar, weshalb Reformen zur Vertrauensbildung dringend notwendig sind, wie etwa auch ein Mitglied der Europäischen Kommission in Mazedonien argumen tiert : »Vertrauen in Institutionen bedeutet Vertrauen in sich reformierende Institutionen, in Institutionen mit Selbstbeschränkung, die akzeptieren, dass ihre Rechte in gewisser Weise begrenzt werden.« . Schattenwirtschaft : Die Existenz einer erheblichen Schattenwirtschaft führt zu beträchtlichen Einnahmenseinbußen für den Staat, der in der Folge nicht mehr über genügend finanzielle Mittel für dringend notwendige Reformen verfügt. . Korruption : Die ExpertInnen machen die äußerst weit verbreitete Korruption direkt vom schwachen Rechtssystem abhängig, das Schattenwirtschaft weitgehend to leriert und möglichen InvestorInnen keine Rechtssicherheit bieten kann. Ein Ökonom merkte zum Delikt Korruption an : »Man wird leicht fälschlich beschuldigt ! Deshalb denken viele Beamte : ›Warum sollte ich es nicht tun ? Man beschuldigt mich ohnehin …‹.« . Niedrige ausländische Direktinvestitionen : Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist das Klima für Direktinvestitionen wegen politischer Instabilität, Kor ruption und des schwachen Justizsystems sehr ungünstig. Mazedonien rangiert deshalb unter allen mittel und osteuropäischen Transformationsländern immer noch an letz ter Stelle. Für eine andere Wirtschaftsexpertin ist besonders Folgendes problematisch : »Die Regierung steht in einem zu engen Verhältnis zu den Firmen (Anm. : gemeint sind Firmen aus der Zeit des Realsozialismus, die bislang nicht in die marktwirtschaftliche Selbständigkeit entlassen wurden). Ihr Fokus richtet sich auf technische Dinge und den Fragebogen der Europäischen Kommission, nicht auf Reformen !« Die AutorInnen interpretieren den von der Expertin verwendeten, etwas unklaren Terminus »tech nische Dinge« so, dass die Regierung zu sehr mit sich selbst und ihrer Aufrechterhaltung beschäftigt ist, als dass sie entsprechende Reformen durchführen könnte. Die befragten ExpertInnen bestätigten auf Nachfrage einhellig, dass das große Vertrauensdefizit der Bevölkerung in die Institution »Markt« ein zentrales Problem in Mazedonien sei. Die Menschen hätten die negativen Auswirkungen der Transforma tion früher als die positiven gespürt und stünden daher dem Markt sehr misstrauisch gegenüber. Außerdem herrschen beträchtliche interethnische Spannungen zwischen der mazedonischen und der albanischen Bevölkerungsgruppe. Dies führt dazu, dass die Mitglieder der einen Volksgruppe den Mitgliedern der anderen kaum oder gar nicht vertrauen. Außerdem zeigen sich die ethnischen Spannungen auch im Bereich des Justizwesens : Es ist eine Tendenz zur Ungleichbehandlung von Angehörigen der jeweils anderen Volksgruppe festzustellen. Daher ist das Vertrauen in die mazedo nische Justiz extrem niedrig. Aus historischen Gründen -die Souveränität Mazedo niens wurde immer wieder in Frage gestellt -konstatieren die ExpertInnen auch eine großteils negative Haltung der mazedonischen Bevölkerung gegenüber ausländischen InvestorInnen. Während BeamtInnen, politische Parteien und PolitikerInnen sowie die Polizei und Armee in der mazedonischen Bevölkerung wenig bis kein Vertrauen besitzen, genießen Banken und Gewerkschaften, aber auch supra und internationale Organi sationen wie die EU, die NATO und UNO wegen ihrer wahrgenommenen Professio nalität und Zuverlässigkeit relativ großes Vertrauen. Dieses wird ihnen nach Ansicht der ExpertInnen jedoch nur solange zugeschrieben, als sie keine Aussagen tätigen oder Empfehlungen abgeben, die als Einmischung in innermazedonische Angelegenheiten gewertet werden könnten. Im vorliegenden Beitrag konnte anhand der ExpertInneninterviews gezeigt werden, dass eine moderne Marktwirtschaft in höchstem Maße vom Vertrauen der Bevölke rung abhängig ist, und zwar sowohl auf der Ebene des Institutionenvertrauens als auch auf jener des generalisierten Vertrauens (also des Vertrauens in anonyme Interaktions partnerInnen). Daraus kann geschlossen werden, dass sich bei einem Mangel an derartigem Ver trauen kein funktionierender Markt entwickeln kann und die Tauschakte der Bevölke rung auf einen relativ kleinen Kreis meist persönlich bekannter Personen beschränkt bleiben. Unter diesen Umständen ist eine Arbeitsteilung, die auf generalisiertem Ver trauen beruht und die einer funktionierenden Marktwirtschaft zugrunde liegt, schwer zu erreichen. Dadurch kommen die positiven marktwirtschaftlichen Wohlfahrtseffekte nicht zum Tragen. Aufgezeigt wurde außerdem, dass in den Transformationsstaaten mangelndes Institutionenvertrauen zusammen mit der Übernahme von im Sozialismus vorherr schenden Handlungsweisen in marktwirtschaftliche Strukturen zu bestimmten Be wältigungsstrategien der Bevölkerung führt. Diese können zwar kurzfristig individuell sinnvoll erscheinen, gesamtgesellschaftlich aber verheerende Folgen haben : Das zeigt sich in Form von Korruption, Schattenwirtschaft sowie im exklusiven Vertrauen auf persönliche Beziehungen. Die Auswertung der Interviews mit ExpertInnen aus Serbien und Mazedonien hat ergeben, dass dies auch tatsächlich die am dringlichsten wahrgenommenen Probleme dieser beiden jungen Marktwirtschaften sind. Vertrauen in Institutionen kann dem nach zu Recht als entscheidender Faktor für die Wirtschaftsentwicklung angesehen werden. Diese Erkenntnis weist auf eine wichtige Herausforderung für die Politikgestal tung hin : Zentrales Anliegen der Politik muss es sein, das Vertrauen der Bevölkerung in die marktwirtschaftlichen und staatlichen Institutionen nachhaltig zu erhöhen -ins besondere durch eine stärkere Transparenz staatlicher Tätigkeit, die rasche Umsetzung von Reformvorhaben und nicht zuletzt durch eine Stärkung der Zivilgesellschaft. In diesem Prozess spielt auch die europäische Ebene eine gewichtige Rolle. Sowohl der Wunsch, mit westlichen Unternehmen zu kooperieren als auch ein angestrebter EU Beitritt bergen ein enormes Disziplinierungspotenzial in dem Sinn, dass Individualin teressen zugunsten gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrtseffekte zurückgestellt werden. Diese beiden Ziele können auch der nationalstaatlichen Politik -und damit den natio nalen Institutionen -größere Glaubwürdigkeit verleihen. Jg.) Heft Jg.) Heft Critical Economic Methodology. A Personal Odyssey European Commission Pocketbook on Candidate Countries and Western Balkan Countries Defining and Estimating Underground and Informal Economies : The New Institutional Economics Approach In : World Development, Nr The Methodology of Positive Economics Essays in Positive Economics. Chicago Can We Trust Trust ? Trust : Making www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau and Breaking Cooperative Relations Korruption und Entwicklung Do We Want Trust in Government ? Demo cracy and Trust Jugend im Grenzland. Endbericht zum Projekt Nr. 10.619 des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank World Economic Outlook Database IMF Trust, Well-Being and Democracy Demo cracy and Trust Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung How Can we Trust in Fellow Citizens ? Democracy and Trust Trust in Transition. EBRD Working Paper Trust, Honesty and Corruption -Reflection on the State-Building Process. Yale Law School John M. Olin Center for Studies in Law Towards a Justification of Social Ownership : A Comparison of the Property Rights, Social Choice and Economic Justice Approach Bd. 41. Frankfurt a. M. u. a. Stallaerts Illegale Transaktionen und staatliches Handeln -Eine institutionenökonomische Analyse korrupter Austauschbeziehungen Corruption & Democracy : Political Institutions, Processes and Corruption in Transformation States in East-Central Europe and in the Former Soviet Union. Insti tute for Constitutional and Legislative Policy United Nations Development Pro gramme UNDP Vertrauen und Kontrolle in Transaktionen -Eine institutionenökonomische Analyse Democracy and Trust Kontrolle ist gut -Vertrauen ist besser ? -Bedingungen unternehmerischen Handelns in Transformationsländern Calculativeness, Trust and Economic Organization Journal of Law & Economics, XXXVI Vertrauen in Institutionen als Voraussetzung für Wirtschaftsentwicklung ? Eine Analyse am Beispiel ausgewählter Staaten Südosteuropas Barbara Beinstein barbara_beinstein@yahoo.de Marc Bittner marc.bittner@sws-rundschau.at Tamara Ehs tamara.ehs@univie.ac.at Michaela Hudler- Seitzberger michaela.hudler@plg.at Christian Stromberger christian.stromberger@univie.ac.at Wien Beinstein / M Bittner / T Ehs / M Hudler-Seitzberger Vertrauen in Institutionen als Voraussetzung für Wirtschaftsentwicklung ? Eine Analyse am Beispiel ausgewählter Staaten Südosteuropas GROBID - A machine learning software for extracting information from scholarly documents Ausgangspunkt des Artikels ist die Beobachtung, dass viele europäische Transformations staaten trotz erfolgter Systemumstellung auf politischer und wirtschaftlicher Ebene nach wie vor mit gravierenden Problemen konfrontiert sind. Es stellt sich daher die Frage, warum sich die nutzbringenden Wirkungen des Marktes in diesen Ländern bislang nicht entfalten konnten. Die Hypothese der AutorInnen lautet, dass dies zumindest partiell auf mangeln des Vertrauen der Bevölkerung in die bestehenden Institutionen zurückzuführen ist. Ausge hend von den Erkenntnissen der Neuen Institutionenökonomie werden im ersten Teil des Beitrags -nach einer Definition der zentralen Begriffe -die für die Fragestellung relevanten theoretischen Zusammenhänge erläutert. Im zweiten Teil des Artikels werden diese einer em pirischen Überprüfung unterzogen. Die Analyse zeigt, dass sowohl die interviewten Exper tInnen als auch die Ergebnisse der Korrelationsanalyse die im theoretischen Teil erarbeiteten Zusammenhänge zumindest teilweise bestätigen : Eines der vorrangigen Ziele jeder Wirt schaftspolitik in Transformationsstaaten sollte sein, das Vertrauen der Bevölkerung in Institu tionen nachhaltig zu stärken. Einleitung Die Europäische Union erfährt kontinuierliche Veränderungen ; der gleichzeitige Bei tritt von zehn Staaten im Mai 2004 stellte bislang das größte Erweiterungsprojekt in der Geschichte der EU dar. Nach den für das Jahr 2007 in Aussicht gestellten Beitritten Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union melden nun auch andere Staaten Südosteuropas bzw. des Westbalkans ihren Wunsch nach einer Mitgliedschaft an. Erst im November 2005 hatte die Europäische Kommission empfohlen, die »For mer Yugoslav Republic of Macedonia« (FYROM, in der Folge kurz »Mazedonien« ge nannt) zum offiziellen EUKandidatenland zu erheben, im Dezember bestätigten die Staats und RegierungschefInnen der Europäischen Union Mazedonien offiziell als Kandidaten für eine EUMitgliedschaft. Des Weiteren begannen zeitgleich die Ver handlungen mit Serbien und Montenegro sowie mit Bosnien und Herzegowina über ein Assoziierungs und Stabilisierungsabkommen (SAA). Die allgemeinen Bedingungen für einen Beitritt zur Europäischen Union sind seit 1993 in den »Kopenhagener Kriterien« festgeschrieben, die sowohl politische Be Ein Datum für die Aufnahme von konkreten Beitrittsverhandlungen gibt es jedoch noch nicht. Der weitere Beitrag behandelt wegen der großen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den beiden Teilrepubliken nicht die Staatenunion Serbien und Montenegro, sondern ausschließlich die Republik Serbien. Auch die Europäische Union führt die SAAVerhandlungen über Wirtschafts und Handels fragen mit den beiden Teilrepubliken getrennt durch. wertungsmerkmale (institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ord nung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten) als auch wirtschaftliche Kriterien (funktions und wettbewerbsfähige Marktwirt schaft) festlegen. Zweifel, ob die politischen und wirtschaftlichen Reformen in jenen Transformationsstaaten genügend weit fortgeschritten wären, gaben Anlass für ein Forschungsprojekt, in dessen Rahmen untersucht wurde, wodurch der Aufbau einer freien Marktwirtschaft gehemmt wird. Besonderes Augenmerk kam dem Vertrauen in Institutionen zu, das -wie in diesem Forschungszusammenhang bestätigt werden konnte -einen maßgebenden Faktor für wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Im Zuge des Zusammenbruchs der kommunistisch bzw. realsozialistisch ge prägten Regime in vielen Staaten Mittel und Südosteuropas erwarteten zahlreiche Sozial und WirtschaftswissenschafterInnen eine rasche Synergie zwischen Demokra tie, Wirtschaftswachstum und sozialem Frieden. Doch der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung erwies sich als komplizierter als die neoklassisch geprägte Ökonomie angenommen hatte : Deren Theorien hielten den neuen Herausforderungen nicht mehr stand, da sie vor allem über langfristige Ent wicklungen kaum Auskunft geben konnten. Als neue Denkrichtung der Sozial und Wirtschaftswissenschaften hat sich daher in der »Neuen Institutionenökonomie« und in der »SozialkapitalTheorie« seit den späten 1980 erJahren und im Zuge des Zusammenbruchs der kommunistischen Re gime in Europa folgende Auffassung etabliert : Freie Marktwirtschaft und Demokratie führen nur dann zu wirtschaftlichem Erfolg, wenn sie sich auf ein gut funktionierendes Daneben kommt noch das »Acquis-Kriterium« zum Tragen, nämlich die Fähigkeit, sich die aus einer EUMitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und Ziele zu eigen zu machen. Dies bedeutet, dass das Regelwerk, der »gemeinschaftliche Besitzstand« übernommen werden muss (Acquis com munautaire, ca. 80.000 Seiten Rechtstexte). Projekt Nr. 10.573 des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank »Vertrauen in Institutio nen -Ein maßgebender Faktor für wirtschaftliche Entwicklung« (Projektleitung : Botschafter i. R. Dr. Albert Rohan, ProjektmitarbeiterInnen : Mag. Marc Bittner, Dr. Tamara Ehs, Dr. Michaela Hud lerSeitzberger, Mag. Christian Stromberger, Laufzeit : Jänner 2005 -April 2006 . Die Neoklassik geht auf Theoretiker wie Léon Walras (1843 -1910) oder Alfred Marshall (1842 -1924) zurück. Neoklassisch orientierte WissenschafterInnen legen sich ein strenges Muster an Vorannah men zugrunde, das ihnen einen mathematischen Zugang ermöglicht. Sie arbeiten großteils mit Modellen eines allgemeinen Gleichgewichts auf allen Märkten. In solchen Modellen bewegt sich das System ohne äußere Eingriffe und erzielt eine optimale Allokation der Ressourcen. Die Neoklassik dient heute weithin der Rechtfertigung liberalistischer Wirtschaftspolitik (FuchsHeinritz et al. 1994, 462) . Ihr wird in weiterer Folge besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie ergänzt das einfache Modell der Neoklassik vom »homo oeconomicus«, das auf der Vorstellung der vollständigen Rationalität der Wirtschaftssubjekte beruht, um realitätsnähere Annahmen. Die noch junge SozialkapitalTheorie rückt den sozioökonomischen Aspekt der gesellschaftlichen Beziehungen auf der individuellen Handlungsebene in den Vordergrund. Die ausschließliche Kon zentration auf physisches Kapital und Humankapital als Wirtschaftsfaktoren erzeugt nach Ansicht der VertreterInnen der SozialkapitalTheorie einen »missing link« im Erklärungsgerüst des Wirt schaftsprozesses. Mit dem Begriff »Sozialkapital« erhebt diese Theorie den Anspruch, soziale Bezie hungen als wesentlichen Wirtschaftsfaktor zu berücksichtigen. Zu den wichtigsten VertreterInnen gehören u. a. Coleman, Putnam und Bourdieu (siehe dazu näher Schechler 2002) . Netz von stabilen sozialen Bindungen, Gruppierungen und Organisationen stützen können. Denn -so die Hypothese -nur diese sozialen Gemeinschaften schaffen sinn volle und anerkannte Normen, die friedliche Konfliktlösungen und Geschäftstransak tionen ermöglichen. Einzig auf solchen flexiblen, aber fest eingehaltenen Normen beruht jenes Vertrauen in gegenseitige Fairness und das Einhalten von Regeln und Kontrakten, das Korrup tion, Chaos und Gewalt verhindern kann. Ohne dieses »institutionelle Kapital« an Vertrauen nützen Bildungsinitiativen und Qualifizierungsmaßnahmen für die Bevöl kerung nur wenig. Das Bekenntnis zum Markt allein ist demnach vermutlich kein Garant für wirt schaftlichen Fortschritt. Wie aber lassen sich diese marktwirtschaftlichen Leistungsde fizite erklären ? Wovon hängt es ab, ob der Markt seine positiven Wirkungen entfalten kann oder nicht ? Einen Schritt zur Beantwortung dieser Fragen unternimmt die vorliegende Arbeit, in der die Bedeutung des Vertrauens in Institutionen für die Wirtschaftsentwicklung untersucht wird. Dies geschieht in zwei Schritten : Im ersten -theoretischen -Teil wird nach Klärung der zentralen Begriffe die ökonomische Bedeutung von Institutionen und von Vertrauen in Institutionen dargestellt (Kap. 2 und 3). Außerdem wird auf das in den Transformationsstaaten Südosteuropas besonders gravierende Phänomen der Korruption (Kap. 4) sowie auf die in diesem Raum vorherrschende besondere Aus gangslage für das Vertrauen in Institutionen eingegangen (Kap. 5). Der zweite Teil des Artikels (Kap. 6) zielt auf die empirische Überprüfung der theoretisch gewonnenen Erkenntnisse und der aufgestellten Hypothesen. Dies erfolgt einerseits im Rahmen einer Sekundäranalyse von statistischem Datenmaterial für 42 Länder, indem Korrelationen zwischen Vertrauen in Institutionen und Wirtschaftsent wicklung überprüft werden, und andererseits anhand qualitativer Daten aus ExpertIn nenbefragungen für die Länder Serbien und Mazedonien -beides Transformations staaten, die mit großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen zu kämpfen haben. In einem letzten Abschnitt werden schließlich die wichtigsten theoretischen und empirischen Ergebnisse zusammengeführt, um die Forschungsfrage nach dem Zu sammenhang des Vertrauens in Institutionen mit der Wirtschaftsentwicklung zu be antworten. »Vertrauen« in »Institutionen« -Begriffsklärungen Die Begriffe »Institution« und »Vertrauen« teilen ein ähnliches Schicksal -beide wer den häufig verwendet und bleiben doch in ihrer genauen Bedeutung oft recht unklar. Dies liegt einerseits am ungenauen alltäglichen Sprachgebrauch und andererseits an der Vielfalt von wissenschaftlichen Zugängen zu diesen Kategorien. So vielfältig wie die wissenschaftliche Anwendung dieser Konzepte, so unterschiedlich sind auch die Definitionen -es gibt u. a. ökonomische, soziologische und politikwissenschaft liche -, aber auch innerhalb der jeweiligen Disziplin ist man von Einheitlichkeit weit entfernt. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at Umso wichtiger ist es, jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung eine Begriffs klärung voranzustellen, um Missverständnisse so weit wie möglich zu vermeiden. Dies ist das Ziel der nächsten beiden Teilkapitel. Institution In der Literatur finden sich zahlreiche, zum Teil stark divergierende oder gar wider sprüchliche, Definitionen des Begriffs »Institution«. Die folgende Analyse beruht auf den von Douglass C. North im Jahr 1992 in seinem Buch »Institutionen, institutio neller Wandel und Wirtschaftsleistung« formulierten Erkenntnissen der Neuen In stitutionenökonomie. Daher erscheint es angebracht, die diesem Ansatz zugrunde gelegte Definition zu übernehmen, auch wenn sie den Institutionenbegriff enger fasst als manche andere. »Institutionen sind die Spielregeln einer Gesellschaft oder, förmlicher ausgedrückt, die von Menschen erdachten Beschränkungen menschlicher Interaktion« (North 1998, 3) . Die Aufgabe von Institutionen ist es nach dieser Auslegung, über die Etablierung von Verhaltensrichtlinien dazu beizutragen, dass soziale Interaktionen besser erwartbar und Unsicherheiten reduziert werden. Im gängigen, alltäglichen Sprachgebrauch wer den mit dem Begriff Institution aber häufig auch Einrichtungen -wie z. B. Gerichte, Polizei, Regierung -sowie Personen bezeichnet. North propagiert eine differenziertere Herangehensweise, indem er zwischen In stitution und Organisation unterscheidet. »Unter den Begriff der Organisation fallen öffentliche Körperschaften (politische Parteien, der Senat, ein Stadtrat, eine Verwaltungsbehörde) , Rechtspersonen des Wirtschaftslebens (Unternehmen, Gewerkschaften, landwirtschaftliche Familienbetriebe, Genossenschaften) und Anstalten des Bildungswesens (Schulen, Universitäten, Berufsbildungszentren) . Es handelt sich um Gruppen von Einzelpersonen, die ein gemeinsamer Zweck, die Erreichung eines Zieles, verbindet« (ebd., 5) . Norths Institutionenbegriff umfasst folglich nur einen Teil dessen, was vielfach unter einer Institution verstanden wird. Obwohl auf der theoretischen Ebene durchaus sinn voll, weil prägnanter formuliert, sieht man sich bei der empirischen Arbeit vor Prob leme gestellt : Einerseits muss der Begriff der Institution -laut Norths Definition ein abstraktes Konstrukt -operationalisiert werden (am besten ist dies über die damit zu sammenhängenden Organisationen wie etwa Gerichte möglich). Andererseits riskiert man Verständnisschwierigkeiten, da damit zu rechnen ist, dass die meisten Menschen nicht zwischen Organisation und Institution im Sinne von North unterscheiden. Bei einer empirischen Primärerhebung ist die Gefahr nicht übereinstimmender Definiti onen zwischen InterviewerIn und Interviewtem/ r folglich sehr groß. Aus diesen Gründen wurde dem empirischen Teil dieser Arbeit ein von North abweichender, auch Organisationen umfassender Institutionenbegriff zugrunde gelegt, während die theoretische Analyse der Kategorisierung dieses Autors folgt. Trotz der konzeptuellen Trennung von Institution und Organisation ist sich North der gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen bewusst : Einerseits stecken In weiterer Folge beziehen sich die entsprechenden Literaturhinweise auf die gleichnamige Ausgabe von 1998. www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 die Institutionen den Handlungsrahmen ab, innerhalb dessen sich die einzelnen Or ganisationen bewegen können, andererseits haben diese wiederum vielfältige Mög lichkeiten, auf die konkrete Ausgestaltung der Institutionen Einfluss zu nehmen. Auf welchem Wege diese Einflussnahme erfolgt, hängt u. a. davon ab, ob es sich um form lose oder um formgebundene Institutionen (North 1998, 4) handelt. Unter formlosen Institutionen versteht North Sitten, Bräuche und jede andere Art sozialer Konvention. Formgebundene Institutionen -Gesetze, Verfassungen, etc. -können über politische Einflussnahme verändert werden, was allerdings entsprechendes politisches Gewicht voraussetzt. Obwohl hier auf den ersten Blick der Eindruck entstehen könnte, formlose Be schränkungen seien einfacher zu verändern, lässt sich häufig das Gegenteil beobachten : Die Modifikation formgebundener Beschränkungen kann zwar »von oben« angeordnet und durchgesetzt werden, die Veränderung sozialer Konventionen lässt sich auf diese Weise allerdings nicht erreichen -dafür ist es notwendig, dass sich das gewünschte abweichende Verhalten zu einem Massenphänomen ausweitet, um allgemeine Aner kennung zu erfahren. Dieser Prozess ist politisch kaum beherrschbar und überdies meist sehr langwierig. Vertrauen Der Begriff »Vertrauen« wird ebenfalls sehr unterschiedlich definiert. Der Soziologe Diego Gambetta etwa bestimmt Vertrauen folgendermaßen : »Vertrauen ... ist ein bestimmter Grad der subjektiven Wahrscheinlichkeit, mit der eine handelnde Person annimmt, dass eine/ ein andere/r oder eine andere Gruppe von Personen eine bestimmte Handlung setzen wird. ... Wenn wir sagen, das wir jemandem vertrauen oder dass jemand vertrauenswürdig ist, meinen wir implizit, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er/ sie eine Handlung setzen wird, die für uns nutzbringend oder zumindest nicht nachteilig ist, für uns hoch genug ist, um zu erwägen, irgendeine Form der Kooperation mit ihm/ ihr einzugehen« (Gambetta 1990, 218) . Im wissenschaftlichen Diskurs werden darüber hinaus noch verschiedene Formen des Vertrauens unterschieden. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansätze : Im Kon text dieses Artikels scheint Raisers Unterteilung in interpersonelles Vertrauen und generalisiertes Vertrauen ausreichend (Raiser 1999, 2) : Interpersonelle Vertrauensbe ziehungen basieren demnach auf gegenseitigem und auf persönlicher Bekanntschaft beruhendem Vertrauen, während generalisiertes Vertrauen von anonymen und vor wiegend einseitigen Transaktionen geprägt ist. Das generalisierte Vertrauen kann man also als eine Art »Grundvertrauen« bezeichnen, das nicht voraussetzt, dass man Trans aktionspartnerInnen aufgrund von bisherigen konkreten Erfahrungen einschätzen können muss. Obwohl generalisiertes Vertrauen im konkreten Transaktionsprozess von der Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers unabhängig ist, kann die Frage, inwieweit eine Im Original : »Trust … is a particular level of subjective probability with which an agent assesses that another agent or group of agents will perform a particular action. … When we say we trust someone or that someone is trustworthy, we implicitly mean that the probability that he will perform an ac tion that is beneficial or at least not detrimental to us is high enough for us to consider engaging in some form of cooperation with him.« Person generalisiertes Vertrauen überhaupt ausbildet, nur vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Erfahrungen und Lebensumstände beantwortet werden. Indirekt hängt also auch diese Vertrauensform vom Verhalten der anderen ab (RoseAckermann 2001, 10). »Vertrauen in Institutionen« als Messdimension in der Sozialforschung »Vertrauen in Institutionen« ist ein wichtiger Sozialindikator, der sich in fast allen internationalen sozialwissenschaftlichen Umfrageprogrammen (beispielsweise World Values Survey, International Social Survey Programme, Eurobarometer) wiederfindet. Zahlreiche Forschungsinitiativen setzten sich mit dem Zusammenhang zwischen In stitutionenvertrauen und Demokratisierung auseinander : 0 Hardin (1999) etwa befasst sich eingehend mit der Frage, inwiefern Vertrauen in eine Regierung erforderlich ist, an die man in repräsentativen Demokratien Entscheidungen delegiert. Offe (1999) Diesem Versäumnis der neoklassischen Ökonomie versucht der Transaktions kostenansatz der Neuen Institutionenökonomie insofern beizukommen, als die Höhe der anfallenden Transaktionskosten als entscheidender Faktor mitberücksichtigt wird. Transaktionskosten umfassen die Kosten der Messung der wertvollen Eigenschaften der getauschten Gegenstände sowie jene der Überwachung und Durchsetzung von Vereinbarungen (North 1998, 32) . Die Höhe der Transaktionskosten ergibt sich aus dem Ausmaß der Informationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien und dem Risiko der Nichterfüllung des Vertrages. Besagtes Risiko geht in Form einer Risikoprämie in die Transaktionskosten ein, die umso höher wird, je größer das Risiko ist (ebd., 39) . In einfachen Wirtschaftssystemen, in denen sich die TransaktionspartnerInnen auf eine überschaubare Gruppe persönlich bekannter Personen beschränken -z. B. innerhalb einer Dorfgemeinschaft -, hält sich das Risiko der Nichterfüllung in Gren zen, die Transaktionskosten sind daher relativ gering. Ein völlig anderes Bild ergibt sich in komplexen Wirtschaften : Die Anzahl der (potenziellen) TauschpartnerInnen ist enorm : Es ist unmöglich, jede/n Einzelne/n persönlich zu kennen, um ihre/ seine Ver trauenswürdigkeit besser einschätzen zu können. Auch soziale Sanktionsmechanismen fallen der Anonymität zum Opfer -das Risiko der Nichterfüllung wächst beträchtlich und somit steigen auch die Transaktionskosten. Diese werden oft so hoch, dass über haupt kein Tausch zu Stande kommt (North 1998, 40) . An diesem Punkt kommen nun die Institutionen ins Spiel : Wie oben bereits an geführt bilden Institutionen den Handlungsrahmen, der das Zusammenleben einer Gemeinschaft normiert. Sie gewährleisten ein Mindestmaß an Erwartbarkeit in sozi alen Interaktionen und tragen somit wesentlich zur Reduktion von Unsicherheiten bei. Insbesondere in arbeitsteiligen Wirtschaften mit entsprechend hohen Spezialisierungs graden sind funktionierende Institutionen äußerst wichtig. Der unpersönliche Tausch mit der Möglichkeit der Vertragserzwingung durch eine/n Dritte/n wird demnach auch als Fundament erfolgreicher moderner Wirtschaften bezeichnet (ebd., 40 -41). Aus diesem Grund bezeichnet North die Unfähigkeit von Gesellschaften, wirksam und mit geringen Kosten die Erfüllung von Verträgen zu sichern, als die wichtigste Ursache sowohl für die historische Stagnation als auch für die gegenwärtige Unterent wicklung in der so genannten Dritten Welt (ebd., 65). All den bisherigen Ausführungen liegt eine implizite Annahme zugrunde : Men schen tendieren dazu, sich nicht kooperativ zu verhalten. Eine Begründung für diese ziemlich pessimistisch anmutende Prämisse liefert die Spieltheorie. Mit dem einfachen Modell des GefangenendilemmaSpiels lassen sich die Probleme kooperativen Ver haltens leicht aufzeigen (North 1998, 14 -16) . Es handelt sich um ein spieltheoretisches Paradoxon in Form eines »ZweiPersonenNichtNull summenSpiels«, das ein soziales Dilemma zum Thema hat. Dabei geht es ursprünglich um zwei Komplizen, die getrennt über ein Verbrechen verhört werden und je nach Geständniswilligkeit ver schiedene Strafmöglichkeiten zu befürchten haben. Das GefangenendilemmaSpiel wird vorwiegend zur Untersuchung von Konflikt und Kooperationsverhalten und der Lernvorgänge in Interaktionen verwendet. Es zeigt, wie individuell rationale Entscheidungen zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen führen können (FuchsHeinritz et al. 1994, 262) . Aus der obigen Auszahlungsmatrix ist gut ersichtlich, dass die Auszahlungen so verteilt sind, dass starke Anreize zum Vertrauensmissbrauch bestehen : Wenn A kooperiert, kann B die höchste Auszahlung (15) erhalten, indem B nicht kooperiert und somit das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht. A ist in diesem Fall schlechter gestellt (-5), als wenn er von vornherein beschlossen hätte, nicht zu kooperieren. Gesamtgesellschaftlich betrachtet, also auf die Summe der insgesamt erzielten Auszahlungen bezogen, ist dieses Ergebnis jedoch »suboptimal«. Kommt es nämlich zur Kooperation, ist B zwar etwas schlechter (10 statt 15), A hingegen wesentlich bes ser gestellt (10 statt 5) und daher die Summe der Auszahlungen höher. Deshalb ist ein Konflikt zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Interessen zu erwarten. Diesem Interessenkonflikt kann durch wiederholte Spiele begegnet werden : Erweist sich B in der ersten Runde als nicht vertrauenswürdig, dann wird A in der nächsten Runde nicht kooperieren. SWS- In diesem Fall steigen aber beide Beteiligte schlechter aus als im Fall der Koope ration und es besteht ein Anreiz, sich künftig kooperativ zu verhalten (Raiser 1999, 3) . RoseAckermann beschreibt den Kooperation suchenden Prozess folgendermaßen : »Mit dieser Strategie kooperiert ein/e Spieler/in in der ersten Runde, aber wenn sich der/ die andere Spieler/in dafür entscheidet, nicht zu kooperieren, kooperiert der/ die erste Spieler/in in der zweiten Runde nicht und bleibt bei dieser Spielstrategie, bis der/ die andere Spieler/in sich dafür entscheidet, zu kooperieren. Wenn er/ sie dies tut, kooperiert der/ die erste Spieler/in in der nächsten Runde und so weiter. Diese Strategie erfordert überhaupt kein Vertrauen. Ein/e Spieler/in kommuniziert einfach seine/ ihre Absichten mittels der Spielzüge, die er/ sie setzt, aber das Resultat kann letztendlich die Etablierung einer langfristigen Kooperation sein« (RoseAckermann 2001, 9). Diese kooperative Lösung des Gefangenendilemmas beruht allerdings auf Annahmen, die einer Konfrontation mit der Realität nicht standhalten : Vollständige Information, Bezeichnung der Spieltheorie für die tabellarische Darstellung der Auszahlungen an die SpielerInnen in einem Spiel. Die Zeilen und Spalten werden von den möglichen Aktivitäten gebildet, in der Matrix stehen die Auszahlungen (Gewinne oder Verluste) an die SpielerInnen (FuchsHeinritz et al. 1994, 633) . Im Original : »Under that strategy, a player cooperates in the first round, but if the other player opts not to cooperate, the first player fails to cooperate in the next round and continues to play that stra tegy until the other player opts to cooperate. When he does, the first player cooperates in the next round and so on. This strategy requires no trust at all. A player simply communicates his intentions by the moves he makes, but the result can be to establish longterm cooperation.« www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 endlose Spielwiederholungen und gleich bleibende KooperationspartnerInnen. Die Realitätsferne der Annahme vollständiger Information wurde bereits weiter oben fest gestellt, aber auch die Bedingungen endloser Spielwiederholungen sowie konstanter PartnerInnen erscheinen in modernen Marktwirtschaften illusionär. Die Regel sind vielmehr unpersönliche Tauschbeziehungen mit wechselnden PartnerInnen, die selten oder gar nicht wiederholt werden und durch mehr oder weniger große Informations asymmetrien gekennzeichnet sind. Eine kooperative Lösung des Gefangenendilemmas ist unter diesen Umständen, ohne Erfüllungssicherung durch eine/n unabhängige/n Dritte/n, nicht möglich (North 1998, 14 -15) . Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich, weshalb Institutionen ein so zent raler Stellenwert zukommt und warum das Vertrauen so wichtig ist, das die Bevöl kerung Institutionen entgegenbringt : Unter der Annahme eigenständigen, rationalen Handelns wird der Mensch nur jene Spielregeln befolgen, die ihm sinnvoll und ver trauenswürdig erscheinen. Mit Vertrauenswürdigkeit ist in diesem Kontext vor allem das Vertrauen in die Regeleinhaltung durch andere gemeint. Die Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, ist umso größer, je höher das Vertrauen in deren gerechte Durchset zung und je stärker der Glaube ist, dass sich auch die anderen Gesellschaftsmitglieder regelkonform verhalten (RoseAckermann 2001, 14) . Fehlt es den vorhandenen Institutionen an Glaubwürdigkeit, so wird die Bevöl kerung den daraus resultierenden Vertrauensmangel durch Einschränkung der (po tenziellen) TransaktionspartnerInnen auf Personen ersetzen, denen sie persönliches Vertrauen entgegenbringt. Dies wiederum behindert die effiziente Etablierung des Marktmechanismus und weitgehende Spezialisierung, führt somit zu gesamtgesell schaftlich suboptimalen Ergebnissen. Eine weitere Folge mangelnden Vertrauens in Institutionen ist die Flucht in die Schattenwirtschaft. Darunter wird nicht nur das Nichtentrichten von Steuern und Abgaben, sondern auch der Versuch verstanden, möglichst geringe ausgewiesene Gewinne zu erzielen. Damit gehen meist auch eine weit verbreitete Korruption (für eine Begriffsklärung und Erörterung siehe Kap. 4) sowie ein unbotmäßiger Einsatz von Beziehungen im Sinne eines Nepotismus (»Vetternwirtschaft«) einher (Welter 2002, 104 -105) . Beste chung steigert nicht nur die Transaktionskosten und die Unsicherheit in einer Volks wirtschaft, sondern führt in der Regel zu ineffizienten ökonomischen Ergebnissen und verhindert damit langfristige in und ausländische Investitionen (Gray / Kaufmann 1998, 2) . Korruption ist nicht deshalb in Entwicklungsländern bzw. Transformations staaten weiter verbreitet, weil hier die Menschen anders wären als in anderen Ländern, sondern weil die Bedingungen Korruption begünstigen (ebd., 9). Die Motivation, (zu sätzliches) Geld zu verdienen, ist extrem stark und wird noch durch Armut sowie geringe und sinkende Gehälter im öffentlichen Dienst gesteigert. Zudem sind Risiken jeder Art (wie Krankheit, Unfälle und Arbeitslosigkeit) in Transformationsstaaten hoch und es fehlt an Möglichkeiten der Risikostreuung, die es in reicheren Ländern gibt (einschließlich Versicherung und eines besser entwickelten Arbeitsmarktes). Nicht nur die Motivation zur Korruption ist stark, es gibt auch viele Möglichkeiten, sich an dieser zu beteiligen (ebd., 3). (Steinrücken 2003, 61) . Konkret bedeutet ein solcher Vorgang, dass etwa ein/e BeamtIn für die Verteilung knapper Ressourcen an die Bevölkerung zuständig ist und beschließt, anstatt des vom Gesetzgeber vorgesehenen Verteilungsmodus die Marktlogik einzuführen. Diesen An nahmen folgend bedeutet dies, dass nicht der/ diejenige, der/ die gesetzlich dazu be rechtigt ist, von der betroffenen staatlichen Leistung profitiert, sondern der/ diejenige, der/ die am meisten dafür bezahlen will. Es gibt nun zwei mögliche Ursachen für diese Entscheidung : Einerseits ist es durchaus möglich, dass sie ausschließlich dem Streben nach persönlicher Bereicherung des/ der BeamtIn dient, andererseits ist es aber auch denkbar, dass der Gesetzgeber mehr Leistungen zugesagt hat als er Mittel zur Verfü gung stellt, und sich somit der/ die BeamtIn dem Zwang ausgesetzt sieht, eine Auswahl zu treffen. Ein mögliches -wenngleich mit Sicherheit nicht das einzige -Auswahlkri terium ist die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft der BürgerInnen. Dieses Kriterium lässt sich ökonomisch insofern begründen, als davon ausgegangen wird, dass die Zahlungsbereitschaft jener BürgerInnen am höchsten ist, die von der an gebotenen Leistung am meisten profitieren, und dass somit der gesamtgesellschaftliche Wohlstand maximiert werden kann. Diese Argumentation lässt aber unberücksichtigt, Neben diesen von BeamtInnen initiierten korrupten Tauschakten gibt es auch Situationen, in denen die BürgerInnen aus eigener Initiative versuchen, das Recht in ihrem Interesse zu beugen -etwa die Einflussnahme auf öffentliche Vergabeverfahren durch Bestechung der zuständigen BeamtInnen. Die negativen ökonomischen Auswir kungen sind mannigfaltig : Wenn bei der Vergabe von Regierungsaufträgen jene Unter nehmen den Zuschlag bekommen, die am meisten zahlen, kann man davon ausgehen, dass diese tendenziell nicht die Bestqualifizierten sind, da sie es nicht nötig hätten, Schmiergeld zu bezahlen, um einen Auftrag zu bekommen. In einem Wirtschaftsum feld, in dem Bestechung jedoch üblich ist, wird auch den Bestqualifizierten nichts an deres übrig bleiben als zu zahlen, wenn sie Aufträge bekommen wollen : Das Auswahl kriterium der Qualifikation wird durch ein finanzielles Kriterium -das Schmiergeld der MitbewerberInnen -außer Kraft gesetzt und ersetzt. Derartige Praktiken werden sich wahrscheinlich auf die Innovationsfreudigkeit der UnternehmerInnen negativ auswirken : Aufstrebende UnternehmerInnen, die erst versuchen, mit innovativen Produkten auf dem Markt Fuß zu fassen, verfügen wohl kaum über das notwendige Kapital, um sich Regierungsverträge zu »kaufen« -wenig innovative, aber bereits etablierte Unternehmen dürften damit hingegen geringere Prob leme haben. Der damit verbundene volkswirtschaftliche Schaden kann beträchtlich sein : Gesamtgesellschaftlich bedeutende Kriterien wie etwa die Qualität der Leistung oder die effiziente Leistungserbringung können von der Logik der individuellen Ge winnmaximierung einzelner BeamtInnen und UnternehmerInnen abgelöst werden. Schwerwiegende negative Auswirkungen kann zudem das Vorgehen vieler Unter nehmerInnen haben, steuerliche Belastungen und Abgaben durch Bestechung entwe der ganz zu umgehen oder zumindest sehr niedrig zu halten. Steinrücken (2003, 173 -175) warnt allerdings auch davor, korrupte Transaktionen pauschal als Effizienz mindernd zu kategorisieren, da dies implizieren würde, dass sämtliche staatlichen Regeln effizient sind. Korruption kann demnach durchaus wohl fahrtssteigernde Effekte haben -dies heißt allerdings nicht, dass Korruption der am besten geeignete Weg ist, um diese Wirkung zu erzielen. Der Autor argumentiert über zeugend, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten einer einmaligen Regeländerung wohl in den meisten Fällen wesentlich geringer sein werden als jene laufenden Kosten, die im Zuge der korrupten Umgehung dieser Regelung anfallen. Die spezifische Vertrauenssituation in Transformationsstaaten und ihre Folgen Für das Vertrauen in Institutionen besteht in den Transformationsstaaten Südosteu ropas eine sehr spezifische und für die weitere Argumentation des Artikels wichtige Ausgangssituation : Die einschlägige Literatur (u. a. Feige 1990 , North 1998 , Trang 1994 ) spricht häufig von der »legacy of distrust« (»Erbe des Misstrauens«), die noch aus früheren, sozialis tischen Zeiten erhalten geblieben sei. Dies ist jedoch nur bedingt richtig. Die folgenden Ausführungen zeigen, dass es sich weniger um einen Vertrauensmangel als vielmehr um unterschiedliche dominante Vertrauensformen handelt. Während das sozialistische System weitgehend auf interpersonellem Vertrauen basierte, ist das marktwirtschaft liche System in seiner modernen Ausprägung, wie bereits erwähnt, in höchstem Maße von generalisiertem Vertrauen abhängig (Raiser 1999, 6) . Interpersonelles Vertrauen konnte als die vorherrschende Handlungsweise im Re alsozialismus gelten : Das Gerüst der planwirtschaftlichen Koordination bildeten enge Netzwerke zwischen UnternehmerInnen und PolitikerInnen auf verschiedenen Ebe nen, aber auch im privaten, inoffiziellen Bereich spielten Beziehungen eine tragende Rolle (ebd., 6 -7). Dies ist nicht zuletzt auch auf die Erosion der Grundfesten des Systems selbst zu rückzuführen : Hatten z. B. die kommunistischen Parolen während des revolutionären Klassenkampfes in Russland noch überzeugen und der kommunistischen Partei Legi timität verleihen können, so büßten sie diese Fähigkeit in späteren Jahren zumindest teilweise ein, als sie immer mehr zu einem totalitären Dogma wurden. Das System ver lor seine Legitimität und wurde von der Bevölkerung mit tiefstem und nachhaltigem Misstrauen bedacht. Soziale Kontakte blieben auf den privaten Rahmen beschränkt. Raiser zufolge zog man es vor, sich zu Hause mit FreundInnen und Familienangehöri gen zu treffen, anstatt Vereinen oder Clubs beizutreten (so genanntes »Cocooning«)aus Angst, dass diese politisch infiltriert sein könnten (ebd., 7). All dies förderte die www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 Entwicklung von generalisiertem Vertrauen, das anonymisierte Transaktionen zulässt, innerhalb der Bevölkerung nur wenig. Dieser Mangel an generalisiertem Vertrauen lässt sich in den postkommunistischen Gesellschaften auch heute noch häufig be obachten (ebd., 7; RoseAckermann 2001, 26) . Problematisch wurde die spezifische sozialistische Vertrauensstruktur aber erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Durchführung marktwirtschaftlicher Re formen. Diese erfolgten in den einzelnen Staaten zwar höchst unterschiedlich, hatten aber dennoch eines gemeinsam : Die formgebundenen Institutionen (z. B. Gesetze, Wett bewerbsregeln) wurden verändert, ohne dass sich die formlosen Institutionen -zu de nen wir auch das Vertrauen zählen -in gleichem Maße geändert hätten. Dies bedeutet, dass sich zwar die äußeren Umstände verändert haben, die Bevölkerung aber weiter so wie bisher agiert. Die vorherrschende Handlungsweise im Sozialismus wird schlicht auf den Kapitalismus übertragen und diese Entwicklung birgt einiges an Konfliktpotenzial : »Es ändern sich die formgebundenen Regeln, aber nicht die formlosen Beschränkungen. Infolgedessen baut sich eine anhaltende Spannung zwischen formlosen Beschränkungen und den neuen formgebundenen Regeln auf, da viele von ihnen miteinander unvereinbar sind. … Obwohl es zu einer durchgehenden Änderung der formgebundenen Regeln kommen kann, werden sich gleichzeitig viele formlose Beschränkungen als sehr zählebig erweisen, weil sie immer noch grundlegende Tauschprobleme -sozialer, politischer oder ökonomischer Art -zwischen den Beteiligten lösen. Im Laufe der Zeit ergibt sich daraus tendenziell eine Umgestaltung der Beschränkungen insgesamtin beiden Richtungen -um ein neues Gleichgewicht herzustellen, das viel weniger revolutionär ist« (North 1998, 107 -108) . So kann z. B. die Bevölkerung aufgrund ihres Festhaltens an interpersonellem Vertrau en das Aufkommen eines ökonomischen Wettbewerbs erschweren, obwohl politisch bereits ein System marktwirtschaftlicher Regelungen etabliert wurde. Besonders deutlich wird dieses Problem am Beispiel der Korruption : Das markt wirtschaftliche System, dessen Funktionalität auf generalisiertem Vertrauen beruht, wird ausgehöhlt, indem generalisiertes durch interpersonelles Vertrauen ersetzt wird. Verschärfend kommt noch hinzu, dass in vielen Transformationsländern nach der Wende keine klare personelle Zäsur erfolgte : Die kommunistischen Führungseliten blieben auch im marktwirtschaftlichen System an der Macht. Damit blieben auch die so genannten »oldboys networks« (Raiser 1999, 8) erhalten -mit der Gefahr, dass die Beteiligten diese Netzwerke zur persönlichen Bereicherung nutzen. PolitikerInnen, die sich ihrer diskretionären (dem eigenen Ermessen unterliegen den) Handlungsspielräume eigennützig bedienen, bestätigen das ohnehin dominante öffentliche Misstrauen noch zusätzlich. Sie verhindern, dass sich stabile, vertrauens würdige Institutionen herausbilden -und somit erfolgreiche moderne Marktwirt schaften entstehen. Einen entscheidenden Faktor für das erfolgreiche Fortschreiten marktwirtschaftlicher Reformen stellt die europäische Ebene (Europäische Union) dar. Diese wirkt in zweifacher Hinsicht disziplinierend. Zum einen zwingt der Wunsch, mit westlichen GeschäftspartnerInnen zu ko operieren, die ortsansässigen UnternehmerInnen, sich an gewisse marktwirtschaftliche Spielregeln zu halten. Auch die nationalen Regierungen werden dadurch motiviert, die Etablierung stabiler institutioneller Bedingungen voranzutreiben. In diesem Zusam SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at menhang ist auch die disziplinierende Wirkung eines angestrebten EUBeitritts nicht zu unterschätzen, da dieser den Regierungen eine langfristige Perspektive gibt, auf die es sich lohnt, hinzuarbeiten. Verschiedene Beitrittsbedingungen (etwa die bereits erwähnten »Kopenhagener Kriterien« der EU) können außerdem dazu führen, den Missbrauch diskretionärer Handlungsspielräume einzudämmen. Zusätzlich trägt der glaubhaft angestrebte EU Beitritt dazu bei, dass die nationalstaatliche Politik in der Bevölkerung wieder mehr Glaubwürdigkeit gewinnt (Raiser 1999, 11 -12) . Will man etwa den politischen EUKri terien gerecht werden, wird es für die nationalen Regierungen schwieriger, opportunis tische Handlungsspielräume auszunützen. In den an der Weltwertestudie teilnehmenden Ländern wurden Zufallsstichpro ben im Umfang von rund 1.000 Befragten pro Welle und Land gezogen. Die Befragung erfolgte in Form von FacetoFaceInterviews. Empirische Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Für die gegenständliche statistische Analyse wurden Daten zum Vertrauen in eine Reihe bestimmter Institutionen (Kirche, Militär, Justiz, etc.) bzw. zum Vertrauen in »die meisten Menschen« aus den oben erwähnten zwei Wellen der Weltwertestudie herangezogen. Das Vertrauen in die meisten Menschen wurde deshalb neben dem Institutionen vertrauen in die Analyse integriert, da es laut Inglehart (1999) -ebenso wie das sub jektive Wohlbefinden -eher Indikator einer stabilen Demokratie ist als das Vertrauen in Institutionen. Seine Ergebnisse zeigen, dass Transformationsdemokratien durch ge ringes Vertrauen in die Mitmenschen sowie durch geringes subjektives Wohlbefinden gekennzeichnet sind. Für die Feststellung eines statistischen Zusammenhangs ist es sinnvoll und not wendig, eine möglichst große Anzahl von Fällen -in diesem Fall von Ländern -zu untersuchen. Folgende 42 Staaten wurden analysiert (die Aufzählung beginnt mit den 15 »alten« EUMitgliedern, gefolgt von den zehn neuen Mitgliedstaaten, Beitrittskan didaten, potenziellen Beitrittskandidaten und sonstigen europäischen bzw. Europa geografisch nahen Staaten) : Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Vereinigtes Königreich ; Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern ; Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Türkei ; Al banien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Serbien und Montenegro ; Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine ; Algerien, Israel, Marokko, Tunesien. Für jedes der 42 Untersuchungsländer wurde beim »Vertrauen in Institutionen« jeweils die Variablenausprägung »sehr großes Vertrauen« bzw. beim »Vertrauen in die meisten Menschen« die Ausprägung »den meisten Menschen kann man vertrauen« zur Analyse des allgemeinen Zusammenhangs verwendet und mit den Wirtschaftsdaten statistisch in Beziehung gesetzt. Durch Einbeziehung von 42 Fällen wurde es möglich, statistische Korrelationen zwischen den jeweiligen Vertrauens und Wirtschaftsindikatoren zu berechnen. Die so gewonnenen Korrelationen bildeten die Ausgangsbasis für die ExpertInneninterviews, die ebenso zur Bestätigung und Überprüfung der Praxisrelevanz der gewonnenen Er kenntnisse dienten wie zur vertiefenden Recherche von Faktoren, die die Wirtschafts entwicklung fördern bzw. behindern können. In Bruttoanlageinvestitionen Das Vertrauen in Militär, Justiz, Gewerkschaften, Polizei sowie BeamtInnen korreliert 1990 relativ stark negativ mit Bruttoanlageinvestitionen. D. h. je höher das Vertrauen in diese Institutionen ist, desto weniger Bruttoanlageinvestitionen gibt es, bzw. gilt umgekehrt : je höher die Bruttoanlageinvestitionen, desto geringer ist das Vertrauen in Militär, Justiz, Gewerkschaften, Polizei sowie in die öffentliche Verwaltung. Man kann diesen Zusammenhang so interpretieren, dass sich die Menschen in einer guten wirtschaftlichen und investitionsfreundlichen Situation Misstrauen ge genüber diesen Institutionen leisten können, ohne mit Repressalien rechnen zu müs sen. Dieser Zusammenhang lässt auf ein gewisses Vertrauen in die Demokratie bzw. einen bestimmten Demokratisierungsgrad schließen. Im Jahr 2000 konnten keine Korrelationen der Bruttoanlageinvestitionen mit Vertrauen in Institutionen festgestellt werden. Ausländische Direktinvestitionen 1990 besteht kein Zusammenhang zwischen ausländischen Direktinvestitionen und Vertrauen in die untersuchten Institutionen bzw. in die meisten Menschen. Im Jahr 2000 zeigt sich eine positive Beziehung zwischen Direktinvestitionen und Vertrauen in die meisten Menschen. Je größer das Vertrauen in die meisten Menschen, desto höher sind die ausländischen Direktinvestitionen. Da die Rangkorrelation nichts über die Kausalität des Zusammenhangs aussagt, ist auch eine umgekehrte Interpretation möglich, d. h. je höher die ausländischen Di rektinvestitionen, desto größer ist das Vertrauen in die meisten Menschen. Das ArbeitnehmerInnenentgelt setzt sich zusammen aus den Bruttolöhnen und gehältern sowie aus den tatsächlichen und unterstellten Sozialbeiträgen der ArbeitgeberInnen. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at wobei in der Tabelle lediglich jene Koeffizienten eingetragen sind, die statistisch signifikant sind (entweder auf dem 0,05-oder auf dem 0,01-Niveau ; letztere fett gedruckt). Verständnishilfe : Je näher der Wert des Koeffizienten bei + 1 bzw. -1 liegt, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen jeweils zwei Indikatoren ausgeprägt. Ein positiver Korrelationskoeffizient bedeutet, dass bei einer Steigerung des einen Indikators auch der zweite Indikator steigt ; ein negativer Koeffizient bedeutet dagegen, dass bei einer Steigerung des einen Indikators der zweite Indikator sinkt. Es muss aber immer bedacht werden, dass der Koeffizient nicht angibt, welcher der beiden Indikatoren kausal wirkt. www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 Besteht kein Vertrauen in die Menschen, werden Firmen bzw. ausländische Inves toren eher nicht investieren. Sind die Investitionen aus dem Ausland niedrig, wirkt sich das negativ auf die Wirtschaft aus, und in wirtschaftlich schlechten Zeiten ist das Vertrauen in die meisten Menschen gering (siehe dazu auch Inglehart 1999) . Ein negativer Zusammenhang kann zwischen ausländischen Direktinvestitionen und dem Vertrauen in die Kirche, das Militär und in die Vereinten Nationen festgestellt werden. Höheres Vertrauen in die Kirche, das Militär und die Vereinten Nationen be deutet somit weniger ausländische Direktinvestitionen. Dieser Zusammenhang kann auch so interpretiert werden, dass bei weniger ausländischen Direktinvestitionen der Kirche, dem Militär und den Vereinten Nationen stärker vertraut wird. Großes Ver trauen deutet also auf eine schlechte Wirtschaftslage hin (siehe auch Inglehart 1999) . Staatseinnahmen Die Staatseinnahmen korrelieren 1990 und 2000 signifikant negativ mit dem Vertrau en in die Kirche und die Presse. Je geringer die Staatseinnahmen, desto höher ist das Vertrauen in die Kirche und die Presse bzw. umgekehrt. Im Jahr 2000 zeigt sich zudem ein negativer Zusammenhang mit Vertrauen in das Militär, das Parlament, die BeamtInnen sowie in die EU. Diese Zusammenhänge lassen somit folgende Interpretationen zu : Besteht ein hohes Vertrauen in Militär, Parlament, BeamtInnen sowie in die EU, dann sind die Staatseinnahmen geringer ; andererseits steigt das Vertrauen in Militär, Parlament, BeamtInnen und in die EU, wenn die Staats einnahmen geringer sind. Bei höheren Staatseinnahmen können sich -wie auch schon weiter oben gezeigt -die Menschen ein gewisses Maß an Misstrauen leisten, da es dem Staat wirtschaftlich gut geht. Staatsausgaben Zwischen den Staatsausgaben und dem Vertrauen in die Kirche lässt sich seit über zehn Jahren ein stabiler negativer Zusammenhang feststellen : Je mehr Vertrauen in die Kirche besteht, desto geringer fallen die Staatsausgaben aus, bzw. wenn die Staats ausgaben gering sind, ist das Vertrauen in die Kirche groß. Die Daten von 2000 zeigen auch noch eine negative Korrelation zwischen den Staatsausgaben und dem Vertrauen in die Presse, das Parlament, die BeamtInnen und die EU. Geringere Staatsausgaben bedeuten demnach ein höheres Vertrauen in die Presse, das Parlament, die BeamtInnen und die EU bzw. umgekehrt. Die Erkenntnis, dass es in wirtschaftlichen Krisenzeiten mehr Vertrauen in Institutionen wie Kirche, Militär, Presse, Parlament, öffentliche Verwaltung gibt, bestätigt sich auch hier : In einer Perio de des Wohlstands sinkt das Vertrauen in ebendiese Institutionen. ArbeitnehmerInnenentgelte Über den Zeitraum von zehn Jahren sind stabile negative Korrelationen zwischen den ArbeitnehmerInnenentgelten und dem Vertrauen in die Kirche sowie in die Presse zu verzeichnen. Je geringer die ArbeitnehmerInnenentgelte, desto höher ist das Vertrauen in die Kirche und die Presse. Auch hier ist die umgekehrte Interpretation zulässig. SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at Positive Korrelationen sind 2000 mit dem Vertrauen in die meisten Menschen zu re gistrieren, negativ korrelieren die ArbeitnehmerInnenentgelte mit dem Vertrauen in die EU. Wirtschaftlicher Wohlstand drückt sich demnach in Misstrauen gegenüber Kirche und Presse aus und geht mit steigendem Vertrauen in die meisten Menschen einher. Resümee Beziehungen zwischen Wirtschaftsindikatoren und Vertrauen in Institutionen bzw. in die meisten Menschen sind vorhanden. Einzelne Vertrauensindikatoren korrelieren signifikant mit einzelnen Wirtschaftsindikatoren. Diese Zusammenhänge sind jedoch nur zum Teil über einen Zeitraum von zehn Jahren stabil, sie verändern sich also. Einige -wenn auch wenige -über die Zeit stabile Beziehungen zwischen den Wirtschaftsdaten und dem Institutionenvertrauen bzw. dem Vertrauen in die meisten Menschen konnten dennoch festgestellt werden. Über den Zeitraum von zehn Jahren weist vor allem das Vertrauen in die Pres se und in die Kirche einen stabilen Zusammenhang mit Wirtschaftsdaten auf. Wenn es den Menschen gut geht und die Wirtschaft floriert, dann ist das Vertrauen in die Kirche eher gering. Bei einem stärkeren Vertrauen in die Kirche geht es andererseits den Menschen, dem Staat und der Wirtschaft tendenziell schlechter. Diese Erkenntnis wird auch von Inglehart (1999) bestätigt : Er meint, nur in Zeiten von Unsicherheit sei eine Hinwendung zu einer höheren Macht zu beobachten. Diese Beziehung zeigt sich auch in den Ergebnissen einer rezenten Befragung von Jugendlichen in Südmähren, in der Westslowakei und im Weinviertel : Jugendliche aus Regionen mit geringerem Wohlstand glauben eher an Gott, und der Glaube spielt in ihrem Leben eine größere Rolle (Hudler/ Kirchner/ Trnka 2003) . Zur Identifikation etwaiger Muster bzw. Regelmäßigkeiten ist jedoch eine tiefer gehende Analyse notwendig, die Wirtschaftsdaten mit detaillierteren subjektiven Ver trauenskomponenten differenzierter in Beziehung setzt und verstärkt regionale Unter schiede berücksichtigt. Um die Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Vertrauen in Institutionen bzw. in die meisten Menschen und den Wirtschaftsindikatoren zu überprüfen bzw. einge hender zu analysieren, wurde im Rahmen von ExpertInneninterviews die Situation in Serbien und Mazedonien untersucht. ExpertInneninterviews Hintergrundinformationen zu den Untersuchungsländern Serbien Serbien kann als sehr junger Transformationsstaat bezeichnet werden -die befragten ExpertInnen datieren den Beginn der serbischen Transformation mit 2001 und da mit etwa ein Jahrzehnt später als für die meisten anderen ehemals realsozialistischen Staaten Mittel und Südosteuropas. Angesichts der kurzen Reformperiode ist es wenig verwunderlich, dass Serbien nach wie vor mit großen wirtschaftlichen und gesellschaft lichen Problemen zu kämpfen hat. Heute gilt Mazedonien (gemeinsam mit Serbien und Montenegro) -wie in Kapi tel 4 bereits beschrieben -im internationalen Vergleich als das korrupteste Land Euro pas, wodurch viele potenzielle ausländische InvestorInnen abgeschreckt werden. In den vergangenen Jahren hat die politische Führung Mazedoniens an der Sta bilisierung des Landes gearbeitet. Obwohl der letzte bewaffnete Konflikt bereits im Jahr 2001 stattgefunden hatte, konnten auch noch 2004 latente ethnische Spannungen beobachtet werden. Als besonders dringlich erachtet die internationale Staatengemeinschaft (wie etwa der »Early Warning Report« des United Nations Development Programme/ UNDP aus dem Jahr 2004) die Einführung von Gesetzen zur Entfaltung der freien Marktwirt schaft (z. B. Gesetze zur gerichtlichen Durchsetzung von Verträgen). Der Einfluss der Regierung soll sich daher künftig auf die Sicherstellung fairer Rahmenbedingungen konzentrieren -ebenso soll eine Harmonisierung der Gesetzgebung im Hinblick auf den 2012 oder 2013 angestrebten Beitritt zur Europäischen Union erfolgen. Die Angabe in Kaufkraftparitäten hat den Vorteil, unterschiedliche nationale Preisniveaus auszu gleichen und somit zu einer bestmöglichen direkten internationalen Vergleichbarkeit beizutragen. 0 http ://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/yi.html, 14. 9. 2005. http ://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/mk.html#Econ, 15. 9. 2005. Ergebnisse der ExpertInneninterviews Trotz einer teilweise unterschiedlichen Geschichte und anderer politischer bzw. wirt schaftlicher Ausgangsbedingungen decken sich -wie der folgende Abschnitt zeigt -die Ergebnisse der ExpertInneninterviews zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie zum Vertrauen in Institutionen in Serbien und Mazedonien weitgehend. In weiterer Folge wird jedes der beiden Untersuchungsländer getrennt behandelt, wobei auch Interview passagen zur Veranschaulichung angeführt werden. Serbien und Mazedonien Analysiert man die jeweiligen Aussagen im Hinblick auf bestimmte Muster bzw. Ge meinsamkeiten, lässt sich für beide Länder Folgendes feststellen : Korruption beeinflusst die Wirtschaftsentwicklung negativ. Sie ist auf allen Ebe nen und in allen Bereichen zu beobachten und beeinträchtigt das Vertrauen sowohl in Institutionen als auch in Personen. Dies erklärt auch wesentlich den Umstand, dass ausländische InvestorInnen Serbien und Mazedonien großteils immer noch meiden. Die ausgesprochen niedrigen BeamtInnengehälter, mit denen selbst grundlegende Le bensbedürfnisse kaum befriedigt werden können, machen die befragten ExpertInnen am häufigsten für die weit verbreitete Korruption verantwortlich. Darüber hinaus sehen sie das geringe Lohnniveau und eine undurchsichtige Steu ergesetzgebung als Ursachen für eine in beiden Ländern umfangreiche Schattenwirt schaft an. Auch das mangelnde Vertrauen in die Justiz bzw. in das Rechtssystem gilt als Hindernis für eine positive Wirtschaftsentwicklung. Das geringe Vertrauen in die Regierungen beider Ländern behindert auch ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Manifest wird dies insbesondere bei den von den be fragten ExpertInnen als äußerst wichtig erachteten Privatisierungen. Das Vertrauen der Bevölkerung in ausländische bzw. internationale Einrichtungen und Organisationenv. a. in die ausländischen Banken -ist größer als jenes in inländische Einrichtungen. Als ein Hindernis für den Aufbau einer funktionierenden mittelständischen Wirtschaft wurde von den befragten ExpertInnen immer wieder das »unternehmens gründungsfeindliche Klima« genannt. Für Verfahren und Genehmigungen zur Unter nehmensgründung muss regelmäßig mit einem Zeithorizont von bis zu einem Jahr so wie sehr häufig auch mit zusätzlichen Kosten (Bestechungsgeldern) gerechnet werden. Serbien Die Beurteilungen der ExpertInnen im Hinblick auf die größten Hemmnisse für die noch nicht richtig in Gang gekommene serbische Wirtschaft decken sich weitgehend mit den Schlussfolgerungen der ökonomischen Theorie. Folgende Bereiche gelten als besonders problematisch : . Das Vertrauen in Fremde (im Sinne von AusländerInnen) ist tendenziell groß, so lange diese nicht die »nationale Ehre« beleidigen oder jüngste historische Ereignisse kri tisieren. Für sehr hoch schätzen die ExpertInnen auch das Niveau von interpersonellen Vertrauensbeziehungen ein : Freundschaftliche Netzwerke und gegenseitige Hilfestel lungen ermöglichen vielen Menschen das Überleben. Mazedonien Auch die Schilderungen der mazedonischen ExpertInnen und der jüngste »Early War ning Report« des UNDP bestätigen unsere Resultate : »Dieses ungünstige sozio-ökonomische Klima ist unweigerlich mit einem extrem niedrigen Vertrauen in Institutionen verknüpft« (UNDP 2004, 9) . Im Folgenden fasst eine Übersicht die nach Ansicht der befragten ExpertInnen größten Probleme zusammen : . Rechtssystem : Das äußerst schwach ausgeprägte Rechtssystem stellt ein zent rales Problem dar, weshalb Reformen zur Vertrauensbildung dringend notwendig sind, wie etwa auch ein Mitglied der Europäischen Kommission in Mazedonien argumen tiert : »Vertrauen in Institutionen bedeutet Vertrauen in sich reformierende Institutionen, in Institutionen mit Selbstbeschränkung, die akzeptieren, dass ihre Rechte in gewisser Weise begrenzt werden.« . Schattenwirtschaft : Die Existenz einer erheblichen Schattenwirtschaft führt zu beträchtlichen Einnahmenseinbußen für den Staat, der in der Folge nicht mehr über genügend finanzielle Mittel für dringend notwendige Reformen verfügt. . Korruption : Die ExpertInnen machen die äußerst weit verbreitete Korruption direkt vom schwachen Rechtssystem abhängig, das Schattenwirtschaft weitgehend to leriert und möglichen InvestorInnen keine Rechtssicherheit bieten kann. Ein Ökonom merkte zum Delikt Korruption an : »Man wird leicht fälschlich beschuldigt ! Deshalb denken viele Beamte : ›Warum sollte ich es nicht tun ? Man beschuldigt mich ohnehin …‹.« . Niedrige ausländische Direktinvestitionen : Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist das Klima für Direktinvestitionen wegen politischer Instabilität, Kor ruption und des schwachen Justizsystems sehr ungünstig. Mazedonien rangiert deshalb unter allen mittel und osteuropäischen Transformationsländern immer noch an letz ter Stelle. Für eine andere Wirtschaftsexpertin ist besonders Folgendes problematisch : »Die Regierung steht in einem zu engen Verhältnis zu den Firmen (Anm. : gemeint sind Firmen aus der Zeit des Realsozialismus, die bislang nicht in die marktwirtschaftliche Selbständigkeit entlassen wurden). Ihr Fokus richtet sich auf technische Dinge und den Fragebogen der Europäischen Kommission, nicht auf Reformen !« Die AutorInnen interpretieren den von der Expertin verwendeten, etwas unklaren Terminus »tech nische Dinge« so, dass die Regierung zu sehr mit sich selbst und ihrer Aufrechterhaltung beschäftigt ist, als dass sie entsprechende Reformen durchführen könnte. Die befragten ExpertInnen bestätigten auf Nachfrage einhellig, dass das große Vertrauensdefizit der Bevölkerung in die Institution »Markt« ein zentrales Problem in Mazedonien sei. Die Menschen hätten die negativen Auswirkungen der Transforma tion früher als die positiven gespürt und stünden daher dem Markt sehr misstrauisch gegenüber. Außerdem herrschen beträchtliche interethnische Spannungen zwischen der mazedonischen und der albanischen Bevölkerungsgruppe. Dies führt dazu, dass die Mitglieder der einen Volksgruppe den Mitgliedern der anderen kaum oder gar nicht vertrauen. Außerdem zeigen sich die ethnischen Spannungen auch im Bereich des Justizwesens : Es ist eine Tendenz zur Ungleichbehandlung von Angehörigen der jeweils anderen Volksgruppe festzustellen. Daher ist das Vertrauen in die mazedo nische Justiz extrem niedrig. Aus historischen Gründen -die Souveränität Mazedo niens wurde immer wieder in Frage gestellt -konstatieren die ExpertInnen auch eine großteils negative Haltung der mazedonischen Bevölkerung gegenüber ausländischen InvestorInnen. Während BeamtInnen, politische Parteien und PolitikerInnen sowie die Polizei und Armee in der mazedonischen Bevölkerung wenig bis kein Vertrauen besitzen, genießen Banken und Gewerkschaften, aber auch supra und internationale Organi sationen wie die EU, die NATO und UNO wegen ihrer wahrgenommenen Professio nalität und Zuverlässigkeit relativ großes Vertrauen. Dieses wird ihnen nach Ansicht der ExpertInnen jedoch nur solange zugeschrieben, als sie keine Aussagen tätigen oder Empfehlungen abgeben, die als Einmischung in innermazedonische Angelegenheiten gewertet werden könnten. Conclusio Im vorliegenden Beitrag konnte anhand der ExpertInneninterviews gezeigt werden, dass eine moderne Marktwirtschaft in höchstem Maße vom Vertrauen der Bevölke rung abhängig ist, und zwar sowohl auf der Ebene des Institutionenvertrauens als auch auf jener des generalisierten Vertrauens (also des Vertrauens in anonyme Interaktions partnerInnen). Daraus kann geschlossen werden, dass sich bei einem Mangel an derartigem Ver trauen kein funktionierender Markt entwickeln kann und die Tauschakte der Bevölke rung auf einen relativ kleinen Kreis meist persönlich bekannter Personen beschränkt bleiben. Unter diesen Umständen ist eine Arbeitsteilung, die auf generalisiertem Ver trauen beruht und die einer funktionierenden Marktwirtschaft zugrunde liegt, schwer zu erreichen. Dadurch kommen die positiven marktwirtschaftlichen Wohlfahrtseffekte nicht zum Tragen. Aufgezeigt wurde außerdem, dass in den Transformationsstaaten mangelndes Institutionenvertrauen zusammen mit der Übernahme von im Sozialismus vorherr schenden Handlungsweisen in marktwirtschaftliche Strukturen zu bestimmten Be wältigungsstrategien der Bevölkerung führt. Diese können zwar kurzfristig individuell sinnvoll erscheinen, gesamtgesellschaftlich aber verheerende Folgen haben : Das zeigt sich in Form von Korruption, Schattenwirtschaft sowie im exklusiven Vertrauen auf persönliche Beziehungen. Die Auswertung der Interviews mit ExpertInnen aus Serbien und Mazedonien hat ergeben, dass dies auch tatsächlich die am dringlichsten wahrgenommenen Probleme dieser beiden jungen Marktwirtschaften sind. Vertrauen in Institutionen kann dem nach zu Recht als entscheidender Faktor für die Wirtschaftsentwicklung angesehen werden. Diese Erkenntnis weist auf eine wichtige Herausforderung für die Politikgestal tung hin : Zentrales Anliegen der Politik muss es sein, das Vertrauen der Bevölkerung in die marktwirtschaftlichen und staatlichen Institutionen nachhaltig zu erhöhen -ins besondere durch eine stärkere Transparenz staatlicher Tätigkeit, die rasche Umsetzung von Reformvorhaben und nicht zuletzt durch eine Stärkung der Zivilgesellschaft. In diesem Prozess spielt auch die europäische Ebene eine gewichtige Rolle. Sowohl der Wunsch, mit westlichen Unternehmen zu kooperieren als auch ein angestrebter EU Beitritt bergen ein enormes Disziplinierungspotenzial in dem Sinn, dass Individualin teressen zugunsten gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrtseffekte zurückgestellt werden. Diese beiden Ziele können auch der nationalstaatlichen Politik -und damit den natio nalen Institutionen -größere Glaubwürdigkeit verleihen. Quelle : Eigene Berechnungen gestützt auf Daten des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche und Erhebungen des World Values Survey 1990 und 2000 Anmerkung : Die in Tabelle 1 dargestellte Korrelationsmatrix umfasst die Korrelationskoeffizienten pro untersuchtem Variablenpaar und Erhebungszeitpunkt, SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 www.sws-rundschau.at 4. Korruption als Hürde für Wirtschaftsentwicklung Da das eben angedeutete Problem der Korruption auch in den ehemals kommuni stischen bzw. realsozialistischen Staaten Ost und Südosteuropas eine wichtige Rolle spielt, wird es im Folgenden gesondert und genauer behandelt. Außerdem besteht eine Beziehung zwischen Vertrauen in Institutionen und Korruption, insofern letztere gerade auf interpersonellem Vertrauen beruht und generalisiertes (und somit anony misiertes) Vertrauen kaum aufkommen lässt. In einem ersten Schritt wird der Begriff »Korruption« kurz erklärt, um danach auf die ökonomischen Anreize für korruptes Handeln sowie auf die daraus folgenden gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen einzugehen. Eine sehr gute Eingrenzung dessen, was unter Korruption zu verstehen ist, liefert Torsten Steinrücken (2003) : Er fasst die Beziehung zwischen StaatsbürgerInnen und ihren RepräsentantInnen als PrinzipalAgentenKlientenVerhältnis auf und kommt zu folgender Definition : Tauschakt muss bestehende gesetzliche Regeln verletzen. Ein korrupter Vorgang lässt sich dann wie folgt beschreiben : Der Agent, dem durch einen Vertrag mit dem Prinzipal bestimmte Entscheidungs-und Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden, handelt im Rahmen dieser Möglichkeiten regelwidrig und erhält vom Klienten, der von dem Regelverstoß profitiert, eine Gegenleistung« »Damit der Tatbestand der Korruption -in der hier verwendeten Definition -gegeben ist, müssen demnach zwei Aspekte erfüllt sein : (1) Es muss ein Tauschgeschäft zwischen Agent und Klient vor- liegen und (2) dieser So liegen gemessen am Grad der Korruption Serbien und Montenegro sowie Mazedonien laut »Corruption Perception Index 2004« von Transparency International gemeinsam auf Platz 97 (von 145 möglichen Rängen) und nehmen somit die schlechteste Position aller europäischen Staaten ein (http ://ww1.transparency.org/pressreleases_archive/2004/2004.10.20.cpi.en.html, 7. 12. 2005). Dabei ist etwa unter »Prinzipal« der Staat, unter »Agent« ein/e BeamtIn und unter »Klient« ein/e BürgerIn zu verstehen. es sich bei staatlichen Leistungen häufig um existenzielle soziale Leistungen (etwa im Gesundheitswesen) handelt, derer alle bedürfen -die Armen noch mehr als die Rei chen, da sie nicht über die nötigen finanziellen Ressourcen verfügen, um sie über den Markt zu beziehen. Aus sozialpolitischer Sicht ist dieser Verteilungsmodus in höchstem Maße fragwürdig, nicht zuletzt deshalb, weil dadurch eventuell vom Gesetzgeber ange strebte Umverteilungswirkungen nicht oder nur sehr abgeschwächt zum Tragen kom men. Eine Alternative für die Verteilung knapper Ressourcen wäre etwa das »first come, first serve«Prinzip (d. h. Ressourcen werden nach dem Zeitpunkt der Nachfrage, nicht nach der Bedürftigkeit verteilt), wobei aber auch dieses wieder Vor und Nachteile hat : Ein Vorteil wäre, dass der Zugang zu Ressourcen nicht von der wirtschaftlichen Leis tungsfähigkeit (wie viel man zu zahlen bereit ist) abhängt. Nachteilig wäre, dass sich nicht der/ die Bedürftige, sondern der/ die »Schnellste« (mit Informationsvorsprüngen oder räumlicher Bevorzugung) Ressourcen sichern kann.Es ist wichtig, an dieser Stelle festzuhalten, dass Korruption nicht zwangsläufig den Eigeninteressen der Staatsbediensteten entspringen muss, sondern ebenso durch übergeordnete politische Maßnahmen bzw. Entscheidungen provoziert oder zumindest begünstigt werden kann : Dies ist dann der Fall, wenn etwa der Staat mehr Leistungen zusagt als er finanzieren kann, wodurch letztendlich wieder die BeamtInnen über die Verteilung knapper Ressourcen entscheiden müssen und somit eher Korruptionsver suchen ausgesetzt sind.Ökonomisch bedeutend ist auch die Tatsache, dass korrupte Märkte aufgrund ihrer Illegalität wesentliche Merkmale effizienter Märkte -wie z. B. Preistransparenz und offenen Marktzutritt -nicht ausbilden. All dies führt dazu, dass sie nur sehr ein geschränkt wettbewerbsfähig und damit potenziell ineffizient sind. dass www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 InvestorInnen ins Land zu holen und Unternehmensgründungen bzw. ansiedlungen zu fördern. Die meisten mazedonischen ExpertInnen schränkten diese Einschätzung aber insofern ein, als sie der Ansicht waren, dass die Transformation zur Marktwirt schaft zu schnell bzw. ohne die nötige Vorbereitung erfolgen würde und die Bevölke rung damit (noch) überfordert sei. Daten erlauben Vergleichsstudien sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Der Vergleich von Werten und Einstellungen in unterschiedlichen Gesellschaften ist ebenso möglich wie der Vergleich der Daten im Längsschnitt. Die Ergebnisse der zweiten Welle der Weltwertestudie (2000) verdeutlichen, dass die Werteveränderungen in eine vorhersagbare Richtung gehen. Die wirtschaftliche Entwicklung ist mit einem bestimmten Wertewandel sowie mit politischen und sozialen Konsequenzen verknüpft. 6.2 Sekundäranalysen von Daten zum Vertrauen in Institutionen und Wirtschaftsindikatoren 6.2.1 Analysierte Datensätze Umfragedaten zu Vertrauen in Institutionen -World Values Survey Der World Values Survey 1990 und 2000 (im Folgenden : Weltwertestudie) wurde für Vertrauen in Institutionen und Wirtschaftsindikatoren diese Untersuchung als Datengrundlage gewählt, weil er in regelmäßig durchgeführten 6.1 Methodik in Institu tionen -ein maßgebender Faktor für wirtschaftliche Entwicklung« mit ausgewiesenen ExpertInnen in den beiden Untersuchungsländern im November 2004 durchführten. Die Auswahl der interviewten ExpertInnen (ÖkonomInnen, Politikwissenschaf terInnen, MeinungsforscherInnen sowie PolitikerInnen) beruhte teilweise auf Vor schlägen von SüdosteuropaSpezialistInnen des WIIW sowie auf Recherchen des Pro jektteams. Da einige Befragte bei einer Publikation der Ergebnisse nicht namentlich genannt werden wollen, wird in Kapitel 6.3 generell auf eine namentliche Erwähnung der ExpertInnen verzichtet. Bisher wurde im Artikel ein theoretisches Konstrukt erarbeitet, mit dem die Bedeu tung von Institutionen bzw. des Vertrauens in Institutionen für moderne Marktwirt schaften erklärt werden kann und das gleichzeitig Rückschlüsse auf mögliche Ursa chen schwacher wirtschaftlicher Entwicklung zulässt. Dieses Kapitel beschäftigt sich einerseits mit dem Nachweis des Zusammenhangs zwischen Vertrauen in Institutionen und Wirtschaftsdaten auf Basis von Sekundäranalysen von Daten des Wiener Insti tuts für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) sowie des World Values Survey (1990, 2000). Andererseits werden die dabei gewonnenen theoretischen Erkenntnisse evaluiert, indem sie anhand der aktuellen Situation in ausgewählten Staaten Südost europas beleuchtet werden. Das Ziel dieser ExpertInnenbefragungen war es, mit zwei Fallstudien zu Serbien und Mazedonien zu untersuchen, ob die durch Sekundäranalyse gewonnenen Zusammenhänge zwischen Institutionenvertrauen und Wirtschaftsdaten auch tatsächlich relevant sind bzw. ob die Zusammenhänge auch praktisch erkenn und nachweisbar sind. Weiters zielten die Interviews darauf ab, Informationen über weitere Faktoren zu gewinnen, die die Wirtschaftsentwicklung in den jeweiligen Ländern be einflussen. Die Daten dieser qualitativen Analyse stammen großteils aus Leitfadenin terviews, die MitarbeiterInnen des bereits erwähnten Projekts »VertrauenIn Serbien wurden sechs und in Mazedonien acht ExpertInnen befragt, die dem Transformationsprozess und der Ausbildung einer funktionierenden Marktwirtschaft grundsätzlich alle positiv gegenüberstanden. Sie meinten, dass es vor allem wichtig sei,www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33Erhebungswellen die Frage nach dem Vertrauen in Institutionen stellt und jeweils für den gleichen Erhebungszeitraum Daten aus vielen Ländern dokumentiert. In der Welt wertestudie werden vor allem Einstellungen und Werte der Bevölkerung zu den Be reichen Familie, Arbeitswelt, Freizeit, Religion, Wirtschaft und Politik erfasst. Die im Rahmen der Weltwertestudie erhobenen weiterer Folge wird der allgemeine, auf Basis der Analyse von Daten aus 42 Ländern gewonnene Zusammenhang am Beispiel zweier ausgewählter Länder, nämlich Serbien und Mazedonien überprüft. Bei der Auswahl der Länder, in denen Exper tInneninterviews durchgeführt wurden, stand die Überlegung im Vordergrund, Trans formationsstaaten am Balkan eingehender zu untersuchen.Da die Europäische Union im Zuge der Stabilisierung dieser Region ihre Grenzen mittelfristig in diese Richtung ausdehnen will, sind (potenzielle) EUBeitrittskandidaten aus Südosteuropa für Untersuchungen besonders interessant. Mazedonien hat bereits im Mai 2004 einen Antrag auf Aufnahme in die Europäische Union gestellt, Serbien orientiert sich ebenfalls stark an der EU. Weil die zwar bereits in Gang gebrachten marktwirtschaftlichen Reformen noch nicht die erwarteten bzw. erhofften Erfolge hat ten, schienen diese beiden Länder vor allem für die Überprüfung des Zusammenhangs von Vertrauen in Institutionen und Wirtschaftsentwicklung sehr gut geeignet.Die für die Zusammenhangsanalyse zwischen wirtschaftlichen Kennzahlen und dem Grad an Vertrauen in bestimmte Institutionen notwendigen Wirtschaftsdaten wurden vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche zur Verfügung gestellt. Das WIIW sammelte für diese Studie aus unterschiedlichen Quellen Wirtschaftsdaten, die in einen neu zu generierenden Datensatz einflossen. In die Analyse wurden Daten aus den Erhebungsjahren 1990 und 2000 (zeitlich deckungsgleich mit den Daten der Weltwertestudie) einbezogen. -Ausländische Direktinvestitionen, Bestand in Prozent des BIP -Staatseinnahmen in Prozent des BIP -Staatsausgaben in Prozent des BIP -ArbeitnehmerInnenentgelte in Prozent des BIP 6.2.2 Ergebnisse der Sekundäranalysen Mittels SpearmanRangkorrelation wurden die Indikatoren des Institutionenvertrauens, des Vertrauens in die meisten Menschen sowie die Wirtschaftsindikatoren auf ihren statistischen Zusammenhang im Zeitvergleich (1990 und 2000) geprüft. Die Rangkor relation als Maß des Zusammenhangs gibt lediglich über die Stärke und Richtung von Zusammenhängen Auskunft, nicht jedoch über Kausalität, weshalb die Feststellung einer eindeutigen Wirkung eines Indikators auf einen anderen nicht möglich ist. Die in weiterer Folge nach den einzelnen Wirtschaftsindikatoren detaillierter dar gestellten Ergebnisse zeigen, dass -bis auf wenige Ausnahmen -in den Jahren 1990 und 2000 unterschiedliche Wirtschaftsindikatoren mit unterschiedlichen Vertrauens indikatoren in signifikanter Weise korrelieren (siehe Tabelle 1). Wirtschaftsindikatoren Folgende Indikatoren wurden schließlich für die Analyse verwendet : -Bruttoanlageinvestitionen in Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt) Diese bilden zusammen mit den Vorratsveränderungen die Bruttoinvestitionen in der volkswirt schaftlichen Gesamtrechnung. www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 Einen ersten -wenn auch nur beschränkt aufschlussreichen -Eindruck von der aktuellen ökonomischen Lage des Landes können folgende Daten vermitteln : Das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparitäten betrug 2005 3.142 USDollar (USD) pro Kopf, während es in Österreich im selben Zeitraum bei 39.292 USD lag(IMF 2005). Die Arbeitslosenrate wurde 2003 offiziell mit 15,2 Prozent angegeben (European Com munities 2005, 46) und etwa 30 Prozent der Bevölkerung lebten laut offiziellen Berech nungen aus dem Jahr 1999 unterhalb der Armutsgrenze. 0Da sich das Land noch am Anfang der Transformation befindet und kontinuier liche marktwirtschaftliche Reformgesetze erst verabschiedet werden müssen, gilt das Rechtssystem als sehr instabil. Dies wiederum erklärt den von den ExpertInnen gegen wärtig als viel zu niedrig eingestuften Anteil von ausländischen Direktinvestitionen. EuropeanCommunities 2005, 46) und ca. 30 Prozent der Bevölkerung lebten laut Schätzungen für 2003 in Armut. Nachdem sich in Mazedonien ein beträchtlicher Teil des Wirtschaftsgeschehens in den Bereich der Schattenwirtschaft verlagert hat, sind diese Daten allerdings -ebenso wie jene für Serbien -mit Vorbehalt zu behandeln. Mazedonien Zum Zeitpunkt seiner Unabhängigkeit (1993) war Mazedonien die ärmste der ehema ligen jugoslawischen Teilrepubliken. Die fehlende Infrastruktur, politische Probleme und damit verbundene Handelsembargos verhinderten ein Aufholen des Rückstandes bis 1996. Ab diesem Zeitpunkt ging es zwar mit moderaten Wachstumsraten aufwärts, die positive Wirtschaftsentwicklung wurde jedoch 2001 durch bewaffnete Aufstände von Angehörigen der albanischen Volksgruppe unterbrochen. Seitdem ist die wirtschaftliche Lage weiter prekär : Das BIP pro Kopf in Kaufkraft paritäten betrug 2004 2.404 USD (IMF 2005), die Arbeitslosenrate 2004 offiziell 39,3 Prozent ( www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 Rechtssystem : Das serbische Rechtssystem gilt als höchst korrupt und ineffizient. Nicht nur, dass es aufgrund weit verbreiteter Korruption im Bereich der Justiz nicht in der Lage ist, Rechtssicherheit zu gewährleisten, beeinträchtigt auch die lange Dauer der Gerichtsverfahren die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes. Ein interviewter Ökonom www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 meinte dazu : »Es stimmt, das Justizsystem und die Institutionen in diesem Bereich sind korrupt und ineffizient.« Außerdem existiert in bestimmten Bereichen nach wie vor das Konstrukt von »social ownership« (eine spezielle Form des kollektiven Eigentums, bei der Produktionsmittel und andere Ressourcen der Gemeinschaft gehören und nicht einer bestimmten Gruppe oder Individuen ; siehe dazu : Stallaerts 1994). Dies erleichtert es den herrschenden Eliten, Unternehmen ihrer eigenen Klientel zukommen zu lassen. . Korruption : Korruption ist nicht nur in der Justiz, sondern in großen Teilen des gesellschaftlichen Lebens feststellbar, v. a. im Polizei und Gesundheitswesen sowie in Politik und Wirtschaft. Ein Wirtschaftswissenschafter bemerkte dazu : »Wegen der geringen Bezahlung kassieren Polizisten Strafen für sich selbst ein oder andere arbeiten sogar nach Dienstschluss als Leibwächter für Mafiabosse.« Ein befragter Sozialwissen schafter stellte fest : »Es ist in Serbien ganz normal, dass man entweder mit dem Arzt befreundet ist oder dass man Geld in die Ordination mitbringt, wenn man schnell behandelt werden möchte.« . Organisierte Kriminalität : Das organisierte Verbrechen stellt immer noch einen wichtigen Machtfaktor in der serbischen Politik und Wirtschaft dar. »Na klar, Ministerpräsident Djindjic ist von der Belgrader Mafia ermordet worden« beteuerte ein weiterer interviewter Sozialwissenschafter. Ein Ökonom meinte zum Problem der organisierten Kriminalität ergänzend : »Der organisierte Schmuggel von Zigaretten und sonstigem ist ein relativ großer Wirtschaftszweig hier« (in Serbien ; Anm. d. AutorInnen). . Schattenwirtschaft : Aufgrund der als zu hoch empfundenen Steuern und Ab gaben weichen viele SerbInnen in die Schattenwirtschaft aus. Dadurch entgehen dem Staat beträchtliche Steuereinnahmen. Neben Budgetproblemen führt dieser Umstand auch zu unfairen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Steuer zahlenden Unterneh men und den in der Schattenwirtschaft agierenden Wirtschaftssubjekten. Ein Ökonom stellte dazu fest : »Wenn Sie mich fragen, wie ein Großteil der Serben bei diesen Einkommen überleben kann, kann ich nur sagen : Am Land hilft die Familie und in den Städten habe viele zwei oder sogar drei Jobs, fast immer in der Schattenwirtschaft.« . Niedrige ausländische Direktinvestitionen : Wegen drei zentraler politischer Probleme (Montenegro, Kosovo, UNKriegsverbrechertribunal in Den Haag) sowie wegen eines fehlenden Gesetzesrahmens für Investitionssicherheit gibt es zu wenige ausländische Direktinvestitionen, um Impulse für ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu liefern. Mehrere Interviewpartner erklärten dazu beinahe gleichlautend : »Eines der wichtigsten Dinge, die in Serbien gemacht werden müssen, ist ein besserer Gesetzesrahmen zum Schutz der ausländischen Investoren. … Dass die drei politischen Probleme endlich gelöst werden müssen, ist absolut klar. Niemand investiert sonst hier.« Auch die weit verbreitete Korruption und die instabile Rechtslage sind wesentliche Hemmnisse für ausländische DirektinvestorInnen. . Wenige Betriebsgründungen : Zu hohe Unternehmenssteuern und komplizierte Betriebsgründungsverfahren verhindern bislang viele neue Unternehmensgründungen. Ein Ökonom vertrat im Interview folgende Meinung : »Neue Unternehmen sollten für drei Jahre keine Steuern für ihre Angestellten zahlen müssen, dann kommt es zu einem Boom bei Betriebsgründungen.«Übereinstimmend vertreten die befragten ExpertInnen die Auffassung, dass das Vertrauen in staatliche und internationale Institutionen in der serbischen Bevölkerung aus historischen Gründen traditionell schwach ausgeprägt ist und immer geringer wird. Die BeamtInnen, das Gesundheitswesen, die Polizei und das Rechtssystem gelten als in höchstem Maße korrupt und als nicht vertrauenswürdig. www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau (46. Jg.) Heft 1 / 2006 : 7 -33 . Wenige Betriebsgründungen : Langwierige Betriebsgründungsverfahren sowie ein ineffizientes Steuersystem verzögern neue Betriebsgründungen. »Firmengründungen sind zu kompliziert. Man muss die Beziehungen spielen lassen, ansonsten dauert es mindestens 84 Tage und erfordert 30 Bearbeitungsschritte« gibt ein Vertreter des UNDP in Mazedonien zu bedenken. . Ineffiziente Verwaltung : In Mazedonien gibt es keinerlei Tradition von »good governance« (verantwortungsbewusste Regierungsführung), was sich v. a. in der man gelnden Effizienz der Verwaltung zeigt. Oft dauert es Wochen oder gar Monate, bis ein Bescheid ausgestellt wird -und dies häufig erst nach Zahlungen von Bestechungs geldern. Sws-Rundschau Jg.) Heft 46 Sws-Rundschau Jg.) Heft 46 Critical Economic Methodology. A Personal Odyssey Lawrence A Boland London/ New York European Governance White Paper Brussels Unter 2. 12 European Commission Pocketbook on Candidate Countries and Western Balkan Countries European Communities Luxembourg Defining and Estimating Underground and Informal Economies : The New Institutional Economics Approach Edgar L Feige In : World Development, Nr 7 The Methodology of Positive Economics Milton Friedman Essays in Positive Economics. Chicago Milton Friedman Werner U Fuchsheinritz Lexikon zur Soziologie. Opladen Can We Trust Trust ? Diego Gambetta Trust : Making www.sws-rundschau.at SWS-Rundschau Gambetta, Diego 46 and Breaking Cooperative Relations Oxford Korruption und Entwicklung Cheryl W Gray Daniel Kaufmann 11. 10 Do We Want Trust in Government ? Russell Hardin Demo cracy and Trust Warren, Mark E. Cambridge, Mass Michaela / Hudler Susanne / Kirchner Syl Trnka Via Jugend im Grenzland. Endbericht zum Projekt Nr. 10.619 des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank Wien World Economic Outlook Database IMF 1 Internationaler Währungsfonds Trust, Well-Being and Democracy Ronald Inglehart Demo cracy and Trust Warren, Mark E. Cambridge, Mass Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung Douglass C North Tübingen How Can we Trust in Fellow Citizens ? Claus Offe Democracy and Trust Warren, Mark E. Martin Raiser Trust in Transition. EBRD Working Paper 37 Susan Roseackermann 17. 10 Trust, Honesty and Corruption -Reflection on the State-Building Process. Yale Law School John M. Olin Center for Studies in Law 255 Towards a Justification of Social Ownership : A Comparison of the Property Rights, Social Choice and Economic Justice Approach Jürgen M Schechler Bd. 41. Frankfurt a. M. u. a. Stallaerts 2 Nr. Illegale Transaktionen und staatliches Handeln -Eine institutionenökonomische Analyse korrupter Austauschbeziehungen Torsten Steinrücken Wiesbaden Corruption & Democracy : Political Institutions, Processes and Corruption in Transformation States in East-Central Europe and in the Former Soviet Union. Insti tute for Constitutional and Legislative Policy Trang, Duc V. Budapest United Nations Development Pro gramme 12. 12 UNDP Early Warning Report Vertrauen und Kontrolle in Transaktionen -Eine institutionenökonomische Analyse Jörg Vogt Wiesbaden Mark E Warren Democracy and Trust Kontrolle ist gut -Vertrauen ist besser ? -Bedingungen unternehmerischen Handelns in Transformationsländern Friederike Welter Calculativeness, Trust and Economic Organization Oliver E Williamson Journal of Law & Economics, XXXVI Internet-Adressen (xsd:string)
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